Weltkirche

„Damit alle gut leben können“

Redaktion am 21.10.2024

2024 10 21 pb alb gv ederer Foto: Stefanie Hintermayr / pbp
„Bauern sollen nicht Bittsteller sein, sondern gerecht bezahlte Partner“, sagt Generalvikar Josef Ederer, der selbst aus der Landwirtschaft stammt. Er hat sich intensiv mit dem Papier der Deutschen Bischofskonferenz beschäftigt, das für einige Aufregung gesorgt hat.

Generalvikar Josef Ederer äußert sich bei Diözesanratsvollversammlung zu umstrittenem Landwirtschafts-Papier der Bischofskonferenz.

Er hat man­cher­orts für gro­ße Auf­re­gung gesorgt in den letz­ten Wochen: ein Text unter dem Titel Ernäh­rungs­si­cher­heit, Kli­ma­schutz und Bio­di­ver­si­tät: Ethi­sche Per­spek­ti­ven für die glo­ba­le Land­nut­zung“. Her­aus­ge­ge­ben hat ihn die Sach­ver­stän­di­gen­grup­pe Welt­wirt­schaft und Sozi­al­ethik“ der Deut­schen Bischofs­kon­fe­renz. Eini­ge Aus­schnit­te, Bruch­stü­cke und The­sen aus der knapp 70-sei­ti­gen Ana­ly­se haben Kri­tik in Tei­len der Land­wirt­schaft aus­ge­löst. Die Dis­kus­sio­nen über­schat­te­ten auch die jüngs­ten Ern­te­dank­fei­ern in man­chen Pfar­rei­en. Der eine oder ande­re Land­wirt droh­te gar mit Kirchenaustritt.

Der Pas­sau­er Gene­ral­vi­kar Josef Ede­rer hat im Rah­men der jüngs­ten Voll­ver­samm­lung des Pas­sau­er Diö­ze­san­rats in einer per­sön­li­chen Erklä­rung sei­ne Sicht dazu prä­sen­tiert. Ganz kann er nach aus­führ­li­cher Lek­tü­re des Papiers die Auf­re­gung man­cher­orts nicht ver­ste­hen. Es sind ein paar Punk­te ange­spro­chen wor­den, die man natür­lich ent­spre­chend auf­neh­men und in den fal­schen Hals krie­gen kann“, meint er. Aber: In der Stu­die gehe es um Ernäh­rungs­si­cher­heit, um Kli­ma­schutz und Bio­di­ver­si­tät, um ethi­sche Per­spek­ti­ven für die glo­ba­le Land­nut­zung“. Urchrist­li­che und katho­li­sche Anlie­gen also. Es sei auch kein spe­zi­el­ler Text für die deut­sche Land­wirt­schaft oder die baye­ri­sche“. Es gehe um ein glo­ba­les Ver­ständ­nis von Wirt­schaft, von Land­wirt­schaft, vom Umgang mit­ein­an­der“. Die Autoren hät­ten die Grund­fra­ge gestellt: Was muss pas­sie­ren, damit ein gutes Leben für alle auf der Erde mög­lich ist?“ Und dazu gehö­re auch die Fra­ge nach der glo­ba­len Land­nut­zung. Wenn ich man­chen Regen­wald anschaue. Da wird was ver­nich­tet, was uns irgend­wann viel­leicht die Luft abdreht“, beschreibt er in sei­nen Wor­ten ein Anlie­gen des Textes. 

Ede­rer wen­det sich mit Zita­ten aus dem Text an die Land­wir­te, die sich durch ver­öf­fent­lich­te Bruch­stü­cke ange­grif­fen fühl­ten. So stel­le das Papier auf Sei­te 62 die hohe Aner­ken­nung und das Ver­ständ­nis für die Land­wirt­schaft her­aus. Genau dar­um gehe es in die­ser Stu­die. Ver­wie­sen wird auf die über­durch­schnitt­lich hohe psy­chi­sche Belas­tung für vie­le Land­wir­te, ins­be­son­de­re in Fami­li­en­be­trie­ben“, ver­ur­sacht durch zuneh­men­de Unsi­cher­hei­ten, bezo­gen auf Prei­se und För­der­pro­gram­me sowie Regu­lie­rung und Hof­nach­fol­ge“. Dazu kämen oft uner­füll­ba­re gesell­schaft­li­che Erwar­tun­gen“ und damit ein­her­ge­hen­de Span­nun­gen und Vorwürfe.

2024 10 21 pb alb landwirtschaft zukunft Foto: Adobe Stock
Was muss passieren, damit ein gutes Leben für alle auf der Erde möglich ist? Dazu gehöre auch die Frage nach der globalen Landnutzung, stellt Generalvikar Josef Ederer fest – ebenso wie die Anerkennung der Leistung der Landwirte.

Das Papier spre­che auch die hohe see­li­sche Belas­tung“ der Land­wir­te an. Es brau­che mehr Hilfs­an­ge­bo­te, wird gefor­dert. Das Gefühl gesell­schaft­li­cher Iso­la­ti­on betrifft beson­ders Fami­li­en­be­trie­be mit ihrer hohen zeit­li­chen Arbeits­be­las­tung, in denen die Schul­den­last intern wei­ter­ge­ge­ben wird“, heißt es wei­ter. Ede­rer: Die Stu­die stellt fest, dass auch der kul­tu­rel­le und wirt­schaft­li­che Bei­trag der Bau­ern, der Bäue­rin­nen, oft zu wenig aner­kannt wur­de und wird.“ Län­ge­re Pas­sa­gen wid­me die Ana­ly­se auch dem Bei­trag der Frau­en, der Bäue­rin­nen, zur Nahrungsmittelproduktion. 

