Er ist unter anderem Namensgeber für einen der wichtigsten Pässe der Alpen: der heilige Godehard oder Gotthard, wie er bei uns im Süden gerufen wird. In Hildesheim feiert man heuer den 1000. Jahrestag seiner Bischofsweihe, doch geboren wurde er in Niederbayern. Wer war dieser berühmte Heilige? Wir haben uns auf Spurensuche begeben und bei Archivdirektorin Prof. Dr. Hannelore Putz nachgefragt.
Frau Putz, die Eckdaten kann man bequem bei Wikipedia nachlesen: Godehard, geboren 960 in Reichersdorf bei Niederalteich in Niederbayern, gestorben am 5. Mai 1038 in Hildesheim. Dazwischen liegt ein sehr spannendes Leben. Wer war dieser Godehard, der auch heute noch ein Namensgeber für Pässe, Tunnel, Schulen und vieles mehr ist?
Prof. Dr. Hannelore Putz: Godehard oder Gotthard, wie ihn die Leute bei uns seit dem 19. Jahrhundert nennen, war tatsächlich der erste Altbayer, der heiliggesprochen worden ist. Das war im Jahr 1131. Daran sieht man schon, dass er ein ganz besonderer Typ gewesen sein muss. Und tatsächlich zeichnete diesen Godehard sehr vieles aus: Er lebte tief aus seinem Glauben, war sehr intelligent und gebildet, sehr tatkräftig und enorm willensstark. Gleichzeitig scheint er auch den Menschen besonders zugewandt gewesen zu sein. Offensichtlich hatte er ihr Wohl stets im Blick gehabt. Unablässig hat er sich in Gebet und Askese geübt, kompromisslos und mit unerschütterlichem Gottvertrauen sich von Christus in den Dienst nehmen lassen. Das berichtet uns Wolfhere, der Biograph Godehards, der voller Sympathie und Verehrung über den Abt und späteren Bischof schreibt.
Was weiß man denn über seine Kindheit?
Prof. Dr. Hannelore Putz: Godehard ist 960 in Reichersdorf in der Nähe von Niederalteich geboren worden. Sein Vater war so etwas wie ein Wirtschaftsleiter im Kloster Niederaltaich. In der dortigen Schule wurde Godehard von Odalgisus unterrichtet. Er lernte die elementaren Kulturtechniken des Lesens, Schreibens und Singens. Bald schon aber führte der Lehrer den so intelligenten Schüler Stück für Stück weiter ein in die Welt des damals bekannten Wissens. Nach einigen Jahren erkannte der damalige Erzbischof Friedrich von Salzburg, wie begabt dieser Jugendliche in Altaich war. Er nahm ihn unter seine Fittiche – Godehard lernte Salzburg, Italien und viele weitere Orte des Wissens kennen. Nach Jahren der Ausbildung kehrte der inzwischen junge Mann nach Altaich zurück – in den Künsten und Wissenschaften erfahren und gelehrt.
Dazu musste er aber schon in sehr jungen Jahren große Entscheidungen treffen, etwa die Eltern zu verlassen und in die Einsiedelei zu gehen…
Prof. Dr. Hannelore Putz: Besonders haben Godehard die Erzählungen über Heilige und Einsiedler interessiert. Voller Begeisterung hat er beispielsweise die Lebensbeschreibung des Heiligen Martin gelesen. Von ihm hat er sich als Knabe auch inspirieren lassen, Einsiedler werden zu wollen. Mit einem Schulkameraden machte er sich ohne Absprache mit Lehrern und Eltern auf den Weg. Sie beteten tagelang Psalmen und ernährten sich von Baumblättern, Wurzeln und Kräutern. Die besorgten Eltern wiederum suchten die beiden „Jung-Eremiten“, fanden sie nach einigen Tagen im Wald und brachten sie wieder zurück nach Hause. Die beiden Buben sind dann auch wieder in die Schule gegangen. Die Einsiedelei blieb bei ihnen für den Moment nur eine Episode – aber spürbar wird daran bereits, wie sehr Godehard von innen heraus den Glauben lebte und wie sehr er in sich ein festes Fundament des Glaubens und der Christusbeziehung aufbaute.
Warum ist er in Niederaltaich eingetreten? Zufall?
Prof. Dr. Hannelore Putz: Niederaltaich war für Godehard von Kindheit an der vertraute Ort. Dort hatte er Beten und Arbeiten gelernt, dort wurde er zutiefst in die Spiritualität des Heiligen Benedikt hineinverwoben. Seine Prägungen hatte er unter dem Schutz des Heiligen Mauritius erhalten – dem Patron der Klosterkirche. Ihn verehrte Godehard ein Leben lang – auch nachdem er das Kloster verlassen hatte und Bischof in Hildesheim geworden war. Diese tiefe Verbundenheit wird beispielsweise sichtbar daran, dass er dem Heiligen Mauritius in Hildesheim eine Kapelle weihte.
