Seit 2022 betreut Hans-Peter Eggerl die Queer-Pastoral im Bistum Passau. Doch wer ist eigentlich die Zielgruppe - und wie erreicht Eggerl queere Menschen und ihre Angehörigen? Unser Autor des Editorials der aktuellen Ausgabe 48-2024 hat spontan eine Veranstaltung in Burghausen besucht ...
Wissen Sie eigentlich, was „queer“ bedeutet, wenn von entsprechend veranlagten Menschen die Rede ist? Ich jedenfalls nicht. Dafür weiß ich nun, was mit „transident“ gemeint ist: nämlich Personen, die sich nicht ihrem bei der Geburt anhand äußerer Körpermerkmale zugewiesenen Geschlecht zugehörig fühlen. Beispielsweise also ein Mädchen, das sich tatsächlich mit dem männlichen Geschlecht identifiziert – oder umgekehrt.
Gelernt habe ich das kürzlich auf einer Veranstaltung, bei der Kirche an die vielbeschworenen Ränder gegangen ist. Und in Deutschland sind diese oft mit Ausgrenzung und Diskriminierung verbunden. „Ausgesprochen aufgeschlossen?“ – unter diesem Motto hatte die Katholische Erwachsenenbildung (KEB RIS) gemeinsam mit der Queer-Pastoral im Bistum Passau in die Maria-Ward-Realschule Burghausen eingeladen zu einem Abend mit Austausch, Begegnung und Information zum Thema eben Transident. Für die Veranstalter überraschend waren um die 60 Zuhörer gekommen, Betroffene ebenso wie Neugierige.
Sie hörten die bewegenden, bedrückenden und doch mit Humor gewürzten Erfahrungen von Bianca Deger (67), die sich erst mit Anfang 50 zu ihrem Frau-Sein bekennen konnte und heute mit der Agentur „Transgender Happiness“ Menschen auf dem oft schwierigen Weg zur eigenen Identität begleiten möchte. Sie erfuhren von Claudia Wachsmann und Rebecca Sürth aus der Perspektive von Müttern transidenter Kinder, mit welchen Schwierigkeiten sowohl diese als auch die Eltern zu kämpfen haben. Und sie lernten eindringlich, wie buchstäblich lebensbedrohend Ablehnung und Mobbing sein können. Meist fehle den Betroffenen, besonders den Kindern oder Jugendlichen, ein offenes Ohr, ein unvoreingenommenes Zuhören. Dafür ein Bewusstsein zu schaffen und den betroffenen jungen Menschen hilfreich zur Seite stehen zu können, darum ging es an diesem Abend.
Gott sei Dank gibt es für die oft verzweifelten Menschen und ihre Angehörigen bereits Anlaufstellen im Bistum Passau mit Queer-Seelsorger Hans-Peter Eggerl, der den Abend moderierte, mit dem Projekt „Biste Bunt“ Neuötting, mit der von Rebecca Sürth gegründeten Selbsthilfegruppe „AG Queer Burghausen“, mit einem engagierten Lehrerteam der Maria-Ward-Realschule oder mit Bianca Degers auch im Glauben verwurzelten Beratungsangebot.
Großartig, dass unsere Kirche hier Menschen ein niederschwelliges Angebot macht, um das, was schwer auf ihrer Seele lastet, aussprechen zu können und um Hilfe zu finden in meist großer Not. Ich selbst ging von eigenen Vorurteilen beschämt, aber bereichert um viel Wissen für deren Abbau nach Hause. Ähnlich mag es anderen Gästen gegangen sein. Ein älterer Herr bedankte sich am Ende ausdrücklich, dass eine solche Veranstaltung „auf dem Niveau“ in einem katholischen Umfeld möglich gewesen sei: „Das hätte ich nicht gedacht.“
Und da war ich dann stolz auf unsere Glaubensgemeinschaft. Kirche kann mehr. Viel mehr als man denkt und als sie selbst oft zulässt.
Wolfgang Terhörst
Redaktionsleiter