Bistum

Auf Gunthers Spuren

Redaktion am 21.05.2019

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Warum in die Ferne schweifen, liegt das Gute doch so nah. Pilgern ist im Trend. Doch es muss nicht immer gleich der berühmte Jakobswegs sein, um spirituelle Erfahrungen zu sammeln. Ein Geheimtipp liegt direkt vor unseren Haustüren.

Die Zeit ist reif für den Gun­t­her­steig – davon ist die pas­sio­nier­te Pil­ger­weg­be­glei­te­rin Hel­ga Grö­mer fest über­zeugt. Wir müs­sen nicht zwin­gend erst mit dem Flug­zeug irgend­wo­hin flie­gen und dort los­le­gen, wir haben hier direkt vor unse­rer Nase wun­der­ba­re Wan­der- und Pil­ger­we­ge.“ Einer davon ist ihrer Ansicht nach der Gun­t­her­steig. Ein regio­na­ler Fern­wan­der­weg, den es lan­ge vor vie­len ande­ren neu erfun­de­nen oder wie­der­ak­ti­vier­ten Pil­ger­we­gen schon gege­ben hat“, so Grömer. 

Der Gun­t­her­steig führt von Nie­der­al­t­eich nach Dobrá Voda (Gut­was­ser) in Süd­böh­men. Wan­de­rer fol­gen hier dem eins­ti­gen Weg des als Volks­hei­li­gen ver­ehr­ten St. Gun­ther (um 9451045). Ins­ge­samt wer­den in vier Tages­etap­pen fast 90 Kilo­me­ter zurück­ge­legt. Zunächst geht es von Nie­der­al­t­eich nach Lal­ling, am zwei­ten Tag dann wei­ter nach Rinchnach. Am drit­ten Tag geht es über Zwie­sel wei­ter der tsche­chi­schen Gren­ze ent­ge­gen, die am vier­ten Tag über­schrit­ten wird. End­sta­ti­on ist in Dobrá Voda, dem Ster­be­ort des Hei­li­gen Gun­ther. Grö­mer ver­si­chert: Man muss kein Pro­fi-Pil­ger sein, um das zu schaffen!“ 

Vie­len Pil­gern, die zum ers­ten Mal auf dem Gun­t­her­steig unter­wegs sind, wird es wohl ähn­lich gehen: Die eige­ne Hei­mat, von der man denkt, sie gut zu ken­nen, offen­bart plötz­lich ganz neue Facet­ten, wenn man zu Fuß unter­wegs ist. Ent­lang des Weges tref­fen die Pil­ger immer wie­der auch auf beson­de­re Orte. Für mich ist einer davon der Gun­ther­fel­sen bei Lal­ling. Da gibt es einen klei­ner Abzweig vom Weg, der in ein paar Höhen­me­ter hin­auf zu dem Fel­sen im Wald führt, der zum Still wer­den und Schwei­gen ein­lädt“, so Grö­mer. Natür­lich sei auch das Ziel Dobrá Voda ein beson­de­rer Ort. Nach dem zwei­ten Welt­krieg wur­den dort die deutsch­spra­chi­gen Bewoh­ner ver­trie­ben, spä­ter war das Gebiet um Dobrá Voda als Grenz­zo­ne für Zivi­lis­ten gesperrt, die Kir­che wur­de im Inne­ren zer­stört. Wenn man nun hier­her­kommt und dem nach­spürt, was in der Ver­gan­gen­heit alles pas­siert ist, zugleich aber sieht, dass die Kir­che wun­der­schön reno­viert wur­de und wie­der Got­tes­diens­te gefei­ert wer­den, ist das sehr berüh­rend“, so Grömer. 

Am Gun­t­her­steig fas­zi­niert sie auch der grenz­über­grei­fen­de Gedan­ke, mit dem man auto­ma­tisch ver­bun­den ist, wenn man den Weg geht. Der Gun­t­her­steig passt sehr gut zur euro­päi­schen Idee. Der Hei­li­ge Gun­ther war ja nicht nur ein Mönch, son­dern zuvor Reichs­graf und damit poli­tisch gut ver­netzt. Auch spä­ter als Ein­sied­ler hat er wie­der die Rol­le des poli­ti­schen Ver­mitt­lers über­nom­men, damit wich­ti­ge Macht­ha­ber ins Gespräch kom­men. Er war also ein Brü­cken­bau­er‘. In die­sem Bereich brau­chen wir sowie­so Vor­bil­der, die uns dar­an erin­nern, nicht dar­über nach­zu­den­ken, was uns trennt, son­dern was uns zusam­men­führt“, so Grömer. 