Die Fach­leu­te wür­dig­ten die Land­wirt­schaft als Berufs­stand, dem wie kei­nem zwei­ten die­se treu­hän­de­ri­sche Auf­ga­be obliegt, die Natur zu pfle­gen, das Land zu bewirt­schaf­ten“. Dar­aus folgt: Für das Bereit­stel­len von gemein­wohl­ori­en­tier­ten Leis­tun­gen ver­die­nen die Land­wir­te unse­re gesell­schaft­li­che Aner­ken­nung und Unter­stüt­zung, kon­kret eine ange­mes­se­ne finan­zi­el­le Hono­rie­rung.“ Als Aner­ken­nung dafür, dass sie das gemein­sa­me Natur­ka­pi­tal schüt­zen und bewah­ren“. Es gehe da nicht um Almo­sen, betont Josef Ede­rer. Jeder möch­te ja ehr­lich und wert­schät­zend bezahlt wer­den, für den Dienst, den sie oder er für die Gesell­schaft durch­füh­ren. Und da tut die Land­wirt­schaft sehr viel.“ Das sol­le hono­riert werden.

Vie­les ist drin, was über­le­gens­wert und umset­zungs­not­wen­dig ist, wenn gutes Leben für alle mög­lich sein soll.”

Generalvikar Josef Ederer zur Studie „Ernährungssicherheit, Klimaschutz und Biodiversität: Ethische Perspektiven für die globale Landnutzung“

Beim The­ma Sub­ven­tio­nen for­dert das Papier laut Ede­rer, davon weg­zu­kom­men, flä­chen­de­ckend für alles Sub­ven­tio­nen aus­zu­streu­en. son­dern beson­ders dort zu stär­ken, wo ein gemein­wohl­ori­en­tier­ter Dienst geschieht, der auch Aner­ken­nung durch Bezah­lung ver­dient“. Das sei ein ganz wich­ti­ger Punkt. Er stam­me sel­ber aus der Land­wirt­schaft, ergänzt der Gene­ral­vi­kar in sei­ner Anspra­che. Mein Bru­der, der möch­te nicht irgend­wie Geschen­ke, der möch­te einen fai­ren Preis für die Din­ge, die er erar­bei­tet, und für die Din­ge, die er pro­du­ziert.“ Das sei ein kla­res Anlie­gen, das auch in der Ana­ly­se for­mu­liert sei. Die Bau­ern sol­len nicht Bitt­stel­ler sein, son­dern gerecht bezahl­te Partner.“ 

Die Fach­leu­te spre­chen noch wei­te­re Berei­che für eine glo­ba­le Land­wirt­schaft an. Das sei das The­ma Humus­auf­bau für das Spei­chern von CO2, und vie­le ande­re Details. 

Die Her­aus­ge­ber habe das Echo über­rascht, berich­te­te Gene­ral­vi­kar Josef Ede­rer. Der Grund für die Über­ra­schung: Es ste­he im wesent­li­chen nichts Neu­es drin.“ Vie­les davon sei schon in Tex­ten ver­öf­fent­licht, wel­che die Kir­che mit dem Bau­ern­ver­band erar­bei­tet habe. Natür­lich sei­en ein paar Reiz­wor­te“ drin­nen, so vie­le und so gro­ße aber auch nicht“. Beim The­ma Ent­eig­nung wer­de ein Bei­spiel genannt im Rah­men einer Rena­tu­rie­rung von Auen und Moo­ren. Hier könn­te im Ein­zel­fall auch das Frei­wil­lig­keits­prin­zip der teil­neh­men­den Land­be­sit­zer in Fra­ge gestellt wer­den“, heißt es im Papier. Aber auch das sei kei­ne neue Erkennt­nis, fährt Ede­rer fort. Das ken­ne man bei jedem Auto­bahn­bau. Da gehe es um die Abwä­gung des Gemein­wohls. Nichts steht drin davon, dass alle ent­eig­net wür­den“, stellt er klar. Wei­te­re The­men sei­en nach­hal­ti­ges Bewirt­schaf­ten des Bodens, der Ein­satz von Dün­ge­mit­teln und alle mög­li­chen Pro­ble­me, die damit zusammenhängen. 

Aber auch hier: Da geht es nicht spe­zi­ell um unse­re Land­wirt­schaft hier in Bay­ern, son­dern um ein glo­ba­les The­ma.“ Nach Aus­sa­ge des Papiers wer­de es welt­weit wohl mehr Hybrid­lö­sun­gen geben müs­sen, wel­che die Vor­tei­le kon­ven­tio­nel­ler und öko­lo­gi­scher Land­wirt­schafts-Prak­ti­ken kombinierten.

Das Fazit des Gene­ral­vi­kars zur Stu­die: Vie­les ist drin, was über­le­gens­wert und umset­zungs­not­wen­dig ist, wenn gutes Leben für alle mög­lich sein soll.“ In unter­schied­li­chen For­ma­ten wol­le das Bis­tum in den nächs­ten Mona­ten mit Inter­es­sier­ten und Betrof­fe­nen über die Stu­die ins Gespräch kom­men. Er bit­tet auch dar­um, das Papier kri­tisch zu lesen, aber über­haupt mal zu lesen.

Text: Mar­tin Riedlaicher

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