Die katholische Kirche in Deutschland taumelt. Kaum von einem Tiefschlag erholt, kommt der nächste Schwinger, einer schmerzhafter als der andere. Vorläufiger Höhepunkt: das Münchener Missbrauchsgutachten, ein Dokument des Schmerzes, der Niedertracht, des Wegschauens, der Fehlleistungen. Dabei hatten schon zuvor laut einer Forsa-Umfrage nur noch ganze zwölf Prozent der Deutschen großes Vertrauen in die katholische Kirche. Jetzt dürfte unsere Glaubensgemeinschaft wohl im einstelligen Bereich angelangt sein.
Mit dieser Last auf dem Rücken tagten die rund 230 Mitglieder der Synodalversammlung am vergangenen Wochenende im zugigen Congress Center Messe Frankfurt. In der Zweiten Lesung ging es um mehr als Abwägen, Debattieren, Argumentieren und Streiten. Erstmals verabschiedete das höchste Gremium des Reformprojekts einige Texte. Die Zustimmung von mehr als zwei Dritteln der abstimmenden Bischöfe sind dabei ein Pfund. Jetzt zählt es.
Vieles scheint plötzlich möglich: Öffnung des Zölibats, Weihe für Frauen, Laienbeteiligung bei Bischofswahlen, mehr Wertschätzung für queere Menschen und Paare. Freilich muss sich erst zeigen, was davon bei der Dritten Lesung im Herbst übrigbleibt. Doch dass sich dann zwei Drittel der Bischöfe anders verhalten, ist nur schwer vorstellbar, denn das wäre dann der nächste Tiefschlag für die Kirche.
Jetzt beginnt erst einmal das Ringen um die Deutungshoheit. Konservative wie reformorientierte Katholiken bringen sich in Stellung und schießen aus vielen Rohren. Das gehört zu so einem Prozess, aber dem „normalen“ Kirchenvolk dürfte dabei bald die Lust am Zuhören und Mitreden vergehen.
Am Ende sind es die einzelnen Bischöfe, die darüber entscheiden, ob sie die von der Synodalversammlung gefassten Beschlüsse in ihrem Gebiet umsetzen. Und dann ist da noch die große Unbekannte: Über einige der diskutierten Themen wie einen Zugang von Frauen zu Weiheämtern kann nur der Papst oder ein weltweites Konzil entscheiden. Papst-Botschafter Nicola Eterovic hat deshalb in Frankfurt schon einmal klargemacht, Maßstab für die Ortskirchen sei die Weltbischofssynode im kommenden Jahr. Und: Es gehe nicht darum „Meinungsforschung zu betreiben“, zentral sei das Wort Gottes als „Leuchtfeuer“.
Doch vielleicht ist es den Teilnehmern des deutschen Reformdialogs in den vergangenen Monaten auch gelungen, die Angst vor dem allzu großen deutschen Wagemut zu zerstreuen. So lobte etwa Jerome Vignon, der die französische Partnerorganisation des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) vertritt, die geistliche Dimension der Synodalversammlungen. Die französische Kirche könne sich zudem davon inspirieren lassen, „dass von Anfang an der Weltkirche große Beachtung geschenkt wurde“.
Der Synodale Weg geht nun in die nächste, die entscheidende Runde. Dabei ist noch vieles möglich, nur eines darf nicht passieren: ein weiterer Tiefschlag. Dann wäre die katholische Kirche in Deutschland endgültig am Boden.
Wolfgang Krinninger
Chefredakteur