Bistum

Ein Schatz im Herzen bleibt

Redaktion am 08.03.2022

2022 03 08 pb alb baerbel benkenstein matschiner3 Foto: Wolfgang Bayer
Bärbel Benkenstein-Matschiner.

Es ist noch eine ungewohnte Vorstellung, dass die Frau, die die letzten zwölf Jahre „das Gesicht“ des Frauenbundes im Bistum war, bei der nächsten Delegiertenversammlung am 26. März nicht mehr zur Wahl steht. Bärbel Benkenstein-Matschiner tritt ab von der Spitze des KDFB-Diözesanverbandes mit seinen 30 000 Mitgliedern in rund 230 Zweigvereinen.

2022 03 08 pb alb baerbel benkenstein matschiner2 Foto: privat
Zwei Seiten einer Medaille: Bärbel Benkenstein-Matschiner schätzt Power und Zusammenhalt des KDFB, wurde jedoch auch an ihre Grenzen geführt.

Von einem lachen­den und einem wei­nen­den Auge spricht man gern in so einem Fall. Bei Bär­bel Ben­ken­stein-Mats­chi­ner trifft die­ses Bild genau ihre Gefühls­la­ge: Ja, es ist schon komisch, wenn es immer öfter ein letz­tes Mal gibt. Das letz­te Mal Glück­wün­sche unter­schrei­ben, ein letz­tes Mal die Tages­ord­nung für die Vor­stands­sit­zung fest­le­gen, die letz­te Dele­gier­ten­ver­samm­lung vor­be­rei­ten, das letz­te Gruß­wort für die Mit­glie­der­zeit­schrift Enga­giert schrei­ben, die letz­te wöchent­li­che Büro­be­spre­chung mit den Mit­ar­bei­te­rin­nen in der Geschäfts­stel­le… Als ich gewählt wur­de, sag­te mir eine Frau, die auch lan­ge im Ehren­amt tätig war: Der Unter­schied zwi­schen Beruf und Ehren­amt liegt dar­in, dass es im Beruf Urlaub und Wochen­en­de gibt. Im Ehren­amt nicht. Oft muss­te ich dar­an den­ken. Es gab fast kei­nen Tag, an dem mich das Ehren­amt nicht beschäf­tig­te und plötz­lich soll das alles weg sein – die Ver­ant­wor­tung, aber auch das Berei­chern­de, die Begeg­nun­gen und das inten­si­ve Aus­ein­an­der­set­zen mit Glau­bens- und Kirchenthemen.“

Zum Frau­en­bund gesto­ßen ist sie 1997 in ihrer Hei­mat­pfar­rei St. Josef Pas­sau-Auer­bach. Schnell war sie in der Vor­stand­schaft des Zweig­ver­eins Schatz­meis­te­rin. Als sie von ihrer Vor­gän­ge­rin im Amt der Diö­ze­san­vor­sit­zen­den Bur­gi Wie­land gefragt wur­de, ob sie sich eine Mit­glied­schaft in der Diö­ze­san­vor­stand­schaft vor­stel­len kön­ne, habe sie gleich Ja gesagt, blickt Bär­bel Ben­ken­stein-Mats­chi­ner zurück – in der Vor­stel­lung, dass sich dies auf ein paar Vor­stands­sit­zun­gen beschränkt. 2007 wur­de sie zur stell­ver­tre­ten­den Vor­sit­zen­den gewählt und 2010 zur Diö­ze­san­vor­sit­zen­den. Die gelern­te Jour­na­lis­tin und Rei­se­ver­kehrs­kauf­frau im Rück­blick: Schnell habe ich gemerkt, dass die­ses Ehren­amt ein Full­time­job ist. Ohne das Ver­ständ­nis mei­ner Fami­lie wäre es unmög­lich gewe­sen, das Amt so aus­zu­fül­len, wie ich es für rich­tig gehal­ten habe.“

