
Eindringliches Gebet am Donaukreuz am Abend des Wahltags
„Wir glauben, dass jeder Gedanke, jedes Wort ins Weltall strömt und wirkt.“ Mit diesen Worten stimmte Marlis Thalhammer vom ökumenischen Aktionskreis „Lebendige Donau“ auf das Februar-Gebet am Donaukreuz in Niederalteich ein. Rund hundert Menschen waren zusammengekommen. Pfarrer Josef Göppinger und Mitglieder des Pfarrgemeinderates aus Regen fanden klare Worte zu einem aktuellen Thema: „Völkischer Nationalismus und Christentum sind unvereinbar.“
Seit nahezu 30 Jahren beten Menschen am Donaukreuz. Anfangs machten sie deutlich, wie elementar wichtig das ungestaute Strömen der Donau für die Auen, den Wasserhaushalt, für die Natur, die letztendlich alles Leben trägt, ist. Aber auch, wie sehr dieses Strömen die spirituellen Saiten in den Menschen zum Klingen bringt, wie sehr dieses Erleben der Großartigkeit und Schönheit der strömenden Donau sie mit der liebenden Kraft Gottes verbindet.
Pfarrer Göppinger drückte das so aus: „In unseren monatlichen Donaugebeten fühlen wir uns dem konziliaren Prozess verpflichtet: Bewahrung der Schöpfung – Frieden – Eine Welt. Unsere Gebete kreisen immer wieder um diese drei Themenfelder.“ Eine Welt, die durch die Globalisierung und weltweite Handelsbeziehungen immer mehr zusammen wachse, in der es aber nicht gelinge, die eklatante Ungleichheit zwischen der südlichen und der nördlichen Halbkugel zu überwinden. Eine Welt, in der sich immer mehr Menschen von rechtspopulistischen oder völkischen Bewegungen ansprechen lassen, in der radikales Denken zu Hass wird – auf Menschen auf Grund ihrer Herkunft, ihrer Hautfarbe, ihrer Religion, ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Identität. Christinnen und Christen dürfen diesen Entwicklungen nicht gleichgültig gegenüberstehen, so der Geistliche. Sie müssen verteidigen, was ihnen heilig sei: die unantastbare Würde des Menschen.
„Die Menschenwürde ist der Glutkern des christlichen Menschenbildes und der Anker unserer Verfassungsordnung. Leisten wir alle Widerstand, wenn Menschenwürde und Menschenrechte in Gefahr geraten! Engagieren wir uns gemeinsam aktiv für die freiheitliche Demokratie!”
Das unterfütterte Göppinger theologisch: Die Schöpfungsgeschichte beschreibt, dass Gott die Menschen nach seinem Bilde gemacht hat, im Buch Levitikus gibt Gott den Auftrag, Fremde nicht zu unterdrücken, sondern zu lieben, wie sich selbst. In seinem Brief an die Galater betont der Apostel Paulus die soziale Gemeinschaft in Christus, unabhängig von der Herkunft. In der Enzyklika „Fratelli Tutti“ (Über die Geschwisterlichkeit und die soziale Freundschaft) zum Gleichnis vom Barmherzigen Samariter schreibt Papst Franziskus, angesichts des großen Leidens in dieser Welt bestehe der einzige Ausweg darin, so zu werden wie der barmherzige Samariter: Sich der Zerbrechlichkeit des anderen anzunehmen, ihn aufzurichten und zu helfen zu laufen, damit das Gute allen zukomme.
So sei das Christentum unvereinbar mit der Ideologie der Rechtsextremen, stellte Göppinger fest. Dort werde die gleiche Würde aller Menschen entweder relativiert oder geleugnet. Die Ideologie spreche niedere Instinkte an, wie Hass, Wut und Vergeltung, sie spreche Minderheiten die Legitimation und das Bleiberecht ab und verweigere denen, die in Not sind, die Solidarität.
Am Abend des Wahltags, der einen deutlichen Rechtsruck gebracht hat, ist am Donauufer eine kleine Gemeinschaft entstanden, die in Worten, Liedern und Gebeten Kraft geschöpft hat – und Vertrauen, trotz allem etwas bewirken zu können in dieser aufgewühlten Stimmung und polarisierten Gesellschaft. Ein Tropfen freundlichen Miteinanders auf den schwelenden Hass und die Hetze in der öffentlichen Debatte.
In den Fürbitten bat die Gemeinde am Donaukreuz um den Mut, entschieden und unbeirrbar die Würde eines jeden Menschen unabhängig von seiner Hautfarbe, seiner Herkunft, seiner politischen oder religiösen Überzeugung oder seiner sexuellen Orientierung zu verteidigen.
Bereits im Februar 2024 haben die deutschen Bischöfe aufgerufen: „Die Menschenwürde ist der Glutkern des christlichen Menschenbildes und der Anker unserer Verfassungsordnung. Leisten wir alle Widerstand, wenn Menschenwürde und Menschenrechte in Gefahr geraten! Engagieren wir uns gemeinsam aktiv für die freiheitliche Demokratie!“
Gestärkt gingen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihrer Wege in einen Abend, an dem Licht der untergehenden Sonne im Fluss und im Wolkenmeer schimmerte. Sie erinnerten sich daran, dass es den Freundinnen der freifließenden Donau mit vielen Gleichgesinnten und kreativen Aktionen gelungen ist, Staustufen an diesem Abschnitt zu verhindern. Aus dem Herzblut einzelner Frauen ist im Gebet ein kraftvoller Strom geworden.
Text und Foto: Hannelore Summer