Wie führt man ein langes und zugleich erfülltes Leben? Reporter des „Zeit-Magazins“ sind zehn Jahre lang um den Globus gereist und haben 50 Hundertjährige besucht, um darauf Antworten zu finden. Eines vorweg: Wie alt wir werden, liegt zu 30 Prozent nicht in unseren Händen; das ist der Anteil, den Wissenschaftler unserer genetischen Veranlagung zuschreiben. Aber damit bleiben immer noch 70 Prozent, die wir selbst beeinflussen können. Und das Interessante dabei: Die Hundertjährigen lehren uns, dass es tatsächlich einige Rezepte für ein langes, gutes Leben gibt.
Dass eine ausgewogene Ernährung, Bewegung, ausreichend Schlaf, eine funktionierende Familie und gute Freunde essentiell sind, ist hinreichend bekannt. Doch ähnlich bedeutend ist offensichtlich, wie man sein Leben lebt. Auffällig ist, dass die befragten Hundertjährigen vor Tatendrang, Leidenschaft, Begeisterung, Lust am Leben sprühten. Es gehe um die richtige Balance, um Wachsamkeit in eigener Sache, erklärt der Wissenschaftler Craig Willcox und fasst dies so zusammen: „Passt auf euch auf – und lebt.“
Was die Hundertjährigen ebenfalls lernen mussten, allein schon weil aufgrund ihres langen Lebens der Verlust geliebter Menschen unumgänglich war: Man muss in der Lage sein, Niederlagen und Trauer irgendwann hinter sich zu lassen.
Viele Übereinstimmungen gibt es darin, was die betagten Menschen kurz vor dem Ende ihres langen Lebens bedauern: beinahe alle Frauen, dass sie sich hatten bremsen lassen, was Schule, Studium und Beruf angeht; die meisten Männer wiederum bereuten, dass sie „viel zu viel ihrer Lebenszeit mit Nebensächlichem, also dem Beruf, vergeudet und zu wenig mit Wesentlichem, also der Familie und den Freunden, ausgefüllt hätten“.
Schmunzeln lässt mich die Weisheit des Alters, die Claudia Melis aus Sardinien nennt: Man soll optimistisch sein, neugierig und ernsthaft, das Gemüse aus dem eigenen Garten kochen und nicht mit dem Ehemann kämpfen. „Und wenn ich ganz und gar die Wahrheit sagen soll, dann ist dies hier das wahre Geheimnis: Wenn ihr hundert werden wollt, dann glaubt an Gott. Geht jeden Sonntag in die Kirche.“
Da würde bestimmt auch Papst Franziskus zustimmen, der, denke ich, ohnehin viele Regeln für ein gutes, gelingendes Leben verinnerlicht hat. Wie anders wären seine Appelle an die Jugend zu verstehen, das Leben nicht vom Balkon aus zu betrachten oder vor einem Bildschirm auf dem Sofa zu verbringen. „Lasst lieber eure Träume aufblühen, trefft Entscheidungen, setzt etwas aufs Spiel“, schreibt er in „Christus vivit“ (Christus lebt). „Werft die Ängste, die euch lähmen, über Bord, damit ihr euch nicht in jugendliche Mumien verwandelt. Lebt! Öffnet die Käfigtür und fliegt hinaus!“
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Wolfgang Krinninger
Chefredakteur