Als der 83-jährige Opernkomponist Richard Strauss von einer Journalistin gefragt worden war, welche Pläne er für seine Zukunft habe, gab er die lakonische Antwort: „Na, sterben halt.“ Manche(r) mag sich bei dabei denken: Pressiert ganz langsam…! Auch die Wanderausstellung „Ein Koffer für die letzte Reise“ beschäftigt sich mit dem Unausbleiblichen. Menschen aus allen Gesellschaftsschichten packen bei diesem Kunstprojekt Dinge ein, die ihnen für die Ewigkeit wichtig wären. Hintergrund: Sich zu besinnen auf die Endlichkeit des Lebens.
Das führt uns zum eigentlichen Thema, zu Allerheiligen. Vielleicht erinnern Sie sich: Vor etlichen Jahren wurde der Parkplatz eines Supermarktes in Oberbayern mit Grabsteinen gepflastert. Beim Gang zum Auto konnten die Kunden Fragmente der Namen und Sterbedaten lesen. Das lässt sich gleich in zweierlei Hinsicht als Memento mori deuten. Nicht nur der Mensch ist sterblich – da kann er einkaufen so viel er will –, sondern auch die Erinnerung an ihn.
Der Umgang mit dem Tod und den Toten sagt viel über eine Kultur aus. Die Art der Bestattung hat seit Anbeginn der Menschheit auch mit der Jenseitsvorstellung zu tun. Und die Sache mit dem Koffer für die letzte Reise – will man sie nicht im übertragenen Sinne verstanden wissen – dürfte mittlerweile zum Platzproblem werden, denn: Wenn sich in tausend Jahren Archäologen auf unsere Spuren machen, werden sie auf ein erstaunliches Ergebnis kommen: Irgendwann Anfang des 21. Jahrhunderts hat es in Bayern einen radikalen Kulturwandel gegeben. Immer mehr Menschen werden nicht auf dem Friedhof in einem Sarg bestattet, sondern in Gewerbegebieten verbrannt und ihre Asche dann in Urnenwänden verwahrt.
Fotos: Roswitha Dorfner
Manche sehen darin eine wahre Kulturrevolution. Noch im 20. Jahrhundert definierten Spötter den klassischen Katholiken so: „…einer, der sich nicht verbrennen lassen darf“. Noch 1917 stellte das katholische Kirchenrecht klar: „Einem Gläubigen, der die Verbrennung seines Leichnams anordnet, wird das kirchliche Begräbnis zur Strafe entzogen.“ Erst das Zweite Vatikanische Konzil (1962 – 1965), die große Bischofsversammlung, kippte diese Bestimmung. Das wirbelte manchen Staub auf. „Aber“, so der damalige Münchner Kardinal Julius Döpfner, „die Kirche lebt in der Geschichte, sie muss Antwort geben auf neue Fragen.“ Wie wahr!
Sogar in ländlichen Pfarreien unseres Bistums liegt die Feuerbestattung mitunter bei 90 Prozent. Familiengräber werden alleine schon deshalb weniger, weil es kaum mehr Familien gibt, die über Generationen hinweg an einem Ort wohnen. Der Tod rückt weit weg. Aber, so ganz am Ende, kommt er doch.
Der Tod ist wirklich das Letzte! Für Menschen, die das Leben als unendlichen Optimierungs- und Maximierungsprozess verstehen, ist das Sterben eine besonders große Beleidigung. Expansion als Lebensprinzip, Kapitulation undenkbar. Erst recht vor dem Tod. So ist für Superreiche die Sterblichkeit nur ein weiteres Problem, das es zu überwinden gilt; ihr Daseinswille reicht sozusagen bis in alle Ewigkeit. In einer halb unter der Erde liegenden Kammer des Schreckens bereiten sie sich darauf vor, ihren Körper einfrieren zu lassen, um sich in der Zukunft als verbesserte Version ihrer selbst auftauen zu lassen. Kryokonservierung nennt sich das, eine Art Frankenstein-Labor. Hier warten bei rund minus 200 Grad Celsius eingefrorene Menschen auf ihre Rückführung ins Diesseits. Da können sie wahrscheinlich lange warten.
Zum Schluss ein Koffer-Tipp für die letzte Reise: Wie wär‘s „nur“ mit einem Zettel, auf dem steht: „Ich habe nichts mit in die Welt gebracht, und nehme auch nichts mit – außer der Hoffnung auf das ewige Leben.“