Es ist noch eine ungewohnte Vorstellung, dass die Frau, die die letzten zwölf Jahre „das Gesicht“ des Frauenbundes im Bistum war, bei der nächsten Delegiertenversammlung am 26. März nicht mehr zur Wahl steht. Bärbel Benkenstein-Matschiner tritt ab von der Spitze des KDFB-Diözesanverbandes mit seinen 30 000 Mitgliedern in rund 230 Zweigvereinen.
Von einem lachenden und einem weinenden Auge spricht man gern in so einem Fall. Bei Bärbel Benkenstein-Matschiner trifft dieses Bild genau ihre Gefühlslage: „Ja, es ist schon komisch, wenn es immer öfter ein letztes Mal gibt. Das letzte Mal Glückwünsche unterschreiben, ein letztes Mal die Tagesordnung für die Vorstandssitzung festlegen, die letzte Delegiertenversammlung vorbereiten, das letzte Grußwort für die Mitgliederzeitschrift Engagiert schreiben, die letzte wöchentliche Bürobesprechung mit den Mitarbeiterinnen in der Geschäftsstelle… Als ich gewählt wurde, sagte mir eine Frau, die auch lange im Ehrenamt tätig war: Der Unterschied zwischen Beruf und Ehrenamt liegt darin, dass es im Beruf Urlaub und Wochenende gibt. Im Ehrenamt nicht. Oft musste ich daran denken. Es gab fast keinen Tag, an dem mich das Ehrenamt nicht beschäftigte und plötzlich soll das alles weg sein – die Verantwortung, aber auch das Bereichernde, die Begegnungen und das intensive Auseinandersetzen mit Glaubens- und Kirchenthemen.“
Zum Frauenbund gestoßen ist sie 1997 in ihrer Heimatpfarrei St. Josef Passau-Auerbach. Schnell war sie in der Vorstandschaft des Zweigvereins Schatzmeisterin. Als sie von ihrer Vorgängerin im Amt der Diözesanvorsitzenden Burgi Wieland gefragt wurde, ob sie sich eine Mitgliedschaft in der Diözesanvorstandschaft vorstellen könne, habe sie gleich Ja gesagt, blickt Bärbel Benkenstein-Matschiner zurück – in der Vorstellung, dass sich dies auf ein paar Vorstandssitzungen beschränkt. 2007 wurde sie zur stellvertretenden Vorsitzenden gewählt und 2010 zur Diözesanvorsitzenden. Die gelernte Journalistin und Reiseverkehrskauffrau im Rückblick: „Schnell habe ich gemerkt, dass dieses Ehrenamt ein Fulltimejob ist. Ohne das Verständnis meiner Familie wäre es unmöglich gewesen, das Amt so auszufüllen, wie ich es für richtig gehalten habe.“
„Du kannst nie tiefer fallen als in Gottes Hand.“
Und für richtig hielt sie natürlich, in verantwortlicher Stelle möglichst viel Positives für Frauen zu bewirken, so die Passauerin: „Eine allein kann nur wenig bewegen. Es braucht die Stärke eines Verbandes und engagierter Mitglieder, die eine Idee oder Forderung zum Ziel führen. Gemeinsam haben wir viel geschafft: Mütterrente, Einsatz gegen Gewalt an Frauen, bessere Bedingungen in der Pflege, eine gerechte Bezahlung bis hin zum Schutz des Lebens und unserer Schöpfung.“ Für immer im Gedächtnis behalten wird sie die Hochwasserkatastrophen 2013 und 2016, ist sie sich sicher: „Ich habe alle Zweigvereine im Bistum Passau und alle KDFB-Diözesanvorsitzenden im Bundesgebiet angeschrieben und um Spenden gebeten. Es klappte. In kürzester Zeit wurden 2013 auf das Konto des KDFB „Frauen in Not – Hochwasserhilfe“ 228 000 Euro und drei Jahre später nochmals 58 000 Euro einbezahlt. Betroffene Frauen aus der Region konnten nun Anträge stellen und erhielten Soforthilfen.“ Gemeinsam mit Vorstandskolleginnen habe sie damals auch die Verteilung von 4500 Kleidungsstücken einer Münchener Bekleidungsfirma in der Landvolkshochschule Niederalteich organisiert: „Es waren berührende Szenen. Viele Frauen sind in Tränen ausgebrochen, als sie sich nach Tagen im Dreck und Schlamm mit etwas so scheinbar Banalem wie Kleidung beschäftigen konnten. Für viele Frauen war es wichtig, dass jemand da war, mit dem sie sprechen und ihr Herz ausschütten konnten.“ Auch wenn es traurige Ereignisse waren, seien die Power, der Zusammenhalt, die Hilfsbereitschaft über die Diözesangrenzen hinaus gigantisch gewesen.