Buch-Tipp: Stefan Oster SDB – Heiner Wilmer SCJ (Hg.): Glauben geht! – Der Heilige Godehard – Von Niederaltaich nach Hildesheim. Mit Beiträgen von Marianus Bieber OSB, Matthias Bode, Stefan Branahl, Wolfgang Krinninger, Stefan Oster SDB, Hannelore Putz, Thomas Scharf-Wrede, Heiner Wilmer SCJ. Das Buch ist ab 12. September für 9,99 Euro u.a. im Domladen Passau erhältlich.
Godehard war fast 25 Jahre lang Abt in Niederaltaich. Sind seine Spuren heute noch gegenwärtig in Niederbayern?
Prof. Dr. Hannelore Putz: Ja, von Godehard gibt es immerhin noch seinen Abtstab, seine Kasel, einen Pontifikalschuh und ein Zingulum. Die Stücke sind inzwischen mehr als 1000 Jahre alt und zeigen sehr schön, dass Godehard nie in Niederaltaich vergessen wurde, sondern als Heiliger immer verehrt worden ist. In der Basilika gibt es eine Godehard-Kapelle, in dem Haus in Reichersdorf, wo er geboren ist, wird die Memoria gepflegt – und zwar mindestens seit dem 16. Jahrhundert. Das ist ganz besonders bemerkenswert. Denn eine so lange kontinuierliche Verehrungstradition an dem Geburtsort eines Heiligen ist durchaus selten.
Wir reden vom Mittelalter – Godehard lebte in einer Zeit, in der Klöster die Zentren von Wissen und Kultur waren. Es gab aber auch Umwälzungen: Viele Klöster zeichneten sich auch durch eine – heute würde man wohl sagen – menschliche Lebensweise aus, waren also weit entfernt von dem, was dem Ordensgründer Benedikt von Nursia so wichtig war. Welche Rolle spielte da Godehard?
Prof. Dr. Hannelore Putz: Als Godehard in Niederaltaich zur Schule ging, hatte sich das Kloster von der eigentlich benediktinischen Lebensform entfernt. Es war zu einem Kanonikerstift geworden. Die Kleriker haben sich damit eine deutlich leichtere Lebensform zur Norm gemacht. Dem Salzburger Erzbischof und dem bayerischen Herzog Heinrich dem Zänker hat das nicht sehr gefallen. Kurzentschlossen haben sie das Stift reformiert, die Gemeinschaft zur benediktinischen Lebensordnung zurückgeführt und einen Reformabt eingesetzt. Solche Prozesse rufen aber häufig Unstimmigkeiten und Streit hervor. Die nunmehrigen Mönche mussten sich von liebgewonnenen Traditionen und Lebensordnungen trennen – die benediktinische Reformordnung beanspruchte den gesamten Menschen und seine ganze Kraft. Sie mussten nun auf eigenen Besitz, eigenen Willen sowie Ehe und Sexualität verzichten. Der Tagesablauf folgte einem strikten Plan. Gebet, Arbeit und Askese bestimmten das Leben jedes Einzelnen.
Was können wir von diesem Heiligen in der heutigen Zeit lernen?
Prof. Dr. Hannelore Putz: Der Heilige Godehard hat aus der „spirituellen Innenseite“ seines Lebens heraus gehandelt. Das Gebet hat seinen Tag durchwirkt, seine Entscheidungen hat er aus dem Gespräch mit dem Herrn heraus getroffen. Dabei wird spürbar, dass er Herausforderungen angenommen und sie vor Gott gelegt hat, mit der Bitte, dafür Lösungen zu finden. Gleichzeitig aber hat er willensstark das, was ihm im Gebet richtig erschienen ist, konsequent durchzusetzen versucht. Mit unerschütterlichem Gottvertrauen ist er so in die großen und sehr schwierigen Reformprozesse in Niederaltaich, Tegernsee, Hersfeld, Kremsmünster und auch später in Hildesheim gegangen. Die intensive Orientierung nach innen hat es ihm ermöglicht, kraftvoll nach außen zu agieren. Ich glaube, dass dieses Anvertrauen des eigenen Lebens und Wirkens an Gott etwas ist, was wir heute besonders von ihm lernen können. Wir können nicht alles selber machen und müssen das auch nicht. Vielmehr ist es für uns gut, auch mal etwas Gott zu überlassen und im Hören auf ihn unsere Wege und Lösungen zu finden und zu gestalten.
Prof. Dr. Hannelore Putz
Archivdirektorin