Das ORF-Friedenslicht aus Bethlehem ist für Millionen Menschen in aller Welt eine liebgewordene Weihnachtstradition geworden. Im bayerisch-österreichischen Grenzgebiet steht es zudem für die Kameradschaft der Feuerwehren von „drent und herent“ und den Zusammenhalt der Menschen über Landesgrenzen hinweg. Seit vielen Jahren darf ich als Reporter dabei sein, wenn am Heiligen Abend die Feuerwehrleute aus dem oberösterreichischen Aigen im Mühlkreis die Laterne mit der flackernden Flamme nach Niederbayern, in meine Heimatpfarrei Breitenberg bringen. Nach einem Wortgottesdienst in der vollbesetzten Pfarrkirche tragen die Feuerwehrfrauen und ‑männer die kleine Flamme weiter in die Städte, Märkte und Dörfer Ostbayerns. Der Passauer Landrat Raimund Kneidinger nannte die Friedenlichtübergabe im vergangenen Jahr den „vielleicht schönsten Weihnachtsbrauch in unserer Region“.
„Frieden bedeutet für mich, dass es keine Angst und keinen Streit gibt und wir uns gegenseitig helfen und gut miteinander auskommen.”
Und doch ist diese Weihnachtsaktion mit einem Makel behaftet: Das Friedenslicht wird in der Geburtskirche Jesu in Bethlehem entzündet. Für uns Christen steht dieser Ort dafür, dass mit dem Kind in der Krippe das Licht in die Welt kam. Doch von Weihnachtsfrieden ist in dieser Region wenig zu spüren. Und mit dem fürchterlichen Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober 2023 eskalierte die Gewalt vollends.
Erstmals seit fast vier Jahrzehnten wurde das Licht deshalb dieses Jahr nicht in Bethlehem abgeholt. Die kleine Flamme wird von Christkindl, der Partnerstadt Bethlehems im oberösterreichischen Steyr, aus um die Welt gehen. In der dortigen Wallfahrtskirche hat der neunjährige Matthias Secklehner das Friedenslicht übernommen. Die österreichischen Pfadfinderinnen und Pfadfinder hatten es dort ein Jahr lang gehütet. Es war 2023 von der zwölfjährigen Pillar Jarayseh in der Geburtsgrotte Jesu entzündet und per Flugzeug nach Wien gebracht worden.
Und so wird dieses Symbol der Hoffnung und der Friedenssehnsucht auch in diesem Jahr von Haus zu Haus weitergereicht werden. Und das ist gut so. Denn gerade in dunklen Zeiten kann auch eine kleine Flamme viel Licht spenden. Dieses Licht steht für Zusammenhalt und Solidarität, es erinnert uns an die Aufgabe, uns für den Frieden einzusetzen, einander zu verzeihen, den ersten Schritt zu tun. Und deshalb ist es gut, dass diese Tradition auch weitergeht, während im Nahen Osten täglich Menschen verletzt oder getötet werden.
Es mag utopisch sein, aber eigentlich müsste das Licht aus Christkindl in Steyr in diesem Jahr den umgekehrten Weg nehmen und zurückgebracht werden ins Heilige Land. Als winziges Hoffnungszeichen inmitten von Hass, Krieg und Leid. Breitenbergs Pfarrer erklärte die Idee hinter dem Friedenslicht vor einigen Jahren einmal so: „Wo ein kleines Licht viele Lichter entzündet, kann ein Lichtermeer entstehen.“
Wolfgang Krinninger
Chefredakteur