Kennen Sie das auch? Sie stehen im Supermarkt und fragen nach einem Produkt und dann fällt Ihnen ein, dass Sie gar nicht wissen wie es eigentlich heißt, oder dass Sie dessen Namen gar nicht richtig aussprechen können? Und dann fragen Sie zum Beispiel nach so einem „Fenster-Wasser-weg-wisch-Dings“ oder nach einer „Wörkester-Soße“ und bekommen von einem schelmisch lächelnden Verkäufer einen Fenster-Abzieher oder eine Worcestersauce, die man übrigens „Wuhstersoss“ (oder so ähnlich) ausspricht. Und dann stehen Sie ziemlich blöd da.
Ja, Wissen ist Macht. Und weil wir Menschen von Natur aus sehr verspielt und gerne schadenfreudig sind, hauen wir es uns um die Ohren. Deshalb machen ja auch diese abendlichen Quiz-Sendungen so viel Freude. Gerne spiele ich da anonym via Smartphone mit. Klasse, wenn ich richtigliege, und lustig, wenn da ein Kandidat sich blamiert. Aber niemals würde ich mich trauen, selber öffentlich mitzuspielen. Allein der Gedanke daran, eine Antwort auf eine einfache Frage nicht zu wissen und mit hochrotem Kopf vor Millionen TV-Zuschauern zu sitzen, ist Stoff für schlimmste Alpträume.
Es gibt gewiss viele Gründe, weshalb diese Quiz-Sendungen heute so beliebt sind. Einer könnte sein, dass wir hier spielerisch für den Alltag üben. Dank moderner Technik wächst das allgemein zugängliche Wissen täglich weiter und damit vergrößern sich automatisch auch die Wissenslücken jedes Einzelnen.
Der Umgang mit Wissenslücken will gelernt sein. Wer bei fachspezifischen Themen keine Ahnung hat – und das sind in der Regel die allermeisten –, der muss cool bleiben können und wenigstens so tun als ob. Sich durchmogeln. Oder besser doch zu sich stehen und Fragen stellen? Jedenfalls, wer beim Mogeln erwischt wird, der reagiert zunehmend gereizt: „Ist mir doch wurscht!“ So sind wir Menschen eben. Keiner will dumm dastehen.
„Humor ist eine grundlegende Fähigkeit. Man muss über alles Mögliche lachen können, auch über sich selbst. Wer ist schon perfekt?”
So weit, so normal. Das Thema ließe sich an dieser Stelle abhaken, würden wir nicht in einer Zeit der Umbrüche und Dauerkrisen leben. Und wäre da nicht diese Fake-News-Debatte, die mit einem US-amerikanischen Ex-Präsidenten begonnen hat und mit einem russischen Diktator und Kriegsverbrecher so richtig an Fahrt aufnimmt: „Ich pfeif‘ auf Wissen und schaff‘ mir meine eigene Wirklichkeit!“ Was für Machtpolitiker ein nützliches politisches und leider auch kriegerisches Instrument ist, kann für gereizte Zeitgenossen ein hilfreiches Werkzeug sein, es den „Besserwissern da oben“ mal so richtig zu zeigen.
Was ist wahr? Vermutlich beschäftigen wir uns alle mit dieser Frage. Und vermutlich will niemand auf Fake-News hereinfallen. Und drittens sind wahrscheinlich die meisten so klug, mehrere Quellen anzuzapfen, bevor sie sich eine Meinung bilden. Auch klassische Medien, auf die nicht wenige so gerne schimpfen. Leider nehmen sich viel zu wenige die Zeit, ihre Quellen auch zu prüfen. Doch Erfolg haben Lügen und Verschwörungstheorien vor allem dann, wenn in die bestehenden Institutionen das Vertrauen fehlt.
Leider hab‘ ich keine Anleitung, wie sich mal schnell politisches und gesellschaftliches Vertrauen zurückgewinnen lässt. Gewiss hilft es, sich nicht in schlechte Nachrichten zu verbeißen. Wenn ich einen Wunsch frei hätte, dann würde ich mir Politiker herbeizaubern, die dazu fähig sind auch mal über sich selbst zu lachen und – ähnlich wie „der lachende Heilige“ Philipp Neri – mit Selbstironie und Humor einen allzu unheiligen Ernst vertreiben. Vor allem aber hätte ich gerne Mitbürger, die sich immer wieder klarmachen, dass ein Einzelner unmöglich alles wissen kann und wir alle irgendwann mal blöd dastehen. Das aber ist kein Grund, denjenigen mit den vermeintlich einfachsten Antworten hinterherzulaufen. Und aggressiv zu werden.
Zu mehr Lockerheit hilft vielleicht auch ein leckeres Beykänn-Sändwitsch mit Wörkester-Soße …
Michael Glaß
Readkteur