Als Erfolg sieht Bärbel Benkenstein-Matschiner auch die Tatsache, „dass wir seit zehn Jahren auf Diözesanebene eine Geistliche Begleiterin haben“. Das sei damals bei der Bistumsleitung gar nicht so einfach durchzusetzen gewesen.
Und so kann sie im Laufe der Jahre neben einer Vielfalt von großen und kleinen Erfolgen auch auf viele schönen Erinnerungen zurückblicken: „Es sind die vielen persönlichen Begegnungen mit Menschen, mit engagierten Christinnen und Christen, denen Kirche und Glaube am Herzen liegen. Bereichert, berührt und gestärkt haben mich immer die spirituellen Einstimmungen bei unseren Vorstandssitzungen auf Diözesan‑, Landes- und Bundesebene. Die Zusammenarbeit mit meinen Vorstandskolleginnen – viele sind mir Freundinnen geworden — und mit den Mitarbeiterinnen der Geschäftsstelle war immer vertrauensvoll. Wir waren immer ehrlich zueinander, haben die schönen und weniger schönen Momente geteilt. Wir konnten uns immer aufeinander verlassen, haben uns gegenseitig gestützt, unterstützt und aufgebaut.“ Zudem habe sie auch viele Facetten des Glaubens kennengelernt und wie unterschiedlich dessen Ausdruck ist: „Auf meinen beiden Reisen im Rahmen des Vorstandsamtes nach Brasilien und Senegal habe ich Weltkirche und interreligiösen Dialog erlebt. Nie wäre ich mit einem Kardinal durch Sao Paulo gefahren oder bei einem Kalifen oder Botschafter zu Gast gewesen und hätte auch nie Koranschule besucht.“
Stets präsent war in den vergangenen Jahren auch das ständige Engagement des Diözesanfrauenbundes für das Frauenhaus Passau und die Zusammenarbeit mit der Vorsitzenden Hildegard Stolper. Damit standen neben den Bedürfnissen der Frauen in relativ „normalen“ Lebensumständen auch solche in Ausnahmesituationen nach Gewalterfahrungen im Fokus. Das habe natürlich auch Spuren hinterlassen, meint Bärbel Benkenstein-Matschiner: „Über den diözesanen KDFB Fonds Frauen in Not, über Hildegard Stolper und das Frauenhaus, aber auch über SOLWODI und unser Frauenprojekt pingi pongi in der brasilianischen Partnerdiözese Alagoinhas hatten ich und meine Vorstandskolleginnen immer Kontakt zu Lebensgeschichten von Frauen und deren Kindern, die es schwer haben im Leben. Es ist unglaublich, was Frauen an körperlichen und seelischen Demütigungen erfahren. Meist halten sie solange aus, bis sich der Partner an den Kindern vergreift.“ Die KDFB-Frauen in den Zweigvereinen würden sich da sehr solidarisch und empathisch zeigen. Und so könne durch ihre Spenden vielen Frauen der Start in ein neues Leben ermöglicht werden. Die langjährige Vorsitzende: „Vor Jahren kam ein Geschwisterpaar in unsere KDFB-Geschäftsstelle. Sie baten um Hilfe, um ihre jüngere Schwester zu verstecken. Die Eltern planten einen Ehrenmord. Sie hatte ihren Mann verlassen, nachdem dieser sie vergewaltigt und die Kinder geschlagen hatte. Aber auch eine junge Mutter mit Kleinkindern – eines davon schwer behindert – deren Ehemann plötzlich gestorben ist, hat lange meine Gedanken begleitet.“
