Mit der weltgrößten Brettkrippe beim Schwimmenden Christkindlmarkt sorgt die kleine Dreiflüssestadt seit Jahren für Furore. Doch eine Papierkrippe mit den markantesten Sehenswürdigkeiten Vilshofens als Kulisse gab es nicht, bis Benno Hofbrückl, Jugendpfleger im Ruhestand und einst Geschäftsführer des Bezirksjugendrings Niederbayern, aus seiner Sammelleidenschaft heraus eine Idee entwickelte und in die Tat umsetzte. Nach dem Vorbild tschechischer Exemplare aus seinem Fundus ließ er von Künstler Walter Wanninger aus Aunkirchen eine aus einem Versandkarton ausklappbare Version schaffen. „Flucht, damals wie heute“ nennt Hofbrückl das zentrale Thema.
In Werner Geiger, bis zur Pensionierung Geschäftsführer der Landkreis Passau Krankenhaus gGmbH und seit einigen Jahren Vorsitzender des Vereins „Brücken für den Frieden“ in Vilshofen, fand Hofbrückl spontan einen Verbündeten für die gute Sache. Denn von Anfang an stand fest, dass die außergewöhnliche Krippen-Aktion einen wohltätigen Hintergrund haben sollte. „Der Erlös aus dem Verkauf kommt der gemeinnützigen Seenotrettungsgesellschaft SEA-EYE in Regensburg zugute, die bereits Tausende Menschen im Mittelmeer gerettet hat“, betont der Papierkrippen-Initiator, der auf den Zusammenhang zwischen der Flucht der Heiligen Familie einst und dem Schicksal von Millionen Geflüchteter vor Verfolgung, Folter, Gewalt, Krieg, Naturkatastrophen und Hunger heute verweist.
Der Hintergrund für die erste Vilshofener Papierkrippe lag sofort auf der Hand: Eine Vielzahl Geflüchteter und Migranten, die in der niederbayerischen Kleinstadt an der Donau eine Bleibe suchen, dazu der Strom von Deutschland bis ins Schwarze Meer, die Schifffahrt und das Donauschiff mit der weltgrößten Brettkrippe als Symbol für die Heilige Familie, aber auch für die vielen Menschen, die gegenwärtig Zuflucht suchen und in Vilshofen im „Café Welcome“ an der Lautensackstraße – einem gemeinsamen Projekt des Arbeitskreises Vilshofener Asylbewerber e.V. sowie der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten Vilshofen – immer mittwochs zwischen 15 und 18 Uhr einen Anlaufpunkt finden, wo Kindern Spielmöglichkeiten und schulische Nachhilfe geboten werden, während Jugendliche und Erwachsene Hilfestellung und Beratung aller Art erfahren.
„Die Papierkrippe bringt ein Thema, das die Stadt bewegt, in die Wohnzimmer“, umschreibt Vilshofens Bürgermeister Florian Gams eine Intention dieser in seinen Augen außergewöhnlichen Aktion. Er sieht darin auch ein Zeichen für das ausgeprägte ehrenamtliche Engagement in Vilshofen, auf das er als Stadtoberhaupt spürbar und zu Recht stolz ist. Hinter dem Krippen-Projekt steht außerdem kein Geringerer als der Evangelische Landesbischof Dr. Heinrich Bedford-Strohm, den Werner Geiger in einem Brief um eine persönliche Botschaft gebeten hat. „Er hat sofort zugesagt“, freut sich der erfolgreiche Akquisiteur über einen prominenten Unterstützer. Der Vorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland unterstützt bekanntlich als aktiver Förderer die Aktion „Sea-Eye“ mit erheblichen finanziellen Mitteln.
Walter Wanninger, ehemaliger Kunsterzieher am Gymnasium Vilshofen, skizziert die reizvolle Aufgabe bei der Umsetzung von Benno Hofbrückls Idee wie folgt: „Wir wollten zwei Ebenen zusammenbringen: die Heilige Familie auf der Flucht und die Geflüchteten, die heute aus ähnlichen Gründen aus ihrer Heimat geflohen sind.“ Nach Wanningers Worten handelt es sich um eine Kreativ-Krippe mit Ausschneidebögen, die von Jung und Alt gemeinsam bemalt werden können. „Das ist ein Spaß für die ganze Familie, gerade in Corona-Zeiten“, unterstreicht der Künstler und verweist auf den durchaus erwünschten Nebeneffekt, zum Nachdenken über die Inhalte anzuregen. So werde die Flüchtlingsthematik den Krippenkäufern auf spielerische Weise nähergebracht, freut sich Wanninger, der auf den praktischen Umstand hinweist, die in eine Norm-Schachtel von DHL gepackte Krippe zum Aufheben fürs nächste Jahr einfach zusammenklappen oder aber auch verschicken zu können.
Dank der vielen originellen Details empfiehlt sich für den Betrachter der Krippe durchaus ein genaueres Hinsehen. So ist das Jesuskind auf einem klapprigen Schiff namens „Esperanza“ (spanisch für Hoffnung) geboren. Die Heilige Familie umringen Menschen aus vielerlei Ländern und unterschiedlichster Herkunft. Die Heiligen Drei Könige fliegt ein Jet der Linie „3 Kings-Air“ oder ein Heißluftballon – ganz nach Belieben der Krippenbastler – nach Vilshofen ein, die der spitze Turm der Stadtpfarrkirche St. Johannes der Täufer, der vom aus Graubünden stammenden Baumeister Bartholomä Viscardi im 17. Jahrhundert geschaffene Stadtturm, die Benediktinerabtei Schweiklberg und das bereits erwähnte „Café Welcome“ symbolisieren. „Das Geschehen der Geburt Jesu ist immer in eine Stadt mit ihren Bewohnern eingebunden“, erklärt der Ideengeber.
„Wir sitzen alle im selben Boot“, formuliert Benno Hofbrückl als die zentrale Botschaft seiner Krippen-Aktion – verbunden mit dem Aufruf, in die Herzen der Flüchtenden und Migranten zu schauen anstatt auf deren Hautfarbe, Herkunft oder Religion. Die erste Vilshofener Papierkrippe gibt es für 12 Euro bei Schreibwaren Kirmse in Vilshofen am Stadtplatz, im Fair-Weltladen Vilshofen am Kirchplatz, bei Spielwaren Gierster in der Vilsvorstadt oder direkt bei Benno Hofbrückl, Tel. 08541/979057 beziehungsweise unter benno@hofbrueckl.de per E‑Mail.