Was dem Gun­t­her­steig der­zeit noch feh­le, sei die Infra­struk­tur eines Pil­ger­we­ges. Die ist noch aus­bau­fä­hig. Zum Bei­spiel braucht es schlich­te Über­nach­tungs­mög­lich­kei­ten.“ Als pil­gern­der Mensch brau­che man kein 3‑S­ter­ne-Hotel. Man sucht ja auch die Ein­fach­heit. Zum ande­ren wür­de es mit der Zeit recht teu­er wer­den. Bis­lang gibt es ent­lang des Gun­t­her­steigs eini­ge Gast­häu­ser und Hotels, aber lei­der weni­ge Mög­lich­kei­ten, auch dazwi­schen eine Ein­kehr zu machen.“ Dar­an und an wei­te­ren Ver­bes­se­run­gen wer­de aller­dings schon gear­bei­tet. Erst kürz­lich fand in Baye­risch Eisen­stein ein Sym­po­si­on mit Teil­neh­mern aus Bay­ern und Tsche­chi­en statt, denn das Poten­ti­al des Gun­t­her­steigs wur­de mitt­ler­wei­le auch von Tou­ris­ti­kern erkannt. Der Gun­t­her­steig soll offi­zi­ell von einem Wan­der- zu einem Pil­ger­weg wer­den. Unter ande­rem wur­de beim Sym­po­si­on, bei dem auch Hel­ga Grö­mer einen Vor­trag gehal­ten hat­te, gemein­sam über­legt, was der Gun­t­her­steig – neben einer bes­se­ren Infra­struk­tur – braucht, um ein Pil­ger­weg zu sein. Im Gespräch sei laut Grö­mer bei­spiels­wei­se, in den Kir­chen Gebets­kärt­chen aus­zu­le­gen, um den Pil­gern immer wie­der geist­li­che Impul­se an die Hand geben zu kön­nen. Doch Grö­mer ist schon jetzt davon über­zeugt, dass Men­schen, die sich auf den Gun­t­her­steig bege­ben, tie­fe Glau­bens­er­fah­run­gen machen kön­nen. Pil­gern habe schließ­lich auch viel mit der inne­ren Hal­tung zu tun. Gera­de auch für Anfän­ger“ sei der Gun­t­her­steig eine gute Mög­lich­keit, sich dem Pil­gern anzu­nä­hern. Dank ihrer lang­jäh­ri­gen Erfah­rung als Pil­ger­weg­be­glei­te­rin weiß Hel­ga Grö­mer, war­um das Pil­gern in den ver­gan­ge­nen Jah­ren wie­der eine Renais­sance erlebt. Der moder­ne“ Mensch habe stän­dig das Gefühl, noch etwas erle­di­gen zu müs­sen und sei stän­dig unter Druck, mit­hal­ten zu müs­sen. Vie­le stel­len sich auch zuneh­mend die Fra­ge: Ist es das jetzt?‘ Es gibt eine Sehn­sucht, danach zu fra­gen, was der Sinn des Lebens ist“, betont Grö­mer und ver­weist auf den Hei­li­gen Augus­ti­nus, der schon im 5. Jahr­hun­dert sag­te: Im Men­schen lebt die Sehn­sucht, die ihn hin­aus­treibt aus dem Einer­lei des All­tags und der Enge sei­ner gewohn­ten Umge­bung.“ Beim Pil­gern kann es gelin­gen, nicht nur neue Wege zu beschrei­ten, son­dern auch den Weg zu sich selbst und zu Gott neu zu fin­den. Im Gehen, vor allem auch in der Grup­pe, wenn man die Gemein­schafts­er­fah­rung erlebt, die ja auch urchrist­lich ist, fin­det man Ant­wor­ten“, so Grömer.

Text: Mareen Mai­er
Fotos: Hel­ga Grömer

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