„Du kannst nie tiefer fallen als in Gottes Hand.“

Und für rich­tig hielt sie natür­lich, in ver­ant­wort­li­cher Stel­le mög­lichst viel Posi­ti­ves für Frau­en zu bewir­ken, so die Pas­saue­rin: Eine allein kann nur wenig bewe­gen. Es braucht die Stär­ke eines Ver­ban­des und enga­gier­ter Mit­glie­der, die eine Idee oder For­de­rung zum Ziel füh­ren. Gemein­sam haben wir viel geschafft: Müt­ter­ren­te, Ein­satz gegen Gewalt an Frau­en, bes­se­re Bedin­gun­gen in der Pfle­ge, eine gerech­te Bezah­lung bis hin zum Schutz des Lebens und unse­rer Schöp­fung.“ Für immer im Gedächt­nis behal­ten wird sie die Hoch­was­ser­ka­ta­stro­phen 2013 und 2016, ist sie sich sicher: Ich habe alle Zweig­ver­ei­ne im Bis­tum Pas­sau und alle KDFB-Diö­ze­san­vor­sit­zen­den im Bun­des­ge­biet ange­schrie­ben und um Spen­den gebe­ten. Es klapp­te. In kür­zes­ter Zeit wur­den 2013 auf das Kon­to des KDFB Frau­en in Not – Hoch­was­ser­hil­fe“ 228 000 Euro und drei Jah­re spä­ter noch­mals 58 000 Euro ein­be­zahlt. Betrof­fe­ne Frau­en aus der Regi­on konn­ten nun Anträ­ge stel­len und erhiel­ten Sofort­hil­fen.“ Gemein­sam mit Vor­stands­kol­le­gin­nen habe sie damals auch die Ver­tei­lung von 4500 Klei­dungs­stü­cken einer Mün­che­ner Beklei­dungs­fir­ma in der Land­volks­hoch­schu­le Nie­der­al­t­eich orga­ni­siert: Es waren berüh­ren­de Sze­nen. Vie­le Frau­en sind in Trä­nen aus­ge­bro­chen, als sie sich nach Tagen im Dreck und Schlamm mit etwas so schein­bar Bana­lem wie Klei­dung beschäf­ti­gen konn­ten. Für vie­le Frau­en war es wich­tig, dass jemand da war, mit dem sie spre­chen und ihr Herz aus­schüt­ten konn­ten.“ Auch wenn es trau­ri­ge Ereig­nis­se waren, sei­en die Power, der Zusam­men­halt, die Hilfs­be­reit­schaft über die Diö­ze­san­gren­zen hin­aus gigan­tisch gewesen.

2022 03 08 pb alb baerbel benkenstein matschiner1 Foto: privat
Die Solibrot-Aktion liegt Bärbel Benkenstein-Matschiner sehr am Herzen: Wer hierzulande in der Fastenzeit etwas mehr zahlt für sein Brot, schafft dadurch Zukunfts-Perspektiven für Straßenmädchen in Nairobi. Außerdem wird mit dem Geld aus der Aktion ein Projekt gegen weibliche Genitalverstümmelung in Tansania, Äthiopien und Mali unterstützt.

Als Erfolg sieht Bär­bel Ben­ken­stein-Mats­chi­ner auch die Tat­sa­che, dass wir seit zehn Jah­ren auf Diö­ze­sa­ne­be­ne eine Geist­li­che Beglei­te­rin haben“. Das sei damals bei der Bis­tums­lei­tung gar nicht so ein­fach durch­zu­set­zen gewesen. 

Und so kann sie im Lau­fe der Jah­re neben einer Viel­falt von gro­ßen und klei­nen Erfol­gen auch auf vie­le schö­nen Erin­ne­run­gen zurück­bli­cken: Es sind die vie­len per­sön­li­chen Begeg­nun­gen mit Men­schen, mit enga­gier­ten Chris­tin­nen und Chris­ten, denen Kir­che und Glau­be am Her­zen lie­gen. Berei­chert, berührt und gestärkt haben mich immer die spi­ri­tu­el­len Ein­stim­mun­gen bei unse­ren Vor­stands­sit­zun­gen auf Diözesan‑, Lan­des- und Bun­des­ebe­ne. Die Zusam­men­ar­beit mit mei­nen Vor­stands­kol­le­gin­nen – vie­le sind mir Freun­din­nen gewor­den — und mit den Mit­ar­bei­te­rin­nen der Geschäfts­stel­le war immer ver­trau­ens­voll. Wir waren immer ehr­lich zuein­an­der, haben die schö­nen und weni­ger schö­nen Momen­te geteilt. Wir konn­ten uns immer auf­ein­an­der ver­las­sen, haben uns gegen­sei­tig gestützt, unter­stützt und auf­ge­baut.“ Zudem habe sie auch vie­le Facet­ten des Glau­bens ken­nen­ge­lernt und wie unter­schied­lich des­sen Aus­druck ist: Auf mei­nen bei­den Rei­sen im Rah­men des Vor­stands­am­tes nach Bra­si­li­en und Sene­gal habe ich Welt­kir­che und inter­re­li­giö­sen Dia­log erlebt. Nie wäre ich mit einem Kar­di­nal durch Sao Pau­lo gefah­ren oder bei einem Kali­fen oder Bot­schaf­ter zu Gast gewe­sen und hät­te auch nie Koran­schu­le besucht.“ 

