Die Anfänge der Gemeinschaft zu Ehren des heiligen Sebastian reichen allerdings in Burghausen viel weiter zurück als 1600. Bereits im Jahr 1466 wird die Sebastianibruderschafts-Kapelle an der St. Jakobs-Pfarrkirche eingeweiht. Die Bruderschaft bestand ursprünglich aus den Zünften der Schreiner, Schlosser, Binder, Drechsler und Siebler; sie beteiligte sich 1512 an den Kosten für die Weihe der Pfarr- und der Spitalkirche. Für das Jahr 1601 ist eine Bruderschafts-Ordnung überliefert. Neben den zunftmäßigen gab es damals schon weitere in- und ausländische Mitglieder.
Es folgte allerdings bald danach ein gewisser Niedergang; 1638 wurde eine neue Ordnung verfasst, „da die alte in ‚Unordnung khommen‘ und die Mitglieder nicht mehr zu den Gottesdiensten, Karfreitags- und Corporis-Christi-Prozessionen und Begräbnissen erschienen oder Buben als Stellvertreter schickten“, wie das Bruderschaftsbuch aus dem 18. Jahrhundert berichtet.
Das Wiederaufleben der Pest nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges 1648 führte aber zur Neuerstehung der Bruderschaft – im „Pestjahr 1649“ wurden nicht nur die Kapuziner zur Pflege der Kranken in die Stadt berufen, sondern auch die Sebastiani-Prozession eingeführt. 1759 dann wird in der Sebastiani-Kapelle an der Jakobskirche ein neuer Altar errichtet mit einer Figur des hl. Sebastian; diese Plastik des Burghauser Bildhauers Johann Georg Lindt ziert noch heute den rechten Seitenaltar von St. Jakob und ist das einzig verbliebene Werk aus der ursprünglichen Stadtpfarrkirche.
Für das 19. Jahrhundert berichtet der Chronist vom regelmäßigen Abhalten des Titularfestes am Sonntag vor dem Namenstag des Heiligen (20. Januar) mit Vesper, Beichte, Hochamt, Rosenkranz sowie großer Prozession und Reliquienverehrung. Im Grunde läuft es noch heute so, allerdings ohne die Vesper am Vorabend und ohne die Prozession auf dem Stadtplatz.
Zu letzterer berichten die von Bernhard Waas zusammengetragenen alten Aufzeichnungen wie folgt:
„Nachmittags ca. gegen 13.30÷14 Uhr feierliche Prozession auf dem Stadtplatz, bei welcher nach den 4 Himmelsgegenden mit dem Allerheiligsten der Segen gegeben wird. (In der Mitte des Stadtplatzes gegen Westen; wo sich die Prozession wendet gegen die St. Josephskirche; bei dem Gäßchen nach Österreich gegen Osten; am oberen Brunnen gegen Süden.); wieder Einzug in die Kirche; feierliche Vesper; Rosenkranz; sodann wird „die Reliquie des hl. Sebastian den Verehrern, welche am Speisgitter knien, zum Kuße gereicht.“
Waas, der sich heute federführend um die Bruderschaft kümmert – eine feste Organisationsform gibt es nicht mehr – erscheint eine solche öffentliche Prozession nicht mehr zeitgemäß, zumal die Sebastiani-Gemeinschaft derzeit nur noch 46 Mitglieder umfasst (in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts sind noch jährlich etwa 15 Neuaufnahmen verzeichnet). Eine kleine Prozession immerhin führt aber durch die Gänge der Pfarrkirche.
„Heiliger Sebastian, Patron unserer Bruderschaft, durch dein mutiges Eintreten hast du ein Beispiel für deinen großen und starken Glauben gegeben. Sei du auch weiterhin unser Fürsprecher in unseren Anliegen. Bewahre uns auch weiterhin vor unheilbarer Krankheit. Schenke uns auch weiterhin Schutz und Hilfe für eine gute Sterbestunde und unterstütze uns im Einstehen für unseren Glauben. Amen.”
Der Aufnahmezettel aus einem Anfang des 20. Jahrhunderts ausgestellten Mitgliedsbuchs hielt den Zweck der Bruderschaft fest: „Abwendung von gefährlicher Krankheit und eines unvorhergesehenen Todes. Dazu möge jedes Mitglied wöchentlich einer hl. Messe beiwohnen, 7 Vater unser, Gegrüßet und Glaube an Gott beten.“ Auch wenn es heute keine festen oder schriftlich fixierten Regularien mehr gibt, ist der Kerngedanke für Bernhard Waas heute so aktuell wie damals: Das Gebet um eine gute Sterbestunde. „Und“, ergänzt der Kirchenpfleger von St. Jakob, „wir versuchen uns weiter gegenseitig umeinander zu kümmern, aber durch Spenden auch anderen vor Ort Gutes zu tun“. Dass das noch lange möglich sein wird, indem sich vielleicht neue Mitglieder für die Sebastiani-Bruderschaft begeistern können, erhofft sich der ehrenamtlich vielfältig Engagierte – und natürlich ein gelungenes Hauptfest am 19. Januar mit vielen Besuchern des Festgottesdienstes um 9 Uhr in der Jakobskirche. Zur Feier des 425-jährigen Jubiläums wird übrigens die oben erwähnte Sebastiani-Figur nach gründlicher Reinigung in neuem Glanz erstrahlen.
Wolfgang Terhörst
Redaktionsleiter
Festablauf
Sonntag, 19. Januar 2025, St. Jakob Burghausen: 8.30 Uhr Beichtgelegenheit, 9 Uhr Festgottesdienst unter der Leitung von Msgr. Josef Fischer mit musikalischer Gestaltung durch den Kirchenchor St. Jakob (hl. Amt für die lebenden und verstorbenen Mitglieder der Bruderschaft und anschließende Andacht mit Reliquienverehrung und Neuaufnahme. Möglichkeit zum Sebastiani-Opfer). Abschließend gemütliches Beisammensein im Hotel Bayerischer Hof am Stadtplatz.