Bruder Konrad von Parzham starb vor 130 Jahren. Nur vierzig Jahre später wurde der Klosterpförtner aus Altötting heiliggesprochen. Er war und ist hochverehrt, trotz seines zurückhaltenden Wesens – eine Annäherung zum Doppeljubiläum.
Lieber Br. Marinus, alle mit dem Gnadenort Altötting schon länger Verbundenen „kennen“ Bruder Konrad recht gut. Wie aber würden Sie den heiligen Klosterpförtner heute einem religiös nicht vorgebildeten Menschen beschreiben?
Bruder Marinus: Bruder Konrad war eine treue Seele, ein Mensch, der sich in den Dienst für andere gestellt hat, ein väterlicher Typ. Sein Lebensstil war einfach, sein Glaube geerdet. Er schätzte das Schweigen, die innere Sammlung und das Gebet. So schöpfte er Kraft für seine Aufgabe. Er hatte seinen Standpunkt, sein Reden und Tun stimmten überein: er war glaubwürdig. Bruder Konrad war ein aufmerksamer Zuhörer, er steckte niemanden in Schubladen. Er nahm die Menschen an, wie sie waren. Er war ein Menschenkenner und Menschenfreund – diese Haltung täte uns heute auch gut. Außerdem war er im wahren Wortsinn ein Brotgeber! Bedürftige Menschen lagen ihm besonders am Herzen. Er gab ein gutes Wort und er gab Brot: so lebte er christliche Nächstenliebe sehr konkret.
Was zeichnet Bruder Konrad aus, dass er auch heute noch – 130 Jahre nach seinem Tod und 90 Jahre nach der Heiligsprechung – ein Vorbild in Lebensfragen, in der Lebensführung sein kann?
Bruder Marinus: Seine Zeit war anders als die unsere. Sein Leben lässt sich nicht einfach übertragen auf uns. Allerdings scheinen mir Vollzüge seines Lebens, die er als Mensch und Christ verwirklicht hat geradezu aktuell: Er war entschlossen und geradlinig, kein Fähnchen im Wind. Er hat sich nicht manipulieren lassen und seine Frömmigkeit war geerdet. Zu den Menschen war er gütig und aufmerksam. Er war kein Träumer, kein Weltflüchtling, eher ein gläubiger Realist. Bruder Konrad konnte abschalten, sich ins Gebet versenken, das Wichtige vom Unwichtigen unterscheiden. Er war zuversichtlich, ein Vorbild in der Hoffnung. Er hatte das Herz am rechten Fleck. Sein Glaube war einfach und stark zugleich. Diese Tiefe und Weite würde uns heute helfen. Konrad hatte einen inneren Kompass. Sein Leben war auf Jesus fokussiert, er wollte als Kapuziner leben, einfach, in Gemeinschaft, religiös geprägt, für andere – ruhig, gelassen, konsequent, statt emotional überdreht. Etwas von seiner Art wünschte ich mir in allem Trubel und der hohen Geschwindigkeit modernen Lebens.
Pater Viktrizius Weiß, für den ein Seligsprechungsverfahren läuft, war in den letzten Jahren Bruder Konrads im Annakloster und während seines Todes Kapuzinerprovinzial in Altötting. Wie schätzen Sie die Verbindung der beiden Ordensbrüder ein?
Bruder Marinus: Zwischen dem langjährigen Provinzial der Bayerischen Provinz Pater Viktrizius Weiß (1842−1924) und Bruder Konrad gibt es eine mehrfache Verbindung. Nicht nur die niederbayerische Heimat und die Bayerische Ordensprovinz der Kapuziner sind ihnen gemeinsam, sie haben sich auch persönlich gekannt. Pater Viktrizius lebte und wirkte als Provinzial und Ex-Provinzial mehrere Jahre in Altötting St. Anna, wo Bruder Konrad gleichzeitig seinen Dienst an der Pforte tat. Soweit wir wissen können, hat Viktrizius den Pfortenbruder Konrad gekannt und geschätzt. Viktrizius war einer, der zuhören konnte. Ich vermute, dass beide – Viktrizius und Konrad – sich gut verstanden haben, weil sie das Gebet schätzten.
Bruder Konrad-Darstellungen
Fotos: Roswitha Dorfner
Für Bruder Konrad spielte die Gnadenmutter eine herausragende Rolle. Wie steht es um die Marienfrömmigkeit bei den Kapuzinern generell?
Bruder Marinus: Maria, die Mutter Jesu, ist die Patronin des Franziskusordens. Für Franziskus ist sie Urbild der Kirche, d.h. sie ist die Magd des Herrn, sie lebte in und aus dem Wort Gottes. Wir Kapuziner ehren Maria als die Mutter Jesu, das Rosenkranzgebet und andere marianische Gebete werden bei uns gepflegt. Bruder Konrad ist gern zu Marienwallfahrtsorten gepilgert, wie Mariahilf ob Passau. In Altötting war er am richtigen Platz. Jeden Morgen ging er zur Messe in die Gnadenkapelle und ministrierte. Konrad hat seine Mutter verloren als er 14 war: ich kann mir vorstellen, dass er in Maria ein wenig die Geborgenheit fand, die er im Leben suchte. Die Aussage „Gott hat geholfen“ finden wir auf vielen Votivtafeln. Diese Erfahrung teilt Bruder Konrad mit ihnen.
Welche Rolle spielt Ihrer Ansicht nach Bruder Konrad selbst in den kommenden Jahren und Jahrzehnten einer sich verändernden Glaubenslandschaft und eines sich verändernden Wallfahrtslebens für Altötting und für die Kapuziner?
Bruder Marinus: Eine Aussage von Karl Rahner, der vor 40 Jahren gestorben ist, wird häufig zitiert: Der Christ von Morgen wird ein Mystiker sein oder er ist nicht mehr. Konrad steht einerseits für Lebensnähe und andererseits für ehrliche Suche nach dem Geheimnis Gottes. Konrad ist ein Mystiker! Ich sehe in ihm ein Vorbild: trotz vieler Arbeit sich zu sammeln. Er ist innerlich auf dem Weg, das Ziel geht über diese Welt hinaus. Er strebt die Heimat bei Gott an. Konrad hat sich mutig entschieden für seine Berufung. Ich glaube, dass wir in Zukunft Christen brauchen, die Erfahrung mit Gott gemacht haben und die sich für ihn entscheiden. Ich bin überzeugt, dass uns der hl. Br. Konrad heute Impulse gibt, was die Ausrichtung auf Gott, das Üben in Stille und Gebet betrifft, das Hören auf Gottes Wort ebenso das Gespräch mit Menschen. Leben und Glauben waren bei ihm eng verbunden. Als Christen können wir nur so Glaubwürdigkeit gewinnen. Was wir sagen, muss erkennbar sein im Leben.
Wolfgang Terhörst
Redaktionsleiter
Am Samstag, 20. und Sonntag, 21. April feiern die Kapuziner in Altötting das Bruder-Konrad-Fest – heuer im Gedenken an den 130. Todestag und die Heiligsprechung des Klosterpförtners vor 90 Jahren. Festprediger am Samstag um 20 Uhr in der Basilika wird Franziskanerbruder Stefan Federbusch sein. Zelebrant und Prediger der Festmesse am Sonntag um 10 Uhr ist Erzbischof em. Ludwig Schick.