Zwei Begegnungen während meiner Reise durch Russland sind mir unauslöschlich im Gedächtnis geblieben. Zuerst die Gute: Ich habe mich mit Galina Chmylkowa unterhalten. Die linke Seite ihrer Kostümjacke zieht es förmlich nach unten – der dunkle Stoff trägt Orden über Orden. Galina hat im Zweiten Weltkrieg für die Rote Armee gegen Hitler-Deutschland gekämpft. Krieg und Frieden kennt sie also nicht nur aus der Literatur. Als spätere Lehrerin gab sie ihren Schülern mit auf den Weg: „Schlechte Freundschaft ist besser als guter Krieg!“
Und jetzt die Schlechte, die zeigt, dass Geschmacklosigkeiten keine Grenzen gesetzt sind. Unweit der Kreml-Mauer, also im Allerheiligsten von Moskau und nicht irgendwo weit hinten im Ural, warten regelmäßig Stalin-Imitatoren in historischen Verkleidungen auf Schulklassen sowie Besucher aus dem In- und Ausland. Wer es zu den Höhepunkten einer Moskau-Reise zählt, sich für ein paar Rubel einmal mit dem Double eines Tyrannen fotografieren zu lassen, wird hier leicht fündig. Erschreckend: Die Staatsgewalt, die in Russland alles und jedes kontrolliert, lässt es sehenden Auges zu, dass ein Schlächter wie Stalin, den Historiker für den Tod von 30 Millionen Menschen verantwortlich machen, im Zentrum der Hauptstadt am helllichten Tag zum Vorzeigeobjekt wird. Das lässt tief blicken.
Jetzt ist Josef Stalin, der Diktator, nicht als „Schauspieler“, sondern in der Figur von Wladimir Putin von den Toten auferstanden. Putin und seine Paladine haben die Ukraine überfallen; sie bomben, brennen und morden. Schon lange nicht mehr in den Mund genommene Worte werden wieder gesagt, etwa dieses: „Frieden ist, wenn Söhne ihre Väter beerdigen. Und Krieg, wenn Väter ihre Söhne beerdigen.“ Und dabei ist das, wie immer in Kriegszeiten, nur die halbe Wahrheit. In der Ukraine geht es nicht nur um Väter und Söhne, die dem Hammer und Sichel schwingenden Putin zum Opfer fallen. Es betrifft alle. Der Despot lässt auch Frauen und Kinder ermorden.
Die Ernte des Krieges fällt immer gleich aus: Tod, Flucht, Vertreibung, zerstörte Seelen, Feindschaft über Generationen hinweg. Kriegstreiber Putin sollte Soldatenfriedhöfe besuchen. Nirgendwo besser, nirgendwo eindringlicher, nirgendwo bewegender ist der Wahnsinn des Krieges zu spüren. Wälder aus Steinkreuzen mahnen dort zum Frieden in der Welt.
Frieden? Was hält eigentlich Patriarch Kyrill I. davon, der bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit dem Kreml-Killer seinen Segen gibt? Das Oberhaupt der Russisch-orthodoxen Kirche sprach von „äußeren bösen Kräften“. Der Patriarch hatte am Vortag des Einmarsches in die Ukraine Kindermörder Putin zum „Tag des Vaterlandsverteidigers“ gratuliert; er wünschte ihm „Seelenfrieden und Gottes Hilfe bei seinem hohen Dienst am russischen Volk“.
Von dieser Seite aus braucht man also nicht darauf zu warten, dass eine „rote Karte“ gezückt wird. Möglicherweise kommt der außer Rand und Band geratene Putin vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Sollte er sich dem entziehen können, bliebe die Hoffnung, dass er eines Tages im finstersten Loch der Hölle landet. Ein Platz auf dem Müllhaufen der Geschichte ist ihm schon jetzt sicher.
Nur zu schade, dass Putin nicht bei Galina Chmylkowa in die Schule gegangen ist. Vielleicht hätte er sich ihre Lebenserfahrung gemerkt: „Schlechte Freundschaft ist besser als guter Krieg!“
Gebet für den Frieden
Herr Jesus Christus,
Krieg versetzt Menschen in Angst und Panik.
Krieg reißt Familien auseinander,
tötet – Menschen und Seelen.
Krieg zerstört Hab und Gut.
Herr Jesus Christus,
Krieg ist Wahnsinn.
Wie mächtig ist der Ungeist, der mit Krieg,
Zerstörung und Tod droht.
Wie hart ist die Seele, die das brennende Leid
nicht mehr spürt.
Wir verrückt ist eine Welt, die Menschen
Menschen töten lässt.
Herr Jesus Christus,
du leidest am Kreuz – erduldest Angst und Not.
Das Leid der Menschen zerreißt dir das Herz.
Du hältst alle Kreuzesnot für uns aus,
gibst dich ganz für uns hin.
Wer mit dir leidet, will keinen Krieg.
Herr Jesus Christus,
dein Leiden am Kreuz mahnt uns zum Frieden.
Deine Hingabe ermutigt, dem Hass zu widerstehen.
Deine Treue zu uns Menschen überwindet
den vernichtenden Ungeist.
Deine unzerstörbare Liebe befreit zu neuem Leben.
Herr Jesus Christus,
dein Vater im Himmel und der Heilige Geist
haben dich aus dem Tod auferweckt.
Du bist der Auferstandene,
der mitten im Krieg den Frieden zusagt.
Du bist der Lebende, der nach Solidarität
mit allen Opfern des Krieges ruft.
Du bist die Hoffnung der Leidenden und aller, die schuldig werden.
Herr Jesus Christus, lass uns mit dir eins werden,
erfülle uns und alle mit deinem Heiligen Geist,
damit das Leben siegt, der Friede alles neu macht
und der Krieg keine Chance hat.
Herr, komm hinter die Mauern der Weltgemeinschaft
wie bei den Jüngern zu Ostern.
Herr, komm, und hauche uns deinen Heiligen Geist zu.
Nur so werden Wunden heilen, wird Frieden wachsen
und Leben blühen.
Herr, komm uns zu Hilfe. Eile uns zu helfen. Rette uns.
Schenke uns deinen Frieden – hier bei uns,
in der Ukraine und überall auf der Welt.Herr Jesus Christus, am Kreuz gestorben,
vom Tod auferstanden – erbarme dich unser.
Amen.
Dr. Hans Bauernfeind
Ansprechpartner des Synodalen Wegs weltweit