Schulleiter Andreas Rohbogner begrüßte unter den Anwesenden in der gut gefüllten Aula auch viele Schülerinnen und Schüler der oberen Jahrgangsstufen. Das Thema „assistierter Suizid“, das auch im katholischen Religionsunterricht ab der 9. Klasse behandelt werde, sei „gesellschaftlich relevant, rührt uns an und polarisiert“, stellte er fest.
Pastoralreferent Dieter Schwibach, der den Abend organisiert hatte und auch moderierte, stellte mit Prof. Dr. Johannes Brantl, Professor für Moraltheologie in Trier, Dr. Heidi Massinger-Biebl, Gynäkologin, Onkologin und Palliativmedizinerin in Waldkirchen, und Prof. Dr. Holm Putzke, Professor für Strafrecht in Passau, drei hochkarätige Gesprächspartner vor. In einer Podiumsdiskussion zeigten sie die verschiedenen rechtlichen, ethischen und praktischen Aspekte des Themas auf.
Prof. Putzke erläuterte zum rechtlichen Hintergrund, dass das Bundesverfassungsgericht 2020 das Recht des Einzelnen auf ein selbstbestimmtes Sterben festgestellt und den § 217 des Strafgesetzbuches, der seit 2015 die „geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung“ unter Strafe stellte, wieder aufgehoben hat. Damit wurde es Sterbehilfevereinen wieder möglich, regelmäßig und aktiv Sterbewilligen Hilfe bei der Selbsttötung zu leisten, etwa durch Beschaffung entsprechender Substanzen. Bis heute hat der Bundestag dazu keine Neuregelung gefunden.
„Es ist keine ärztliche Aufgabe an, vom Lebens- zum Todeshelfer zu werden.”
„In dem Urteil wird die Freiheit hochstilisiert“, fand Prof. Brantl. Das selbstbestimmte Wesen des Menschen gehöre zwar zur göttlichen Ebenbildlichkeit. In der Praxis sei die Entscheidung zur Selbsttötung jedoch eine „vulnerable“, beeinflusst etwa von Ängsten oder Einsamkeit. Dr. Massinger-Biebl, die im Jahr etwa 300 Palliativpatienten begleitet, bestätigte dies. Es herrsche selten völlige Klarheit bei den Betroffenen, diese wollten eher nicht mehr „so“ leben.
Prof. Putzke wies auf das Menschenbild des Grundgesetzes hin, das im Rahmen der Selbstbestimmung völlige Freiheit lasse, das Leben nach eigenem Willen zu gestalten oder auch zu ruinieren. Der von Dr. Massinger-Biebl angesprochenen palliativen Sterbebegleitung setzte Putzke entgegen, dass ein Betroffener auch die Möglichkeit haben müsse, auf dieses Angebot zu verzichten und seinem Leben früher ein Ende zu setzen. Einigkeit herrschte bei den Referenten über das Erfordernis von Qualitätssicherungsmaßnahmen bei den Sterbehelfern.
Prof. Brantl zitierte aus einer aktuellen Studie der Ludwigs-Maximilian-Universität München, wonach in es im praktischen Ablauf der Sterbehilfe wenig Kontrolle oder Schutzmechanismen gebe. Er und Dr. Massinger-Biebl wiesen auf Fragestellungen hin, dass Patienten etwa „hochbetagt oder chronisch krank, aber lebensfähig“ seien, ihr tatsächlicher Sterbewille in ihrer „täglichen Ambivalenz“ kaum überprüfbar sei oder mit der gesellschaftlichen Etablierung der Sterbehilfe die Gefahr einer gewisse Erwartungshaltung bei den Angehörigen entstünde, im Sinn von „Tu’s halt endlich“. Prof. Putzke entgegnete dem, dass es „solche Fälle jetzt schon“ gäbe. Professionelle Hilfe würde hier eher schützen.
Was Bischof Stefan Oster über den assistierten Suizid sagt
Nach einer kurzen Pause, die Dr. Karl-Bernhard Silber mit Klaviermusik untermalte, beantworteten die Referenten Fragen aus dem Publikum. Prof. Brantl reagierte auf die Feststellung eines Besuchers, dass Suizid aus theologischer Sicht Sünde sei. „Früher wurde Selbstmord als Auflehnung gegenüber Gott als Eigentümer unseres Lebens angesehen“, sagte er. Heute habe bei der Moraltheologie ein „deutliches Einsehen und ein Lernprozess“ stattgefunden. Die Perspektive müsse sein, Betroffene und Angehörige zu unterstützen.
Zum Problem der „Autonomie nach innen“ antwortete Prof. Putzke, wo Betroffene nicht mehr autonom seien, etwa bei einer Depression oder Demenzerkrankung, müssten Fachleute wie Ärzte oder Psychologen hinzugezogen werden, die dies, anders als ein Laie, erkennen und Betroffene von der Sterbehilfe auch ausschließen könnten.
Prof. Brantl sah es nicht als ärztliche Aufgabe an, „vom Lebens- zum Todeshelfer zu werden.“ Er sah Auswirkungen auf das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient. Schließlich stellten er und Dr. Massinger-Biedl den Unterschied von palliativer Sedierung und aktiver Sterbehilfe klar. Das Wohl des Patienten könne zu Verläufen führen, bei denen man von kurativer zu palliativer Versorgung wechsle. „Auch Papst Johannes Paul II. habe festgestellt, dass ‚therapeutischer Übereifer‘ nicht im Sinne des Patienten ist“, sagte Brantl.
Am Ende des Gesprächsabends dankten Schwibach und Mitveranstalter Domkapitular Dr. Wolfgang Schneider den Referenten und Schulleiter Rohbogner stellvertretend für dessen Team für die Organisation und den „Stoff zum Nachdenken“.
Text: Harald Hampel