Im Editorial der aktuellen Ausgabe kommentiert unser Autor Ergebnisse der aktuellen Shell-Jugendstudie.
Gott sei Dank! Die heutige Jugend ist doch nicht so arbeitsscheu, verweichlicht und gleichgültig wie befürchtet. Der aktuellen Shell-Jugendstudie zufolge sind die zwölf bis 25-Jährigen nicht nur politisch deutlich interessierter als zuvor – auch klassische Tugenden wie Fleiß, Ehrgeiz, Gesetz und Ordnung spielen für sie ebenso eine große Rolle wie Tradition.
Von all ihren Lebenszielen räumen Jugendliche der Untersuchung zufolge weiterhin stabilen Beziehungen, Freundschaften und Familie den höchsten Stellenwert ein. Ein Großteil der Jugendlichen baue dabei auch in Zeiten gesellschaftlicher Krisen – von Corona über Klima bis Kriege – auf eigene Ressourcen und eine große Unterstützung aus dem persönlichen Nahbereich, um ihre Zielvorstellungen trotz möglicher Widrigkeiten umzusetzen.
„Die Jugendlichen nehmen sehr sensibel wahr, wenn ihre Belange nicht berücksichtigt werden. Ihre Botschaft ist: Wir sind ein Stabilitätsanker – noch. Aber bezieht uns ein und packt die Probleme an!”
Der erleichterte Ausruf „Gott sei Dank!“ ist dennoch wohl etwas deplatziert. Denn im zitierten „persönlichen Nahbereich“ scheint der christliche Himmel immer ferner. Dem Herrgott danken die jungen Menschen kaum mehr für alles Gute, das ihnen auf ihrem Lebensweg widerfährt. Im Gegenteil: Religion spielt bei christlichen Jugendlichen laut neuester Shell-Jugendstudie eine immer geringere Rolle. Nur noch 38 Prozent der jungen Katholiken geben an, dass ihnen der Gottesglaube wichtig sei. 2002 waren es noch 51 Prozent. Nur noch die Hälfte aller 12- bis 25-Jährigen gehört demnach in Deutschland einer der beiden großen christlichen Kirchen an; im Jahr 2002 waren es noch zwei Drittel.
Auch im Alltag verliert der Glaube für christliche Jugendliche an Bedeutung. Von allen Befragten beten 18 Prozent mindestens einmal in der Woche, 31 Prozent seltener. 49 Prozent beten laut eigener Aussage nie; letzteres sagten laut Studie im Jahr 2002 nur 29 Prozent. Bei der Frage nach dem Vertrauen in gesellschaftliche Institutionen bringen Jugendliche den Kirchen das größte Misstrauen entgegen (2,4 Punkte vom Höchstwert 5). So vertrauen sie etwa der Bundesregierung, der EU, Banken und auch den Parteien mehr als den Kirchen.
Das alles sind katastrophale Werte. Die jungen Menschen nehmen Religion und Kirche offenbar gar nicht mehr wahr als gesellschafts- und lebensrelevanten Faktor. So beklagenswert das ist, Jammern hilft hier auch nicht weiter.
Was dagegen helfen könnte, ist, sich an die eigene Nase zu fassen: Wenn Eltern keinen sinnstiftenden und Halt gebenden Glauben vorleben, können Religionslehrer, Gemeindereferenten und Geistliche noch so viele Kapriolen schlagen – es wird schwer sein, die Jugendlichen zu erreichen. Das entlässt die „Profis“ freilich nicht aus der Verantwortung, es wenigstens zu versuchen: im Nahbereich der jungen Menschen. Authentische Vorbilder sind hier nämlich sehr gefragt. Da müsste doch mehr möglich sein. Um Himmels willen!
Wolfgang Terhörst
Redaktionsleiter