Ein Kreuz für die Freiheit

Wolfgang Krinninger am 13.05.2019

Gringobike

Auf dem Motorrad die Freiheit zu spüren, das war wichtig, als ich jung war. Und natürlich gute Bücher, Mädchen und Freunde, auf die man sich blind verlassen kann. Aber Politik? Nein. Die nervt, raubt kostbare Zeit und die gute Laune. Nichts für mich.

Und trotz­dem lan­de­te ich auf die­ser Demo, damals, Mit­te der 80er Jah­re, orga­ni­siert von der Katho­li­schen Jugend. Es war ein wenig anders, als man das aus dem Fern­se­hen kann­te. Es gab kei­ne Sprech­chö­re. Und ein paar star­ke Bur­schen an der Spit­ze des Zuges tru­gen ein gro­ßes Kreuz. Das woll­ten wir am Grenz­über­gang Phil­ipps­reut auf­stel­len. Je näher wir der Gren­ze kamen, des­to lei­ser wur­de es im Zug. Jedem war klar: Im Wald, in den Zoll­ge­bäu­den, auf Wach­tür­men sind Leu­te mit Waf­fen pos­tiert. Das wogen­de Wald­meer, zer­schnit­ten von einer Gren­ze, die man auch an den offi­zi­el­len Über­gän­gen nur unter Repres­sa­li­en über­win­den konn­te. Wer nicht muss­te, nahm das nicht auf sich. So blie­ben die da drü­ben die da drü­ben. Fremd. Bedrohlich. 

Nach län­ge­ren Gesprä­chen mit den Grenz­be­am­ten auf der deut­schen Sei­te fand sich schließ­lich ein Platz, an dem wir unser Kreuz auf­stel­len durf­ten: Unser Sym­bol für den Frie­den, unser Hoff­nungs­zei­chen gegen die Rake­ten, die damals Euro­pa bedrohten.

Gringobike

Das Kreuz ist längst ver­rot­tet. Und auch sonst ist dort heu­te nichts mehr, wie es damals war. Wer heu­te bei Phil­ipps­reut die Gren­ze über­quert, merkt wohl nur an den schwer aus­zu­spre­chen­den Namen auf den Orts­schil­dern, dass er in einem ande­ren Land unter­wegs ist. Nach 30 Jah­ren ist das für die meis­ten von uns völ­lig selbst­ver­ständ­lich. Zu selbstverständlich.

Zu vie­le haben ver­ges­sen, dass für unse­re Groß­el­tern ein Euro­pa, in dem man fried­lich zusam­men­lebt und freund­schaft­lich mit­ein­an­der umgeht, unvor­stell­bar war. Zu vie­le erken­nen nicht mehr, was Rei­se­frei­heit, der freie Waren­ver­kehr, der Euro, eine ein­heit­li­che Char­ta der Men­schen­rech­te für jeden Ein­zel­nen bedeu­ten. 500 Mil­lio­nen Men­schen sind nach Jahr­hun­der­ten der Klein­staa­te­rei frei­er als je zuvor. Sie haben die Mög­lich­keit, sich gegen­sei­tig ken­nen­zu­ler­nen. Welch ein Geschenk! Und so ganz neben­bei: Jedes ein­zel­ne Land Euro­pas wäre ohne die EU im glo­ba­len Wett­be­werb völ­lig chancenlos. 

Doch lei­der gehört die Sinn­kri­se zur DNA Euro­pas. In unse­rer Wahr­neh­mung blei­ben nur so manch büro­kra­ti­scher Slap­stick“ (die Schrift­stel­le­rin Sybil­le Lewitschar­off), die Kos­ten, die Migran­ten und die Schwer­fäl­lig­keit hän­gen. Eine Steil­vor­la­ge für klein­geis­ti­ge Ver­ein­fa­cher, um zer­stö­re­ri­sche Bot­schaf­ten unters Volk zu bringen. 

Und des­halb erst recht: Wem die Frei­heit ein hohes Gut ist, wer den Frie­den in Euro­pa auch nach­fol­gen­den Gene­ra­tio­nen erhal­ten will, wer sich ein wer­te­ba­sier­tes, welt­of­fe­nes Euro­pa wünscht, der muss sich wenigs­tens ein klein wenig für Poli­tik inter­es­sie­ren und am 26. Mai zur Wahl gehen. Es geht um unse­re Hei­mat und um unse­re Zukunft.

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