Der Bischof stärkt uns im Glauben inmitten einer zerrissenen Welt und Zeit. Dieses Fazit zieht Domdekan Dr. Hans Bauernfeind, der sich für seine Predigt zum Todestag von Bischof Simon Konrad Landersdorfer intensiv mit dem Leben und Wirken des Oberhirten auseinandergesetzt hat.
Stat crux dum volvitur orbis.“ Es steht das Kreuz, solange/während sich die Erde dreht. Dieser Wappenspruch des Kartäuserordens avancierte zum programmatischen Wahlspruch der 32-jährigen Amtszeit von Bischof Dr. Dr. Dr. hc. Simon Konrad Landersdorfer. Als der bisherige Abt von Scheyern 1936 zum 81. Bischof von Passau geweiht wurde, zeigte dieser Wahlspruch inmitten nationalsozialistischer Herrschaft an, wer für den neuen Bischof Mitte und Herr der Welt ist: nicht der sich als Führer gerierende Adolf Hitler, sondern Jesus Christus. Gerne hätten ihn die Nationalsozialisten für ihre Zwecke vereinnahmt. Landersdorfer ließ das nicht zu. Er fügte seinem Ordensnamen Simon sogar noch den des Hl. Bruder Konrad hinzu, des demütig dienenden Kapuziners in Altötting. Dies war ein Tribut an das Bistum Passau, aber auch ein klares Zeichen gegen das diskriminierende NS-Verständnis vom sogenannten „arischen Übermenschen“.
Weil er wusste, wie schwer seine Aufgabe werden würde, war er zunächst zögerlich, dieses vom Papst auferlegte Amt anzunehmen. Er tat es aus Gehorsam.
Das ist gewiss eines der menschlichen Attribute dieses Bischofs: Gehorsam. Der aus bäuerlichen Verhältnissen stammende Josef Landersdorfer war 1899 in den Benediktinerorden eingetreten und übte der Regel der Benediktiner und dem Abt gegenüber Gehorsam, was nicht Hörigkeit bedeutet. Er übernahm innerhalb des Ordens wichtige Aufgaben, war sachkundiger Sprachenkenner des Aramäischen und orientalischer Sprachen, wirkte als Alttestamentler in San Anselmo in Rom an der Ordenshochschule und wurde im Jahre 1922 zum Abt von Scheyern gewählt. Wenn er im Auftrag des Papstes Benediktinerklöster visitierte, war es ihm keine Freude, Äbte, die ihren Aufgaben nicht gerecht wurden, abzusetzen. Er sah es im Gehorsam gegen die hohe Bedeutung der Ordensregel und des christlichen Zeugnisses als notwendig an. Wegen dieser Strenge wurde ihm der Beiname „Simon mit der Säge“ oder „Abttöter“ gegeben.
Dass Simon Konrad Landersdorfer Benediktiner war, hatte Auswirkungen auf sein Amt als Bischof. Er verstand sich – wie der Abt im Kloster – als Vater der Seinen im Bistum. Er hatte einen tiefen Sinn für die ordentlich gefeierte Liturgie, ließ diejenigen, die er für geeignet hielt, in ihrer Schaffenskraft gewähren und orientierte sich entschieden an Jesus Christus. Wie er als Abt mit dem Wahlspruch „Agape synechei – Die Liebe hält zusammen“ (2 Kor 5,14) agierte, so war es ihm als Passauer Diözesanbischof ein Anliegen, alle in der Liebe Christi zu vereinen. So intervenierte er immer wieder gegen die nationalsozialistische Propaganda. Als 1941 ein NS-Film die Euthanasie rühmte, hielt der Bischof ein Schreiben entgegen, das er in den Kirchen verlesen ließ. Die Wirkung war so stark, dass die Nazis ihre Propaganda im Bistumsbereich einstellen mussten. Schon 1937 hatte Simon Konrad die Enzyklika „Mit brennender Sorge“ von Papst Pius XI. öffentlichkeitswirksam auf der Kanzel des Passauer Doms vorgetragen.
Wegbereiter der Liturgiekonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils
Legendär ist sein Ringen um die Jugend. Sie lag ihm am Herzen. Er wollte sie nicht dem Hakenkreuz preisgeben, sondern für den lebendigen Christus gewinnen. Er versammelte sie seit 1936 regelmäßig zum Jugendbekenntnistag. Als öffentliche kirchliche Zusammenkünfte endgültig verboten waren, ließ er die Gläubigen und vor allem die Jugend bei den Altären der Kirchen versammeln. Dort wurden Katechesen gehalten und der Blick für Christus neu geöffnet. Heute sprechen wir von der „Seelsorge vom Altar aus“ (vgl. u.a. Richard Geier, „Seelsorge vom Altar aus. Das pastoralliturgische Konzept von Bischof Simon Konrad Landersdorfer OSB“. Winzer 1999). Darüber hinaus versuchte der Passauer Bischof durch die Gründung des Bischöflichen Jugendseelsorgeamtes im Jahre 1937 Unterstützung zu geben.
