Im geistlichen Gespräch mit Menschen durfte ich immer mal wieder eine Erfahrung machen, die ich als „österlich“ beschreiben würde. Menschen erzählen in solchen Gesprächen zum Beispiel von Ängsten, von verkehrten Abhängigkeiten in Beziehungen, von der Unfähigkeit zur Vergebung, von schlechten Angewohnheiten, von persönlicher Schuld und anderem mehr. Sicherlich gehören solche Phänomene, besonders, wenn sie schwerwiegend sind, auch oder zuerst in die Hände von Therapeuten.
Und dennoch durfte ich auch im geistlichen Gespräch die folgende Dynamik erleben: Wenn ein Mensch durch eine andere Person einen Raum bekommt, in dem er mit Empathie angehört wird, dann kann das dazu führen, dass sich auch das Innere des Menschen öffnet, so dass ihm die Worte leichter aus dem Mund fließen. Wenn der Hörende dann verständnisvoll und vertiefend nachfragt, ist der Sprechende angeregt, eine andere Perspektive einzunehmen, nämlich die des Fragenden. Er schaut dann im gelingenden Fall mit dessen Blick auf sich selbst – und bekommt womöglich einen anderen, einen erweiterten Zugang zu sich. Die Dynamik des Gesprächs kann also dazu führen, dass sich der Blick auf sich selbst weitet. Und nicht selten war der eigene innere Blick auf das eigene Problem häufig fixiert, war eine feststehende Selbstdeutung, meist unverrückbar: „So ist es!“ Zum Beispiel in dieser Weise: „Ich bin so, ich fühle so – weil mir genau dieses passiert ist – ich kann nicht anders. Es muss so sein.“ Und nicht selten bedrückt so eine Feststellung dann so sehr, dass ich mich meinem Schicksal ergebe; dass ich fatalistisch werde oder gar deprimiert: „So wird es ewig bleiben“.
Wenn wir mit den Augen des Glaubens darauf schauen, dann kommt uns vielleicht das Bild vom Grabstein – weil es sich auch so anfühlt. Es lastet schwer und dunkel auf meiner Seele. Aber wenn ein gutes Gespräch mit wirklichem Hören dann auch noch vom Geist Jesu mitgetragen und umfangen wird, dann kann es sich anfühlen wie: Der Stein rollt schon ein wenig auf die Seite, Licht kommt in die Seele hinein und Licht kommt aus ihr heraus. Es fühlt sich leichter an und lebendiger – und die Hoffnung kommt zurück! Die Hoffnung, dass der tote, große Stein nicht das letzte Wort hat. Dass er es nie haben wird. Und das Leben kehrt zurück! Nicht zufällig ist Ostern im Frühjahr: Das Leben beginnt zu blühen, es kehrt zurück. Die Natur erwacht, das Menschenherz lässt sich neu berühren – von Freude und Schönheit.
Was ich versucht habe zu beschreiben, ist tatsächlich eine tiefe Wirklichkeit unseres Glaubens. Wir Christen dürfen aus der Hoffnung leben, dass in uns schon das Leben selbst gegenwärtig ist. Der Herr ist da – der Stein ist weggerollt, die tödliche Folter am Kreuz überwunden. Ja: Der Tod ist überwunden und der neue Anfang ist gemacht. Auch für dich und mich. Der Glaube an den Auferstandenen löst Fesseln, rückt Grabsteine weg, lässt neu atmen und macht frei. Von Herzen wünsche ich Ihnen frohe Tage und österliche Erfahrungen und Gottes reichen Segen für Sie und alle Ihre Lieben!
Dr. Stefan Oster SDB
Bischof