An Christi Himmelfahrt feiert die Kirche die Rückkehr des Gottessohnes zu seinem Vater im Himmel. Rund um das katholische Hochfest 40 Tage nach Ostern hat sich allerlei Brauchtum und Aberglaube ausgebildet – manches ist bis heute erhalten geblieben.
Notärzte und Polizei wissen, was sie zu erwarten haben, am Vatertag, ist er doch der traurige Höhepunkt alkoholbedingter Verkehrsunfälle im Jahreslauf. In der Früh zieht das angeblich so starke Geschlecht schon los, mit Leiterwagen, auf Fahrrädern oder zu Fuß, gerne im „leichten Biergewand“ wie man ironisch die Kombination aus Lederhose und T‑Shirt neuerdings modisch korrekt bezeichnet. Natürlich darf die entsprechende Bevorratung an kühlen Hopfengetränken auf dieser Partie nicht fehlen. Es geht traditionell raus ins Grüne. Ziel ist aber meist nur ein nahegelegener Biergarten oder Grillplatz, man meidet heute alle Anstrengung, denn ordentlicher Trunk ist das Tagesmotto. Wer annimmt, dass diese Herrenpartien oder Schinkentouren Machogehabe oder gar reine Auswüchse eines säkularen Umgangs mit dem Hochfest Christi Himmelfahrt sein könnten, sollte einmal einen Blick in die Vergangenheit und auf das überlieferte Brauchtum zum Auffahrtstag des Herrn wagen.
Unsere Vorfahren im Grenzgebiet zwischen Rätien und Noricum, den beiden römischen Provinzen, die Altbayern wohl am besten geographisch beschreiben, veranstalteten in den letzten Frühlingstagen festliche Flurumgänge und ‑umritte. Sie baten, je nach Neigung und Herkunft, den germanischen Gott Thor, Herr über Blitz und Donner, um eine gute Ernte oder die römische Göttin Ceres darum, Schaden von Feld und Flur abzuwehren. Mit feierlichen Dank- und Bittopfern, begleitet von Umtrunk, Musik und Tanz, versuchte man, sich der übernatürlichen Fürsprache zu versichern. Diese Bittgänge wurden erst um 800 von Papst Leo III. endgültig in die römische Liturgie übernommen. Einer seiner Vorgänger, Papst Gregor der Große, hatte früh ihre spirituelle Bedeutung für das Christentum erkannt und sie noch zeremoniell durch das Absingen der Allerheiligenlitanei ausgebaut. Vielfach wird auch die Meinung vertreten, dass diese Umzüge den Gang der elf Jünger zum Ölberg zum Zweck ihrer Aussendung nachahmten. Die Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils schaffte die Bittprozessionen 1969 ab. Kleine Bittgänge zu Kapellen der himmlischen Wetterherren wie der „Sommer-Hansl“ (Johannes der Täufer, 24. Juni) oder Petrus und Paulus (29. Juni) auch genannt werden, finden aber auf dem Land immer noch statt.
Überliefert ist, dass nach germanischem Rechtsempfinden in den Frühlingstagen jeder Eigentümer seinen Grundbesitz umschreiten musste, um seine Besitzrechte zu wahren – noch bis zur Liturgiereform und auch darüber hinaus steckten vielerorts die Bauern am Christi Himmelfahrtstag vier kleine Holzkreuze an die Ecken ihrer Äcker und Felder. Sie sollten vor Hagelschlag und wetterbedingten Ernteausfällen schützen. Dass der Himmelfahrtstag lange im Aberglauben eine besondere Beziehung zu Blitz und Donner hatte, davon erzählen alte Arbeitsverbote aus dem bäuerlichen Alltag. So war Näh- und Flickarbeit streng untersagt, schützte man sich doch so vor Gewittern. Die Jagd war verboten, das Tier im Stall musste geschont und sorgsam behandelt werden, selbst das Blumenpflücken war untersagt, denn davon bekäme man böse Hände. Auch das Binden der Maibuschen aus den „Auffahrtskräutlein“, die vor Mäusefraß schützen und bei Krankheit im Stall zum Ausräuchern verwendet wurden, das frühmorgendliche Sammeln von Maitau – er galt vermischt mit Wein als Medikament gegen den „Schlagfluss“ (Schlaganfall) – sowie das Aufhängen kleiner Sträuße aus Katzenpfötchen in Haus und Stall lassen sich nur im Zusammenhang mit Vegetationsritualen zum „Donarstag“ verstehen.
