Es hat mir einen kleinen Schrecken versetzt, als ich hörte, dass Maristenpater Wilhelm Tangen zum 1. November eine neue Aufgabe im 800 Kilometer entfernten Meppen in Norddeutschland erhält. Seit 1998 wirkte der 79-jährige Ordensmann nun in Passau. Und in dieser Zeit lernten ihn viele Menschen – nicht nur ich! – als das freundliche Gesicht der Kirche kennen. Mehrmals habe ich ihn als Berichterstatterin ins Passauer Gefängnis in der Theresienstraße begleitet. Denn Wilhelm Tangen war nicht nur Superior der Passauer Maristen, er übt seit 2013 auch das Amt des Seelsorgers in der Passauer Justizvollzugsanstalt aus. Und wenn man ihn bei dieser Seelsorge hinter Gittern erlebte, konnte man feststellen: Da ist einer, der gelernt hat, Menschen und Situationen so anzunehmen, wie sie ihm begegnen, ohne zu verurteilen. Auf Augenhöhe. Den Gefangenen hat er in Gottesdiensten und Einzelgesprächen immer wieder klar gemacht, dass trotz allem, was sie bisher vermasselt haben, weiterhin Türen offenstehen: „Es gibt immer noch die Möglichkeit, in der eigenen Misere etwas zu verändern. Erinnern wir uns daran, wie es besser sein kann und auch wieder besser sein wird!“
Man kann es sich nicht verkneifen zu überlegen, dass Wilhelm Tangen die Gelassenheit, mit der er auf Situationen reagiert, zum Großteil von seinem früheren Wirkungsort mitgebracht hat. Denn der Maristenpater war 25 Jahre als Missionar in Papua-Neuguinea im Einsatz. Die 7,3 Millionen Einwohner dieser Südsee-Insel werden in rund 1000 Stämme mit über 800 Sprachen und Dialekten eingeteilt. Was er an diesem exotischen Einsatzort in über 13.000 Kilometern Entfernung vor allem gelernt hat? Der frühere Missionar: „Die Leute so zu nehmen wie sie sind. Ich konnte mit ihnen aus dem gleichen ‚Fressnapf‘ essen und in den gleichen Hütten sitzen und schlafen. Ich konnte mich auf die Leute einlassen.“
Zu dieser Zeit nur eine kleine Anekdote, die zeigt, wie sehr der Maristenpater damals auf der Insel Bougainville, die zu Papua-Neuguinea gehört, angekommen war: Zu einer Einladung zum Essen hatte er der schwangeren Hausfrau als Geschenk ein Handtuch mitgebracht.
Wilhelm Tangen: „Aus Freude über das Geschenk haben die Eltern beschlossen, wenn es ein Junge wird, ihn nach mir zu benennen, wenn ich es denn erlauben würde. Ich habe mich natürlich sehr darüber gefreut. Das Kind wurde geboren und war ein Junge; bei der Taufe habe ich ihn auf den Namen Wilhelm Tangen getauft!“ Dabei zeigt der ehemalige Missionar ein Foto des kleinen dunkelhäutigen Jungen namens Wilhelm Tangen, der inzwischen schon über 20 Jahre alt ist.
Sein bisheriges Leben teilt Wilhelm Tangen, der 1962 ins Kloster eingetreten ist und 1969 in Meppen (Kreis Emsland) zum Priester geweiht wurde, in drei große Abschnitte ein: Zunächst die Schul- und Studienzeit, dann 25 Jahre Einsatz als Missionar in Papua-Neuguinea und schließlich ab 1998 das Wirken in Passau.
Und nun schickt sich der Ordensmann an zum Sprung in den vierten großen Lebensabschnitt: Zum 1. November tritt der 79-Jährige den Dienst als Superior der Maristengemeinschaft in Meppen, seiner früheren Heimat, an.
In Passau werden sein immer fröhliches Gesicht und sein ansteckendes Lachen künftig fehlen. Genauso seine unkomplizierte und doch einfühlsame Art, sein Pragmatismus und sein mitreißender Humor. Auf die telefonische Anfrage des Bistumsblattes, ob er zu diesem Porträt bereit wäre, meinte er spontan: „Naja, wenn Sie meinen, dass das die Leute interessiert, kommen Sie halt morgen vorbei.“
Und als Reaktion auf die vielen Fragen beim Interview befürchtete er lachend: „…nicht, dass ich auch noch heiliggesprochen werde!“
Der Abschied von Passau fällt ihm nicht leicht und Wilhelm Tangen meint dazu: „Ich bin aber dankbar und überwältigt über die Wertschätzung, die mir entgegengebracht wird, und wenn ich jetzt merke, dass die Leute über den Abschied traurig sind.“
Für die Ordensgemeinschaft der Maristen nimmt Maria einen hohen Stellenwert ein. So ist es auch kein Wunder, dass Pater Wilhelm Tangen sich als Motto für seinen neuen Abschnitt ein Bibelwort über die Gottesmutter ausgesucht hat: „Maria bewahrte alles in ihrem Herzen und dachte darüber nach.“ Wilhelm Tangen: „Erfahrungen, Wissen und Lebenserfahrung will ich im Herzen bewahren und an meinem neuen Wirkungsort dankbar einbringen!“