Pfingsten, so scheint mir, wird häufig ein wenig unter Wert verkauft. Dabei ist das Fest eigentlich der Hammer. Man muss sich das mal vorstellen: Mit einem Schlag kapieren die Jünger, wer sie sind und was sie zu tun haben. Der Heilige Geist treibt sie aus den verrammelten Häusern auf die Straße, lässt sie eine unglaubliche Kraft spüren. Sie fühlen jetzt, dass sie es sind, die Gott, seinen Sohn und die Menschen auf der Erde zusammenführen können, dass sie Leben, Wort und Werk Jesu Christi lebendig halten werden. Kein Wunder also, dass die Geburtsstunde der Kirche mit einem gewaltigen Brausen verbunden ist. Ein kluger Mensch hat einmal geschrieben, Pfingsten sei das „Wunder des Grenzen überschreitenden Verstehens, quasi die Anti-Geschichte zum Turmbau zu Babel“, als Gott den Menschen der Bibel zufolge als Strafe für ihren Hochmut verschiedene Sprachen gab.
Es muss ein heftiges Ereignis gewesen sein, das so eine Wirkung entfalten konnte. Schließlich gab es ja noch nichts von dem, was unsere Kirche heute ausmacht: keine Kirchengebäude, keine Gottesdienste wie wir sie heute kennen, keine Pfarrer, keine kirchlichen Kindergärten, keine Pfarrheime oder Ordinariate. Nichts davon. Nur die Gemeinschaft derer, die zum Glauben an Jesus Christus gefunden hatten. Der Heilige Geist ist für uns Christen also zweifellos eine Energiequelle, die ihresgleichen sucht. Dagegen erscheinen selbst die Laserschwerter der Yedi-Ritter aus dem Star Wars-Epos wie schwache Funzeln.
Susanne Haverkamp von der Verlagsgruppe Bistumspresse macht in einem Essay die „unfassbare Beweglichkeit“ als zentrale Eigenschaft der Jünger und Haupteigenschaft der Christen aus. Nur so sei es ihnen möglich gewesen, eherne Gesetze wie die Beschneidung, Speisegesetze oder Opferrituale zu hinterfragen. „Denn schließlich glauben wir an einen dreifaltigen Gott, an einen, der in sich beweglich ist, der eben nicht statisch in sich ruht, sondern flexibel ist, kommunikativ, überraschend“, so Haverkamp.
Die Sehnsucht unter uns Christen ist groß, dass wir wieder etwas von diesem Sturm spüren, dass wir ergriffen und getragen werden, dass wir die Gemeinschaft spüren und aus dem Glauben heraus Dinge anders machen, dass wir die Resignation hinter uns lassen und Spuren in eine bessere Zukunft legen, dass wir Geschichten der Hoffnung mitschreiben, dass wir mit Kreativität und Fantasie Lösungen finden und uns nicht an Problemen festkrallen. Das Pfingstwunder hat die Jünger zu Pionieren des Glaubens gemacht. Lassen wir uns davon anstecken. Wenn jeder von uns das tut, was ihm möglich ist, wächst daraus etwas Großes. Dann wird aus einem lauen Lüftchen ein Brausen, ein Sturm, der die Wolken der Verzagtheit vertreibt.
Wolfgang Krinninger
Chefredakteur