Bei Wappenträgern wird deutlich, was sie im Schilde führen. Papst Benedikt XVI. hatte sich einen Bären ausgesucht. Er meinte damit jenen Bären, der das Pferd des heiligen Korbinian zerfleischt haben soll, als dieser sich auf den Weg nach Rom machte. Zur Strafe packte ihm Korbinian, so die Legende, das Bündel auf den Rücken, das dieser in die Ewige Stadt schleppen musste.
Schon in seiner Münchner Zeit spielte Joseph Ratzinger damit auf die Last des bischöflichen Dienstes an. Er wählte das Leben eines Gelehrten und ist vom Schöpfer zum Zugtier bestimmt worden, das den Karren Gottes dieser Welt zieht. Und formulierte es so: „Wann ich entlassen werde, weiß ich nicht, aber ich weiß, dass auch mir gilt: Dein Packesel bin ich geworden, und so, gerade so bin ich bei dir.“
Nun, die Sache mit der Entlassung hat Benedikt XVI. selber in die Hand genommen. Er verzichtete auf Macht. Für ihn, der sich als „einfachen und bescheidenen Arbeiter im Weinberg des Herrn“ bezeichnete, war die Amtsniederlegung nicht Verlust, sondern Gewinn. Ungewöhnlich in einer Gesellschaft, die so oft und so hungrig nach Posten und Pöstchen giert.
Der Bayer auf dem Stuhl Petri nutzte die Sprache seiner Landsleute, um seine freiwillig gewählte Rolle als Papa emeritus einzuordnen: „Es ist wie bei einem alten Bauern. Wenn dieser nicht mehr kann, übergibt er dem Sohn, bleibt aber Bauer.“ Das Verhältnis von Saat und Ernte ist auf einem Bauernhof eine Gesetzmäßigkeit, die Gott in die Schöpfung gelegt hat. Auch ein Papst wird an diesen Begriffen gemessen.
Schätzungsweise 1,4 Milliarden Katholiken gibt es auf der Erde. Da greift die Weisheit des Volkes: Allen recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann! Das gilt auch für den Pontifex maximus, den obersten Brückenbauer. „Und vergib uns unsere Schuld“, heißt es im Vaterunser… Das Urteil über sein Pontifikat, so der seit 2013 emeritierte Papst, werde eines Tages Gott fällen.
Papstsein ist ein weites Feld. Bestellt hat Benedikt XVI. dies mit seinem großen Lebensthema – dass Glaube und Vernunft aufeinander angewiesen sind. Ohne Vernunft droht der Glaube fanatisch zu werden, und ohne Glauben schrumpft die Vernunft. Als Betender stand der Emeritus für die ständige Beziehung zu Jesus, ohne die Priester letztlich zu Gehaltsempfängern und Bischöfe zu Bürokraten würden.
Aus dem Buben, den man am Karsamstag 1927 in Marktl am Inn zum Taufbrunnen trug, ist einer der größten Denker unserer Zeit geworden – ein Gigant des Geistes. Bernhard Kirchgessner, Leiter von „Spectrum Kirche“, dem Exerzitien- und Bildungshaus des Bistums Passau, gab sich bereits zum 90. Geburtstag dieses Leuchtturms prophetisch und nannte ihn „bayerischer Kirchenvater“.
„Geht hinaus in die Welt, und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen.“ Dieser Aufforderung des Herrn verpflichtet, machte sich der Nachfolger des heiligen Petrus auf, um die „Worte des ewigen Lebens“ bis an die Enden der Erde zu tragen. Seine Botschaft war so einfach wie tief: Der Glaube ist nicht ein Problem, das man lösen müsste – er ist ein Geschenk, das es neu zu entdecken gilt. Benedikt konnte immer beides: den großen geistigen Bogen spannen, die großen Zusammenhänge erklären – und dabei zugleich das Einfache, das Tiefe und Schöne des Glaubens für jeden Menschen verständlich aufleuchten lassen.
Der „Packesel Gottes“ hatte in seinem Pontifikat viel zu schleppen. Nun legte er sein Leben zurück in die Hände des Schöpfers. Was bedeutet eigentlich das sprachliche Bild vom Packesel für uns? Bequem sind die Wege des Herrn oft nicht. Jeder Christ ist aufgerufen, sein Bündel zu tragen, sich auch als „Lasttier Gottes“ zu sehen.
Der Bär des heiligen Korbinian wurde in Rom wieder freigelassen. „In meinem Fall hat der Herr anders entschieden“, scherzte der geborene Marktler gerne. Mit Benedikts Lebenserfahrung im Gepäck, der sich durch die Geschichte des Bären ermutigt fühlte, können wir jeden Tag aufs Neue unser Ja zu Gott sagen.
Je mehr das Licht seiner Lebenskerze herunter brannte, desto mehr sprach Benedikt über die Ewigkeit: „Ich stelle mir vor, dass es im Paradies so sein wird, wie es in meiner Jugend war, meiner Kindheit. In diesem Sinne hoffe ich darauf, ‚nach Hause‘ gehen zu können, in Richtung der anderen Seite der Welt.“ Unsere Gebete begleiten ihn dorthin.