Wie helfen, wenn das Leben zu Ende geht? Bei dieser Frage gehen die Meinungen oft weit auseinander. Dass bei so schwierigen Themen wie etwa dem assistierten Suizid dennoch sachliche und ruhige Diskussionen möglich sind, ist ein gutes Zeichen, kommentiert Wolfgang Krinninger.
Es war eng und viel zu warm. Die gute Luft im Raum war schnell aufgebraucht. Viele mussten stehen. Und dennoch waren auch nach zwei Stunden konzentrierter Diskussion alle noch aufmerksam bei der Sache. So war es in der Aula des Gymnasiums Pfarrkirchen vor einigen Wochen (wir berichteten ausführlich) und so war es in der vergangenen Woche im Pfarrheim Waldkirchen. Beide Male diskutierten Experten über ein Thema, das eigentlich nicht vor Sexappeal strotzt: Assistierter Suizid.
Die Ausgangslage: Im Februar 2020 hatte das Bundesverfassungsgericht das Verbot, die Selbsttötung „geschäftsmäßig zu fördern“, für verfassungswidrig erklärt und ein entsprechendes Strafgesetz aufgehoben. Zwei Initiativen für eine Neuregelung scheiterten im Juli des vergangenen Jahres im Bundestag.
„Töte sich, wer kann!“ Unter diesem provokanten Titel warben die Veranstalter in Waldkirchen für den Diskussionsabend zum Thema. Und wie in Pfarrkirchen kamen auch in die Bayerwald-Stadt die Menschen in Massen. Man spürte deutlich: Es geht um Leben und Tod, es geht um Würde, es geht um Menschlichkeit – das lässt niemanden unberührt.
Rund 200 Frauen und Männer waren es letztlich, die sich anhörten, was Ursula Bonnekoh, Mitglied im Präsidium der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS), Moraltheologe Johannes Brantl, der Strafrechtler Holm Putzke und die Waldkirchner Gynäkologin und Palliativ-Ärztin Heidi Massinger-Biebl zu sagen hatten. Die drei Letztgenannten hatten auch in Pfarrkirchen am Grenzkamm der Freiheit entlang diskutiert. Die Positionen waren naturgemäß weit auseinader: Putzke und Bonnekoh vertraten entschieden den Standpunkt, dass zur persönlichen Autonomie auch das Recht auf selbstbestimmtes Sterben gehört. Brantl machte deutlich, dass es für ihn oberste Priorität habe, Menschen von der Geburt bis zum Ende gut zu begleiten.
Für einen Christen gehe es um Entwicklung von Lebensperspektiven und nicht um Hilfestellung zum Suizid. Aus ihrer Praxis heraus argumentierte Massinger-Biebl, dass alle Anstrengungen darauf gerichtet sein müssten, bessere Möglichkeiten für ein erträgliches Lebensende zu schaffen. Einig war man sich darin, dass es bei Palliativversorgung, Hospizarbeit und der Hilfe bei Depression Luft nach oben gebe.
Wichtig sind für mich aber auch zwei Randerscheinungen dieser beiden Veranstaltungen: Es ging um ein höchst kontroverses Thema – und die Akteure argumentierten klug und engagiert, aber ohne Schaum vorm Mund und ohne die jeweils andere Position niederzumachen. Und: Der Standpunkt der Kirche wurde gehört und wahrgenommen, weil er fundiert und verständlich vorgetragen und als relevant empfunden wurde. Beides ist keineswegs selbstverständlich, beides gibt Hoffnung.
Wolfgang Krinninger
Chefredakteur