Stets prä­sent war in den ver­gan­ge­nen Jah­ren auch das stän­di­ge Enga­ge­ment des Diö­ze­sanf­rau­en­bun­des für das Frau­en­haus Pas­sau und die Zusam­men­ar­beit mit der Vor­sit­zen­den Hil­de­gard Stol­per. Damit stan­den neben den Bedürf­nis­sen der Frau­en in rela­tiv nor­ma­len“ Lebens­um­stän­den auch sol­che in Aus­nah­me­si­tua­tio­nen nach Gewalt­er­fah­run­gen im Fokus. Das habe natür­lich auch Spu­ren hin­ter­las­sen, meint Bär­bel Ben­ken­stein-Mats­chi­ner: Über den diö­ze­sa­nen KDFB Fonds Frau­en in Not, über Hil­de­gard Stol­per und das Frau­en­haus, aber auch über SOL­WO­DI und unser Frau­en­pro­jekt pin­gi pon­gi in der bra­si­lia­ni­schen Part­ner­diö­ze­se Ala­goin­has hat­ten ich und mei­ne Vor­stands­kol­le­gin­nen immer Kon­takt zu Lebens­ge­schich­ten von Frau­en und deren Kin­dern, die es schwer haben im Leben. Es ist unglaub­lich, was Frau­en an kör­per­li­chen und see­li­schen Demü­ti­gun­gen erfah­ren. Meist hal­ten sie solan­ge aus, bis sich der Part­ner an den Kin­dern ver­greift.“ Die KDFB-Frau­en in den Zweig­ver­ei­nen wür­den sich da sehr soli­da­risch und empa­thisch zei­gen. Und so kön­ne durch ihre Spen­den vie­len Frau­en der Start in ein neu­es Leben ermög­licht wer­den. Die lang­jäh­ri­ge Vor­sit­zen­de: Vor Jah­ren kam ein Geschwis­ter­paar in unse­re KDFB-Geschäfts­stel­le. Sie baten um Hil­fe, um ihre jün­ge­re Schwes­ter zu ver­ste­cken. Die Eltern plan­ten einen Ehren­mord. Sie hat­te ihren Mann ver­las­sen, nach­dem die­ser sie ver­ge­wal­tigt und die Kin­der geschla­gen hat­te. Aber auch eine jun­ge Mut­ter mit Klein­kin­dern – eines davon schwer behin­dert – deren Ehe­mann plötz­lich gestor­ben ist, hat lan­ge mei­ne Gedan­ken begleitet.“

2022 03 08 pb alb baerbel benkenstein matschiner4 Foto: Wolfgang Bayer
Bärbel Benkenstein-Matschiner (3.v.r.) mit Mitstreiterinnen des Katholischen Frauenbundes und Bischof Stefan Oster.

