Und wer von einer Wallfahrt heimkommt, kann auch etwas erzählen. Manchmal wartete nach der Rückkehr aber eine Überraschung, die das Erlebte zunächst in den Hintergrund schob. So hat eine Bäuerin, die sich zum böhmischen Marienwallfahrtsort Pˇribram aufmachte, zu Hause „ein blaues Wunder erlebt“. Reinhard Haller erzählt darüber in seinem Buch „Einmal im Leben auf den Heiligen Berg“. Demnach hatte die Bäuerin ihrer Magd aufgetragen, alle Tage die Hühnernester zu leeren und die gesammelten Eier mit dem Datum zu versehen. Das hat die gute Haut auch getan. Als die Bäuerin wieder heimkam, waren alle Eier im Korb angeschrieben – und auf jedem stand groß und deutlich: heit, heit, heit…
Viele gingen damals barfuß, um das Schuhwerk zu schonen. Erst beim Besuch der Gnadenmutter wurden die Schuhe wieder angezogen. Karg war nicht nur die Bekleidung – bei Regen wurden die Wallfahrer nass bis auf die Haut –, sondern auch die Verpflegung (Brot und Äpfel mussten oft genügen). Das alles ist lange her, das Gestern mit dem Heute nicht mehr vergleichbar. Und doch gibt es Unveränderliches: Wallfahrt als Tankstelle für Leib und Seele.
Wenn es stimmt, dass die Seele zu Fuß geht, wird das Kilometer-Konto in Zukunft wohl stark anwachsen. Wir merken, dass es hierzulande nicht nur eine Erlebnis- und Spaßgesellschaft gibt, sondern sich der Weg auch zur Sinn- und Geborgenheitsorientierung entwickelt. Es scheint so, dass der Luxus von morgen die Einfachheit sein wird – und damit auch das Pilgern.
Wieviele Kilometer letztlich jemand mit seiner Seele zu Fuß gehen kann oder will, ist nicht so wichtig. Wichtig ist, was ihn erwartet: Geborgenheit in Gottes Schöpfung. Wer zwischen Himmel und Erde unterwegs ist, spürt letztlich nichts mehr: keine Blasen, keine brennenden Fußsohlen und keinen Rucksack. Man hat das Gefühl: Ich gehe im Universum auf! Das Laufen geht von alleine, der Kopf wird frei und die Seele weit.
Es ist eine uralte Sehnsucht des Menschen, aus- und aufzubrechen aus der Alltagsmühle, Bekanntes hinter sich zu lassen, neue Wege zu suchen, um über Umwege doch ans Ziel zu gelangen. Als Antrieb dient das „Sich sortieren“, das Schaffen von geistigem Raum. Das braucht Mut und Demut.
Letztlich sind wir alle Pilger – auch jene, die sich nicht zu einem so und soviele Kilometer entfernten Ziel aufmachen. Jeder von uns hat auf Erden nur eine Aufenthaltsgenehmigung – wie jede Pilgerreise ist diese begrenzt auf eine bestimmte Zeit.
Früher sind Menschen „nur“ wegen Lärm krank geworden. Heute werden manche durch die Stille krank – sie ertragen nicht, wenn das Handy schweigt. Ein Pilgerweg kann da Wunder wirken – auch wenn einer immer schon vorher da war!