Dass zu diesen auch das Sammeln und Verabreichen angeblich aphrodisierender Pflanzen wie Baldrian, Bibernelle, Liebstöckel und des giftigen Aronstabs gehört, kann man vereinzelt noch lesen. Das passt zu Beschreibungen aus dem frühen Mittelalter, als die Kirche erstmals gegen die exzessive feuchtfröhliche Feierlaune am Christi Himmelfahrtstag einschritt; auch das üppige Schmücken der Kirchen und Kapellen mit roten Blumen – Rot galt als die Farbe Thors – hatte von da an zu unterbleiben. Erhalten hat sich aus vorchristlicher Zeit, dass man an Christi Himmelfahrt gerne den Tag im Freien, im Wald, im Garten und auf den Bergen verbringt – heute sind es Pfarrfeste, Feld- und Berggottesdienste, die Jesu Eintritt in die endgültige Herrlichkeit Gottes, seine Anwesenheit und Macht herausstellen.
Bis 370 war Christi Himmelfahrt untrennbar mit dem Pfingstfest verbunden gewesen. Seither ist das Hochfest ein eigener Feiertag, der 39 Tage nach dem Ostersonntag begangen wird – am Donnerstag nach dem fünften Sonntag nach Ostern und zehn Tage vor Pfingsten, wenn der Osterfestkreis endet. Erhalten haben sich gerade in Südbayern bis weit ins 20. Jahrhundert hinein zwei Bräuche, die wohl noch auf die Verbindung der beiden Kirchenfeste zurückgehen. So buk man um diese Zeit Brotvögel aus Brezen- oder Hefeteig, die dem Symbol des Heiligen Geistes, der Taube ähneln. Sie wurden an Christi Himmelfahrt aus den „Heilig-Geist-Löchern“ auf das Kirchenvolk herabgeworfen. Auch das ausschließliche Zubereiten von „fliegendem Fleisch“ – darunter verstand man einst Geflügel aller Art, von der Krähe bis zur Wachtel, für den Festtagsbraten am Auffahrtstag, ist vermutlich ein Relikt aus alten Tagen.
Himmelfahrt und Höllensturz – an Dramatik und Theatralik konnte es kein anderer Tag im Kirchenjahr mit Christi Himmelfahrt aufnehmen. Seit dem Mittelalter wird das Aufziehen einer blumengeschmückten, oft lebensgroßen Christusfigur mit Auferstehungsfahne durch das Kirchengewölbe in das Heilig-Geist-Loch“, wie das Bauloch in der Kirchendecke wegen des Himmelfahrtsbrauchs auch heißt, praktiziert. Gerne übernahm auch ein menschlicher Darsteller die Rolle des Auferstehenden. Sinnlich begleitet durch Fanfarenstöße, lautes Orgelbrausen und dicke Weihrauchschwaden. Damit sich die hölzerne Figur beim Aufstieg nicht verdreht, wird sie durch zwei brennende Kerzen gesichert. Das kann auf verschiedene Weise erfolgen, entweder durch jeweils seitlich an der Plastik angebrachte Kerzenleuchter in Form von Engeln oder mittels zweier Ministranten, die am „Startplatz“ mit großen Kerzenständer links und rechts vom Aufzuerstehenden die Luft erhitzen. Entfällt diese Art der Stabilisation, dann schlingert „Christus“ beschwingt in Richtung Kirchengewölbe und man glaubt so zu erkennen, aus welcher Richtung das nächste Gewitter aufzieht. Oben angekommen und verschwunden, regnete es Blumen, die vor Gewitter schützen sollten, Lilien, Rosen aber auch Hostien, süßes Gebäck und Heiligenbildchen von der Decke. Gerne flogen auch echte Tauben durch das Kirchenrund. Manchenorts wurden die Gläubigen noch von oben mit reichlich Weihwasser bespritzt.
Doch damit nicht genug. Jetzt kam der Auftritt von Luzifer. Brennende Flachsbuschen und Zweige fielen aus dem „Heilig-Geist-Loch“. Es roch nach Pech und Schwefel, wenn die brennenden Teufelsgestalten aus Papier oder Stoff in das Kirchenschiff segelten. Um Fetzen der satanischen Überreste entbrannte nicht selten ein hitziger Kampf, man nahm sie mit nach Hause und vergrub sie in Garten und Feld – als Bannzeichen vor dem Bösen. Das Ungewöhnliche des Festtages hatte damit allerdings noch nicht sein Ende gefunden. Über dem Küchentisch daheim hatte noch der Heilige Geist seinen großen Auftritt. In einer Glaskugel schwebte er als holzgeschnitzte Taube über dem Küchentisch, die Seinen vor bösen Geistern und dem Teufel selbst beim Essen schützend. Suppe und Festtagsbraten dampften, das Glas beschlug sich, Tropfen für Tropfen fiel das Kondenswasser in die Terrine zurück – als Segen des Heiligen Geistes oder etwas derb im Dialekt ausgedrückt: „in d‘ Suppn hod a brunzt“.
Text: Maximiliane Heigl-Saalfrank