Und es gab noch vie­le ande­re Din­ge, die ihr an die Nie­ren gin­gen: Es gab schon Zei­ten, in denen ich gedacht habe: Ich kann jetzt nicht mehr, ich habe kei­ne Kraft mehr, mir wird alles zu viel. Ein Glau­bens­satz hat mich immer wie­der auf­ge­rich­tet: Du kannst nie tie­fer fal­len als in Got­tes Hand. Gott hat mir die Kraft geschenkt und mei­ne Fami­lie hat mich dabei beglei­tet und unter­stützt. Aber sehr kon­kret hat mich ein Beschluss der Vor­stand­schaft, das Bie­nen­volks­be­geh­ren zu unter­stüt­zen an mei­ne Gren­zen geführt. Die Reak­tio­nen dar­auf haben uns alle über­rascht. Sie waren sehr per­sön­lich, angrei­fend, ver­let­zend, aufgeheizt…manche Brie­fe wur­den mir gar nicht mehr wei­ter­ge­lei­tet.“ Auch die letz­ten bei­den Jah­re im Coro­na-Modus sei­en über­aus arbeits­reich gewe­sen. Man habe nach Wegen gesucht, um trotz allem spi­ri­tu­el­le Ange­bo­te auf die Bei­ne zu stel­len, sei schnell in die digi­ta­le Bil­dungs­ar­beit ein­ge­stie­gen. Trotz­dem habe man, was mög­lich war auch in Prä­senz ange­bo­ten und muss­te dann wegen der sich immer kurz­fris­tig ändern­den Vor­schrif­ten Ver­an­stal­tun­gen oft mehr­mals umpla­nen. Sehr nahe gegan­gen sei­en ihr auch die Auf­lö­sun­gen oder Kün­di­gun­gen von gan­zen Ver­ei­nen aus ver­schie­dens­ten Gründen.

Trotz sol­cher Erfah­run­gen über­wiegt bei Bär­bel Ben­ken­stein-Mats­chi­ner das lachen­de Auge“ im Rück­blick auf ihre Zeit als Diö­ze­san­vor­sit­zen­de beim Frau­en­bund: Es gibt so vie­le schö­ne Erin­ne­run­gen wie die Stern­wall­fahr­ten zum 100-jäh­ri­gen Jubi­lä­um des Diö­ze­san­ver­ban­des, die Wall­fahr­ten nach Alt­öt­ting, die fei­er­li­chen Zweig­ver­eins­ju­bi­lä­en, die Welt­ge­bets­ta­ge, Ascher­mitt­wo­che der Frau­en, die Frau­en­got­tes­diens­te, unse­re Vor­stands­klau­su­ren. Ich darf einen wun­der­ba­ren Schatz in mei­nem Her­zen tragen!“

Und so blickt sie haupt­säch­lich mit posi­ti­ven Gefüh­len auf die­se Zeit zurück, wenn sie nun zu neu­en Ufern auf­bricht: Einen Neu­start hat­te ich schon mit Beginn des neu­en Jah­res. Ich habe einen neu­en Job begon­nen. Für die Baye­ri­sche Lan­des­gar­ten­schau in Frey­ung 2023 mache ich seit Janu­ar Pres­se- und Öffent­lich­keits­ar­beit. Das for­dert mich jetzt natür­lich und macht mir das Abschied­neh­men als Diö­ze­san­vor­sit­zen­de leich­ter. Außer­dem war­tet ab Mai eine wei­te­re neue Auf­ga­be auch mich. Von der Arbeits­ge­mein­schaft Katho­li­scher Frau­en Bay­erns wer­de ich in den Rund­funk­rat des Baye­ri­schen Rund­funks ent­sandt. Dar­auf freue ich mich!“

Dem KDFB wird die Mut­ter von zwei Kin­dern selbst­ver­ständ­lich die Treue hal­ten: Nach wie vor bin ich stell­ver­tre­ten­de Vor­sit­zen­de der För­de­rer des Fami­li­en­pfle­ge­werks im KDFB. Ger­ne wer­de ich auch unser neu­es Part­ner­schafts­pro­jekt Clai­re Ami­tié im Sene­gal unse­ren Zweig­ver­ei­nen vor­stel­len, wenn das wie­der mög­lich ist. Ich durf­te das Aus­bil­dungs­zen­trum, das jun­gen Frau­en und Mäd­chen eine drei­jäh­ri­ge schu­li­sche und beruf­li­che Aus­bil­dung ermög­licht, vor zwei Jah­ren per­sön­lich auf einer Infor­ma­ti­ons­rei­se mit mis­sio ken­nen­ler­nen. Und natür­lich wer­de ich mei­ner Nach­fol­ge­rin zur Sei­te ste­hen, wenn sie mich braucht.“

Uschi Friedenberger

Ursula Friedenberger

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