Ein wichtiger Beitrag zur Jugendseelsorge waren die Erneuerungsimpulse der Liturgischen Bewegung. Es scheint, dass Simon Konrad Landersdorfer erst in Passau ein Freund der Liturgischen Erneuerung geworden war. Neben Generalvikar Dr. Franz Seraph Riemer, der ihm eine unersetzliche Hilfe gewesen ist, fand der Bischof einen kongenialen Partner im zweiten Schweiklberger Abt DDr. Thomas Graf. Schweiklberg galt als das Zentrum der Liturgischen Erneuerung im Bistum Passau. Dort trafen sich die großen deutschen Vertreter, die sich um eine Liturgische Erneuerung bemühten. Abt Thomas Graf war dabei Gastgeber, Vermittler zu Bischof Landersdorfer und brachte eigene Gedanken in die Liturgische Bewegung ein. Landersdorfer wusste, dass in der Krypta Gemeinschaftsmessen gefeiert wurden. Auch er selbst hatte im vollbesetzten Dom im Jahre 1939 aus Anlass des 1200-jährigen Bistumsjubiläums versus populum die Gemeinschaftsmesse gefeiert. Der Bischof am Altar war dabei von vielen eng an eng stehenden Menschen umgeben.
In Schweiklberg wurde am 24. Oktober 1940 die Liturgische Kommission der Bischofskonferenz gegründet, deren Leiter der Passauer Bischof zusammen mit dem Mainzer Jugendbischof, Erzbischof Albert Stohr, wurden. Schweiklberg galt als erste Kommissionssitzung. Das bereits in der Fuldaer Bischofskonferenz zuvor gegründete Liturgische Referat wurde ebenfalls von beiden Bischöfen geleitet. An der Seite Landersdorfers wirkte im Referat Thomas Graf als dessen Sekretär. Mit diesen Gründungen fand die oft kritisierte Liturgische Bewegung in ein ruhigeres Fahrwasser, die auch von Papst Pius XII., einem ausgewiesenen Freund von Landersdorfer, unterstützt wurde. Einen Meilenstein der Entwicklung bedeutet die Gründung des Liturgischen Instituts in Trier im Jahre 1947. So erwies sich Simon Konrad Landersdorfer nicht nur als Förderer der Liturgischen Bewegung hierzulande, sondern er gehörte bald auch zu den entscheidenden Persönlichkeiten des Zweiten Vatikanischen Konzils, die die Texte der Liturgiekonstitution „Sacrosanctum concilium“ prägten. Nach der großen Abstimmung in der Konzilsaula standen die Konzilsväter, die um Simon Konrad Landersdorfer saßen, auf und gratuliertem ihm, dem dieser großartige Entwicklungsschritt der Kirche mit zu verdanken war.
Tatkräftiger Bischof und Seelsorger
Tatkraft zeichnete das Episkopat von Simon Konrad Landersdorfer aus. Noch im April 1945 bat er den Kommandanten im Abschnitt Passau, die Stadt und die Menschen zu verschonen – eine Bitte, die ihm das Leben hätte kosten können. Nach dem Krieg wirkte er mit am Wiederaufbau, errichtete und erneuerte Kirchen, bemühte sich um eine zeitgemäße Seelsorge, gründete 1961 das Seelsorgeamt, hielt Seelsorgekonferenzen ab und brachte das Laienapostolat der Katholischen Aktion voran. Er rief das Diözeanexerzitienhaus Mariahilf ins Leben, förderte den theologischen Nachwuchs, traf sich mit den Priesteramtskandidaten und wirkte mit in der ökumenischen Bewegung, im Besonderen in der „Catholica Unio“. Sein Blick richtete sich dabei auf die Ostkirchen. In allem aber stand die persönliche und gemeinschaftliche Ausrichtung der Gläubigen auf Christus im Mittelpunkt. Er ging dabei voran. Bemerkenswert ist die Stellungnehme von Landersdorfer zur Enzyklika „Humanae vitae“, der sogenannten Pillenenzyklika, im Jahre 1968. Er sah die Not seiner Seelsorger und die Not der Ehepartner. Er pochte dabei auf die Lehre der Kirche, bat aber die Seelsorger, vorhandene gewissenhafte Motive der Ehepartner zu würdigen, wenn sie sich nicht an die Ordnung der Kirche halten könnten. Sie sollten sich nicht als getrennt von der Liebe Gottes betrachten müssen. In diesem Punkt kommt der Abt, der Vater der Seinen, wieder zum Vorschein – wie es also möglich sein könne, alle in Christus zusammenzuhalten.
