Zur Begründung schreibt der Diözesanrat: Über den Regenwäldern in Brasilien, Indonesien und Malaysia steigt dicker Qualm auf – und vertreibt Menschen und Tiere aus ihrer Heimat. Gigantische Wälder, die Orang-Utans, Faultieren und anderen bedrohten Arten einen Lebensraum bieten, werden für immer zerstört, um Palmölplantagen oder Sojaanbau-flächen anzulegen. Großkonzerne wie Nestlé, Unilever oder Procter & Gamble haben sich im Rahmen des Consumer Goods Forum (CGF) vor 10 Jahren dazu verpflichtet, bis 2020 nur noch nachhaltig angebautes Palmöl einzusetzen. Doch die Gier nach schnellem Profit war zu groß – und die Regenwälder brennen weiter.
Die weitere Verfügbarkeit der entsprechenden Produkte bei uns belegt, dass die Vernichtung von Lebensgrundlagen ungebremst weitergeführt wird. Um der Zerstörung nicht tatenlos zuzusehen, muss jetzt der Druck auf diese Konzerne erhöht werden, die unterzeichnete Verpflichtung einzuhalten und die genannten Produkte aus den Lieferketten zu verbannen. Sonst werden diese weiter schmutzige Profite machen, sich nicht um das gebrochene Nachhaltigkeitsversprechen scheren und ungebremst Regenwald zerstören. Wir als Konsumenten entscheiden über die Zukunft der Schöpfung, insbesondere der Regenwälder als Lebensraum für Pflanzen, Tiere und Menschen und damit auch über die Zukunft unseres Klimas.
Im Bistumsblatt-Interview beantworten der Diözesanratsvorsitzende Markus Biber und der Journalist Helmut Degenhart Fragen rund um den Aufruf.
Sie rufen die Menschen dazu auf, sich genau über die Produktionsbedingungen der für Kosmetika und Lebensmittel verwendeten Palmöl- und Sojaprodukte zu informieren. Gibt es Hilfen vom Diözesanrat, eine Art Kaufleitfaden?
Biber: Nein, denn es gibt bereits gute Informationen im Internet, zum Beispiel auf Fairer Handel oder Utopia Dort findet man auch weitere Spezifizierungen für verschiedene Produktarten wie Lebensmittel, Kleidung, Kosmetika, Ökostrom oder Produkte der Finanzwirtschaft. Der Aufruf an die Menschen beinhaltet daher ganz explizit die Bitte, sich vor dem Kauf über die Herkunft der Produkte zu informieren. Auch die „Leitlinien für Ökologie, Gemeinwohlökonomie und weltweite Entwicklungszusammenhänge im Bistum Passau“, vor allem das Kapitel „Nachhaltiges Wirtschaften und Einkaufen“, geben wertvolle Hinweise.
Welche Produkte und Lebensmittel enthalten besonders oft unfair produzierte Palmöle und Sojaprodukte?
Degenhart: Etwa jedes zweite Supermarktprodukt enthält Palmöl. Es findet sich in Nutella & Co., Tütensuppen, Cremes, Waschmitteln, Lippenstift und Keksen – und natürlich im Biosprit. Beim Griff ins Supermarktregal und beim Tanken entscheiden wir auch über das Schicksal bedrohter Arten wie Orang-Utan oder Tiger – und des Regenwaldes. Mittlerweile erstreckt sich der Anbau weltweit auf eine Fläche von etwa 19 Millionen Hektar – rund um den Äquator in artenreichen Regionen, wie Indonesien und Malaysia. Für neue Plantagen werden weiterhin zahlreiche Hektar Regenwald gerodet. Mit der global steigenden Nachfrage wachsen auch die ökologischen und sozialen Probleme.
Sie schreiben in der Begründung zum Aufruf, dass Nestlé und Co. Nachhaltigkeitsziele, zu denen man sich verpflichtet hat, nicht eingehalten haben. Welche Ziele sind das? Können Sie vielleicht einige aussagekräftige Zahlen nennen?
