Ein wenig gestaunt hab‘ ich schon, als die Kirche in der vergangenen Woche groß in den Schlagzeilen war: Per Umfrage haben sich die evangelische und erstmals auch die katholische Kirche bestätigen lassen, dass sie der Großteil der Menschen als überflüssig erachtet.
Das ist in etwa so, als würde ein Pilot, dessen kaputter Flieger bereits die Fichtenwipfel streift, den Funkspruch erhalten, dass er zu tief fliegt. Das wird den Absturz kaum aufhalten und seine Laune kaum heben.
Bei der Studie ist das herausgekommen, was jeder, der Augen hat, ohnehin sieht: Die Kirchenbänke leeren sich rapide, die Austrittswilligen geben sich auf den Standesämtern die Klinke in die Hand, kirchliches Leben ist überall auf dem Rückzug.
Wenn überhaupt, dann rechtfertigt höchstens die festgestellte Dramatik das Geld für die Umfrage: Mit 9 Prozent ist das Vertrauen in die katholische Kirche nur unwesentlich größer als das zum Islam. Für fast 8 von 10 Befragten hat Religion überhaupt keine oder nur wenig Bedeutung. Die Untersuchung macht auch deutlich, dass dieser Trend ganz praktische Folgen haben wird: Das gesellschaftliche Engagement ist nämlich unter Kirchgängern deutlich höher als beim Rest der Gesellschaft. Ganz klar: Da bricht etwas weg.
Und noch eine Zahl ist dramatisch: 96 Prozent der befragten Katholiken sagten, ihre Kirche müsse sich grundlegend ändern, wenn sie eine Zukunft haben wolle. Das würde auch ihre Neigung zum Austritt verringern. Die große Mehrheit wünscht sich eine weltoffene, moderne katholische Kirche, die nicht ausgrenzt und ihrer zivilgesellschaftlichen Aufgaben gerecht wird. Gibt es hier weiter keine Fortschritte, geht der Anschluss an den kulturellen Wandel verloren und die jüngeren Generationen brechen komplett weg.
„Wir arbeiten an der Erneuerung unserer Kirche. Wir bleiben dran. Bleiben Sie drin!”
Wegducken kann sich auf diesem Weg niemand. Alle müssen dazu beitragen, damit die Kirche Zukunft hat: die Bischöfe und Priester genau so wie alle anderen, die „zum Dienst in der Kirche bestellt sind“, ja, letztlich alle Getauften und Gefirmten. Papst Franziskus brachte es auf seine unnachahmliche Weise auf den Punkt: Die Menschen müssten ausstrahlen, dass das Evangelium die Seele berührt und die Menschen froh macht. Ein Christ ohne Freude habe „ein Gesicht wie ein Kabeljau“ und könne niemanden überzeugen, sagte er am vergangenen Mittwoch bei der Generalaudienz auf dem Petersplatz. Der große Reichtum der Kirche sind die Menschen, die in sich spüren, dass Glaube, Liebe, Hoffnung tragen, die Menschen, die „Fürchtet euch nicht!“ leben. Sie haben die Kraft, die Herzen der Menschen zu erreichen und zu erwärmen.
Solange es solche Menschen gibt, gestatte ich mir, daran zu glauben, dass irgendwann tatsächlich auch bei uns eine Umfrage die Trendwende hin zu Jesus und seiner Botschaft der Liebe verkündet. Und wenn es dafür Wunder braucht. Die, so wissen wir nicht erst seit Katja Ebsteins Hit in den 70ern, gibt es immer wieder.
Wolfgang Krinninger
Chefredakteur