„Ja, der hat mich gefirmt. Der strahlte Autorität aus. Der war privat sehr liebenswürdig.”
Landersdorfer legte großen Wert darauf, als „emeritus“ des Bistums Passau in den Ruhestand gehen zu können. Damit widersprach er der Praxis, im Ruhestand noch ein pro-forma-Bistum zugewiesen zu bekommen. Dieser Widerspruch scheint in gewisser Weise auch Papst Benedikt XVI. inspiriert zu haben, für sich selber den Status des „emeritus“ als Papst zu erhalten.
Mensch und Bischof
Wer heute Menschen nach Bischof Simon Konrad Landersdorfer fragt, hört sie antworten: „Ja, der hat mich gefirmt. Der strahlte Autorität aus.“ Oder: „Der war privat sehr liebenswürdig.“ Andere sagen, dass ihn nicht wenige Priester fürchteten, wenn er auf Besuch kam. Sie wussten nämlich, dass der Bischof Wert auf geordnete Kirchen und eine würdige Liturgie legte. Da konnte er energisch und abweisend wirken. Wieder andere beschreiben ihn als einen aufmerksamen und korrekten Mann. Die Begegnung und der Umgang mit Menschen waren Landersdorfer wichtig. Ebenso freute er sich über jede Grußkarte und ließ keine unbeantwortet. Er wollte mit den Menschen sprechen. Wenn wir auf die Bischöfe unserer Zeit schauen, wie z. B. unseren Bischof Stefan, dann sehen wir, wie fordernd und geradezu überfüllt der Terminkalender ist. Viel unterwegs zu sein, bedeutet aber auch, mit den Menschen direkt in Kontakt zu kommen. Zu Lebzeiten Bischof Landersdorfers waren die Termine noch nicht so ausgedehnt. So wurde im Spätherbst der Dienstwagen aufgebockt und konserviert abgestellt und erst im Frühjahr wieder aktiviert. Hier haben sich die Zeiten massiv geändert.
Mut machende Erinnerung für die Kirche
Am 21. Juli 1971 starb Bischof Simon Konrad Landersdorfer OSB um 5.15 Uhr früh im Alter von 91 Jahren. In seinem Nachruf sprach Bischof Dr. Antonius Hofmann: „Euer und mein Vater, unser aller Vater, ist tot.“ Auch hier tritt wieder der benediktinische Vater und Abt ins Rampenlicht, wie er – gemäß Bischof Antonius – „in seiner oft hoheitsvollen, bewunderungswürdigen Art“ im Bischofsamt erfahren wurde.
„Euer und mein Vater, unser aller Vater, ist tot.”
Julius Kardinal Döpfner hielt dem verstorbenen Bischof das Gedenkwort. Besonders verwies der Kardinal auf das 12. Kapitel des Lukasevangeliums. Im Blick darauf erkannte er in Simon Konrad „einen in allen Anfechtungen unserer Zeit unverrückbaren, unauswurzelbaren Glauben an den abwesenden und kommenden, an den nahen und fernen Gott.“ Denn nicht viele sagten, Gott sei tot. Ebenso sah er den verstorbenen Bischof als den treuen Verwalter im „Dienst an den Hausgenossen Gottes“. Er erläuterte diesen Gedanken so: „Er war nie ein lebensfremder Mönch oder ein einseitig frommer Bischof. Er packte an, in allen Phasen seines gesegneten Lebens, wohin er auch gestellt wurde.“ Über den Tod hinaus rufe der Bischof zu allen Gläubigen: „Jammert nicht über die schlechten Zeiten und über die Krisen in der Kirche, sondern habt Vertrauen und macht euch ans Werk!“ Er ermutige alle, in der „Glaubensbelastung dieser Zeit“ auszuhalten.
„Er war nie ein lebensfremder Mönch oder ein einseitig frommer Bischof. Er packte an, in allen Phasen seines gesegneten Lebens, wohin er auch gestellt wurde.”
In diesem Zuruf macht uns Bischof Simon Konrad Landersdorfer OSB auch heute, 50 Jahre nach dessen Tod, noch Mut. Als Gläubige gehören wir Christus und wir hören auf ihn. Diese Besinnung auf den Herrn setzt die Kräfte frei, die die Kirche für ihren Dienst im Laufe des Zeitgeschehens braucht. So gilt weiterhin: „Es steht das Kreuz, solange und während sich die Erde dreht.“ Es ist ein Zeichen Mut machender Hoffnung.
Dr. Hans Bauernfeind
Domdekan, Leitung Hauptabteilung Seelsorge und Evangelisierung