Degenhart: Nestlé, Mars und Hershey versprechen schon seit Jahren, ihre Zulieferketten zu analysieren und bis zur Palmöl-Plantage zurückzuverfolgen – allerdings haben sie ihre Versprechen nicht gehalten. Das „Aktionsnetzwerk Regenwald“ spricht sogar von bewusster Täuschung der Konsumenten. Schon vor mehreren Jahren haben große Unternehmen wie Nestlé sich zum Ziel gesetzt, kein Palmöl mehr von Plantagen zu verwenden, für die Regenwald zerstört wird. Dem britischen Guardian zufolge beziehen aber alle, Nestlé, Mars und Hershey, weiterhin Palmöl, das im Leuser-Gebiet in Indonesien angebaut wird. In dem Gebiet leben unter anderem Tiger, Orang-Utans, Elefanten und Nashörner – die illegalen Palmöl-Plantagen zerstören ihren Lebensraum. Das heißt, wir brauchen dringend das derzeit heiß diskutierte Lieferkettengesetz.
Wenn Unternehmen bestimmte Standards nicht einhalten, rufen Sie als letztes Mittel auch zum Boykott der entsprechenden Anbieter auf. Auf welcher Grundlage richtet der Diözesanrat eine so weitreichende Forderung an die Menschen? Und ist sie nicht auch in gewisser Weise ‚unchristlich‘, weil dadurch z. B. Arbeitsplätze gefährdet werden?
Biber: Grundlage unseres Handelns ist die Verpflichtung aller Menschen, insbesondere aber aller Christen, zum schonenden Umgang mit der Schöpfung, zu Solidarität mit den Armen und Benachteiligten sowie zu einem generationengerechten und gemeinwohlorientierten Wirtschaften. Diese Rechtspositionen wiederum leiten sich letztlich alle zwingend aus dem Lebensrecht jedes einzelnen Menschen ab, da ohne die Beachtung dieser Positionen ein Leben der Menschen heute oder unserer Kinder in Zukunft nicht mehr oder nur unter ganz erheblich erschwerten Umständen möglich sein wird. Ähnlich äußert sich auch Papst Franziskus in „Laudato si“ bzw. „Fratelli tutti“. Vor diesem Hintergrund sind die Forderungen ganz sicher nicht unchristlich. Hierdurch sollen die großen Unternehmen, die sich wohlgemerkt nicht an ihre eigenen Selbstverpflichtungen halten, gerade zu einem christlichen und alternativlosen Handeln bewegt werden.
Warum hat sich der Diözesanrat gerade jetzt zu dem Aufruf entschlossen? Gibt es einen aktuellen Auslöser?
Biber: Aktuelle Auslöser für das Aufgreifen des Themas sind die in diesem Jahr unter dem Deckmantel der Corona-Pandemie besonders fortschreitenden Zerstörungen der „Lunge der Welt“ in den Wäldern der südlichen Hemisphäre sowie das Nichterreichen der Ziele des CGF aus dem Jahr 2010, ab 2020 nur noch nachhaltig produziertes Palmöl zu verwenden, das nicht zur Entwaldung der Tropenwälder führt.
Menschen vor Profit!
Jetzt die Regenwald-Zerstörung durch Nestlé & Co. stoppen! Der Diözesanrat der Katholiken richtet einen dringenden Appell an alle Menschen, beim Kauf von Lebensmitteln, Ölen und Kosmetikprodukten
- Informationen einzuholen, ob diese mit Palmöl- oder Sojaprodukten vermischt sind, die zu Lasten der Regenwälder und ihrer lokalen Bevölkerung produziert wurden,
- diese Informationen bei einer Kaufentscheidung zu berücksichtigen,
- Lebensmittel von regionalen Erzeugern zu kaufen und
- Produkte von Firmen, die ihre eigenen Nachhaltigkeitsziele aus dem Consumer Goods Forum (CGF) nicht einhalten, zu boykottieren.