Und es gab noch viele andere Dinge, die ihr an die Nieren gingen: „Es gab schon Zeiten, in denen ich gedacht habe: Ich kann jetzt nicht mehr, ich habe keine Kraft mehr, mir wird alles zu viel. Ein Glaubenssatz hat mich immer wieder aufgerichtet: Du kannst nie tiefer fallen als in Gottes Hand. Gott hat mir die Kraft geschenkt und meine Familie hat mich dabei begleitet und unterstützt. Aber sehr konkret hat mich ein Beschluss der Vorstandschaft, das Bienenvolksbegehren zu unterstützen an meine Grenzen geführt. Die Reaktionen darauf haben uns alle überrascht. Sie waren sehr persönlich, angreifend, verletzend, aufgeheizt…manche Briefe wurden mir gar nicht mehr weitergeleitet.“ Auch die letzten beiden Jahre im Corona-Modus seien überaus arbeitsreich gewesen. Man habe nach Wegen gesucht, um trotz allem spirituelle Angebote auf die Beine zu stellen, sei schnell in die digitale Bildungsarbeit eingestiegen. Trotzdem habe man, was möglich war auch in Präsenz angeboten und musste dann wegen der sich immer kurzfristig ändernden Vorschriften Veranstaltungen oft mehrmals umplanen. Sehr nahe gegangen seien ihr auch die Auflösungen oder Kündigungen von ganzen Vereinen aus verschiedensten Gründen.
Trotz solcher Erfahrungen überwiegt bei Bärbel Benkenstein-Matschiner das „lachende Auge“ im Rückblick auf ihre Zeit als Diözesanvorsitzende beim Frauenbund: „Es gibt so viele schöne Erinnerungen wie die Sternwallfahrten zum 100-jährigen Jubiläum des Diözesanverbandes, die Wallfahrten nach Altötting, die feierlichen Zweigvereinsjubiläen, die Weltgebetstage, Aschermittwoche der Frauen, die Frauengottesdienste, unsere Vorstandsklausuren. Ich darf einen wunderbaren Schatz in meinem Herzen tragen!“
Und so blickt sie hauptsächlich mit positiven Gefühlen auf diese Zeit zurück, wenn sie nun zu neuen Ufern aufbricht: „Einen Neustart hatte ich schon mit Beginn des neuen Jahres. Ich habe einen neuen Job begonnen. Für die Bayerische Landesgartenschau in Freyung 2023 mache ich seit Januar Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Das fordert mich jetzt natürlich und macht mir das Abschiednehmen als Diözesanvorsitzende leichter. Außerdem wartet ab Mai eine weitere neue Aufgabe auch mich. Von der Arbeitsgemeinschaft Katholischer Frauen Bayerns werde ich in den Rundfunkrat des Bayerischen Rundfunks entsandt. Darauf freue ich mich!“
Dem KDFB wird die Mutter von zwei Kindern selbstverständlich die Treue halten: „Nach wie vor bin ich stellvertretende Vorsitzende der Förderer des Familienpflegewerks im KDFB. Gerne werde ich auch unser neues Partnerschaftsprojekt Claire Amitié im Senegal unseren Zweigvereinen vorstellen, wenn das wieder möglich ist. Ich durfte das Ausbildungszentrum, das jungen Frauen und Mädchen eine dreijährige schulische und berufliche Ausbildung ermöglicht, vor zwei Jahren persönlich auf einer Informationsreise mit missio kennenlernen. Und natürlich werde ich meiner Nachfolgerin zur Seite stehen, wenn sie mich braucht.“