Eine Votivtafel stiften, „wenn er wieda wiad“: Dass Jürgen Wiedl und seine Kollegen vom Bauhof dieses vor einem Jahr gegebene Versprechen würden einlösen dürfen, das war damals nicht mehr als eine vage Hoffnung. Denn nach einem schweren Arbeitsunfall beim Baumfällen nahe der Herrenmühle war Marc Lindner dem Tod näher als dem Leben. Von einem mächtigen Ahorn eingeklemmt, der sich trotz aller Sicherungsmaßnahmen gedreht hatte und seitlich ausgerissen war, wurde der Stadtgärtner befreit und ins Krankenhaus geflogen – und das mit so schweren Verletzungen, dass es kaum jemand für möglich hielt, er könnte mit dem Leben davonkommen.
„Schritt für Schritt zurückgekämpft“
Doch genau das hat Lindner, den seine Kollegen als „großen Kämpfer“ bezeichnen, geschafft. Schritt für Schritt kämpfte er sich zurück, seine Genesung machte entgegen aller ärztlichen Prognosen immense Fortschritte, was Bürgermeister Stephan Antwerpen in seiner Rede zum Jahresabschluss davon sprechen ließ, diese Entwicklung lasse einen „fast an ein Wunder glauben“. Im April konnte Marc Lindner die Klinik verlassen, seit Juli ist er im Rahmen der sogenannten Belastungserprobung zumindest stundenweise wieder im Einsatz. Am Dienstag, 15. Februar nun löste die Mannschaft des Bauhofes ihr Versprechen ein. Fast auf die Minute genau ein Jahr nach dem schrecklichen Unfall, brachte sie im Beisein von Administrator Dr. Klaus Metzl die Votivtafel, die sie vom Marktler Kirchenmaler Helmut Stöhr hatte anfertigen lassen, im Umgang der Gnadenkapelle an.
Es war ein wunderschöner, aber bitterkalter Morgen mit zweistelligen Minusgraden, als der Unfall am 15. Februar 2021 um 8.07 Uhr in der Nähe des Triebwerkskanals passierte. Gut 20 Meter hoch und 80 Zentimeter im Durchmesser – diese Maße hatte der Ahorn, der gefällt werden musste. Acht bis neun Tonnen Gewicht nahmen urplötzlich die falsche Richtung und begruben Lindner unter sich. Auch wenn die Kollegen vor Ort, neben Jürgen Wiedl noch Dominik Gumpinger, Hermann Schreibauer und Peter Wagner, alles Menschenmögliche unternahmen, sofort den Notruf absetzten, dem Verunglückten beistanden, die Unfallstelle ausschnitten und so den Rettungskräften den Weg frei machten: Sie hatten Zweifel, dass Lindner überleben würde. Weil höchste Eile geboten war, wurde umgehend auch der Rettungshubschrauber verständigt – und der nahm nicht den Weg in die Spezialklinik nach Murnau, wohin Lindner erst später verlegt wurde, sondern nach Traunstein. Auch der deutlich kürzere Weg wäre beinahe zu lang gewesen. Auf dem Weg in den Operationssaal musste der Stadtgärtner wiederbelebt werden.
Die Liste der Verletzungen, die sich der damals 31-Jährige zugezogen hatte, war lang: Schädelbasisbruch, dreifacher Wirbelbruch, mehrfacher Beckenbruch, neunfacher Rippenbruch und Schlüsselbeinbruch sowie Milzriss, Nierenquetschung und abgerissene Nervenstränge in der linken Schulter. Auch wenn das den Kollegen zunächst nicht im Detail klar war – dass es schlecht um Marc Lindner stand, das wussten sie. Und dass er jede Fürsprache brauchen konnte, das auch.
Das Quartett, das mit dem Burgkirchner am Einsatzort gewesen war, suchte immer wieder die Gnadenkapelle auf, betete dort, zündete Kerzen an – und gab das besagte Versprechen ab, eine Votivtafel zu stiften, sollten die Gebete erhört werden. Die gesamte übrige Mannschaft, bestehend aus 18 Mann, schloss sich Letzterem an, ebenso Bürgermeister Stephan Antwerpen und Richard Wiesinger vom Bauamt, dem der Bauhof untersteht.
Lindner machte unterdessen Fortschritte. Im April kam er von der Spezialklinik in Murnau nach Hause. Viele Verletzungen sind über die Monate auskuriert, der linke Arm aber will noch nicht so recht. Drei bis vier Stunden täglich trainiert der 32-Jährige, mental vor allem, um das Gespür für den Arm zu entwickeln. Auch wenn es noch dauern wird, bis die Nervenstränge in der Schulter wieder zusammengewachsen sind: Dass es bergauf geht, das spürt Lindner. Jeden Tag wird es ein kleines bisschen besser, versichert er.
Nun wurde die Votivtafel im Umgang auf der Ostseite der Gnadenkapelle angebracht. Das Team des Bauhofes war dabei, ebenso Richard Wiesinger vom Bauamt und Bürgermeister Stephan Antwerpen – und natürlich Administrator Klaus Metzl, der Hausherr der Gnadenkapelle. Und er ging mit den Männern in Orange ins Oktogon, betete mit ihnen vor der Schwarzen Madonna und erbat den Segen. Und mit Lindners Kollegen dankte er. Weil er wieder wordn is, der Stadtgärtner.
Text und Fotos: Stephan Hölzlwimmer