Freude, schöner Götterfunken, Tochter aus Elisium“, dichtete im Sommer 1785 der Lyriker, Philosoph, Historiker und Arzt Friedrich Schiller (1759−1805) in seiner „Ode an die Freude“. Und wer sich jemals gefragt hat, wo diese Freude eigentlich herkommt – da steht es schwarz auf weiß: von Elysion, der Insel der Seligen.
Vielleicht hatte auch der Erfinder des Internationalen Tags der Freude am 24. Juli diese Zeilen im Kopf. Schwer zu sagen. Denn außer, dass dieser Tag irgendwann in den frühen 1980ern ins Leben gerufen wurde, ist wenig über seinen Ursprung bekannt. Mutmaßlich war der Erfinder an jenem Tag einfach gerade ziemlich gut drauf. Vielleicht weil er noch an den einen Tag zurückliegenden „Vanilleeistag“ (23. Juli) dachte, oder weil er sich schon auf den bevorstehenden „Käse- und Weintag“ (25. Juli) freute – man weiß es halt nicht so genau. Es könnte sein, dass ihn der „Götterfunke“ ganz spontan und unerwartet traf. Und ist es denn nicht die schönste Freude, wenn sie plötzlich da ist, ohne dass wir wüssten, wo sie denn hergekommen ist?
Das wiederum macht es ja so schwierig, Freude anzulocken und einzufangen. Folgt man Schillers Gedicht, dann ist sie am ehesten draußen zu finden: „Freude trinken alle Wesen an den Brüsten der Natur“, schreibt er. Da könnte was dran sein. Ob im Wald, an Seen oder in den Bergen – es liegt bestimmt nicht nur an der frischen Luft, dass wir uns in der freien Natur besonders wohlfühlen. Wer sich dann auch noch bewegt, der macht es richtig, wie Sie in dieser Ausgabe in unserer Rubrik „Bewusst leben“ (S. 24) nachlesen können.
Nun ist so ein Naturerlebnis zweifellos erholsam, doch bietet es längst keine Garantie, Freude zu erwischen und dann auch noch behalten zu dürfen. So ein Moment der Freude ist ja immer nur von kurzer Dauer. Fast könnte man meinen, der „liebe Vater“ „überm Sternenzelt“ will uns necken: Da schenkt er uns einen Funken Freude, nur um ihn uns gleich wieder wegzunehmen.
Kann das wirklich sein? Nicht, wenn die Bibel hält, was sie verspricht. Eine kurze Recherche zum Stichwort „Freude“ ergab gleich mal 212 Treffer. Das gesamte Evangelium ist als eine „Frohe Botschaft“ gemeint. „Dies habe ich euch gesagt, damit meine Freude in euch ist und damit eure Freude vollkommen wird“, heißt es bei Johannes (Joh 15,11). Und darauf folgt: „Das ist mein Gebot, dass ihr einander liebt, so wie ich euch geliebt habe.“
Doch wenn ein Moment der Freude schon so schwer zu erhaschen ist, wie schwer wird es dann erst sein, gar die vollkommene Freude zu erreichen? Und wie schwierig ist es doch, das Versprechen auf ewige himmlische Freude weiterzutragen? Vor allem dann, wenn sich diese Freude partout nicht festhalten lässt? Zum Glauben gehört der Zweifel wohl genauso dazu wie zur Liebe der Streit über den weiteren gemeinsamen Weg – auch davon können Sie in dieser Ausgabe lesen (siehe S. 4 – 5). Doch manchmal finden sich eben auch kreative Wege, wie sich Freude in einen Gottesdienst bringen lässt (siehe S. 8).
„Alle Menschen werden Brüder, wo dein sanfter Flügel weilt“, schreibt Schiller über die Freude. Überall Brüderlichkeit, Liebe und Friede weltweit? Das klingt freilich etwas dick aufgetragen. Sogar Schiller selbst hat Jahre später an seiner überschwänglichen Freude gezweifelt, in der er seine Ode offenbar verfasst hatte. Sie sei aus „einem fehlerhaften Geschmack der (Entstehungs-)Zeit“ heraus entstanden, schrieb Schiller 1800 an seinen Freund Christian Gottfried Körner.
Doch allen Zweifeln zum Trotz ist es die Sehnsucht nach Freude, die uns dieses Gedicht auch heute noch gerne lesen lässt. Ein Gedicht, das Freude verbreitet und dazu anregt, diesen Götterfunken an andere Menschen weiterzugeben.
In diesem Sinne wünscht Ihnen viele freudige Sommertage
Michael Glaß
Readkteur