Es gibt nichts Gutes, außer man tut es!“ – Diesen Satz könnte man als das Lebensmotto von Antonie Lindner bezeichnen. Die 52-jährige Sparkassenangestellte aus Postmünster verbringt seit 17 Jahren jährlich ihren Urlaub in verschiedenen Entwicklungsländern, um dort als Missionarin auf Zeit zu arbeiten.
Damals reiste Antonie Lindner nach ihrer Ausbildung zur Yoga-Lehrerin alleine mit dem Rucksack nach Indien, eigentlich nur, um das Land kennenzulernen. „Doch was ich dort sah, veränderte mein Leben“, denkt sie an dieses Schlüsselerlebnis in den Bergdörfern zurück. Die extreme Not der Menschen habe sie sehr betroffen gemacht. Und so fing sie an, Jahr für Jahr Spenden zu sammeln und nach Indien zu fliegen, um dort der notleidenden Bevölkerung zu helfen.
Nach Jahren wechselte sie das Land, reiste nach Afrika/Uganda, um im Jesuitenkloster „Missionaries of the Poor“ die Mönche bei der Betreuung von körperlich/geistig behinderten Straßen- und Slumkindern zu unterstützen. „Die dort lebenden Mönche leisten eine wunderbare Arbeit für die beeinträchtigten Straßen- und Slumkinder, die sonst keinerlei Überlebenschancen hätten“, resümiert Lindner. Zunächst habe ihr der Atem gestockt angesichts dieser Herausforderung: „In der Größe einer Turnhalle stand ein Bett hinter dem anderen. Das laute Gekreische der Kinder, dieser Anblick, wie sie mit den Köpfen gegen das Bettgestell schlugen, traf mich ins Mark. Blinde, Spastiker sowie gelähmte und völlig hilflose Kinder lagen auf kaputten Matratzen oder wälzten sich auf dem Boden.“ Und dann wurde sie eingewiesen und habe eben mitgeholfen: Zum Beispiel bei der Morgenhygiene, beim Kleiderwechsel, Frühstückseingabe, Reinigung der durchnässten Matratzen im Freien sowie der Toiletten und des Vorraums auf der Terrasse, Vorbereitung und Eingabe des Mittagessens. Oft hätten die Kinder während der Essenseingabe epileptische Anfälle erlitten. „Ein knochenharter Job, den die jungen Mönche Tag für Tag mit bedingungsloser Nächstenliebe erledigen“, denkt die engagierte Helferin zurück. Und das habe sie angesteckt.
Als 2015 das verheerende Erdbeben in Nepal ausbrach, reiste sie unverzüglich dorthin, um beim Wiederaufbau mitzuhelfen. Und so folgten weitere Reisen nach Nepal, um mit den gesammelten Spenden den Menschen in den Bergdörfern Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten. „In all den Jahren habe ich bereits ganz alleine rund 120 000 Euro als Spenden eingenommen“, zieht Antonie Lindner Bilanz. „Alle anfallenden Kosten für Flug und Unterkunft zahle ich aber aus meiner eigenen Tasche, opfere für die Reise auch meinen Urlaub und nehme unvorhergesehene Strapazen in Kauf.“ Auf die Frage, was sie in Nepals Bergdörfern bereits erreicht hat, zählt Antonie Lindner auf: „Eine ganze Menge konnte ich in den letzten Jahren verwirklichen. Dazu zählen der Bau einer Blindenschule nach dem Erdbeben sowie der Bau eines Geburtshauses, die Installation von Solarlichtanlagen. der Kauf von Ziegen und Hühnern, Kleidung und Decken, Hygiene- und Gesundheitsartikeln, Arzneimitteln, Handwerkszeug und Winterkleidung für Schulkinder. Aber auch die Finanzierung von zahlreichen Operationen von Frauen bezüglich der Gebärmuttersenkung.“ Fünfmal sei sie inzwischen in den Bergdörfern in Nepal gewesen, um vor Ort zu helfen, mitzuarbeiten und auch alles zu begutachten, was mit den Spendengeldern gemacht wurde, „denn in den Bergdörfern ist die Armut am größten.“
„Nächstenliebe ist die Essenz des Lebens.”
Was sie dabei am meisten erschüttert hat? Antonie Lindner: „Dass aufgrund einer Geisterfurcht in den Bergdörfern Nepals die Frauen ihre Babys in einem stinkenden Kuhstall oder im Wald bei eisiger Kälte zur Welt bringen und danach noch 20 Tage draußen verharren müssen. Dies gilt auch während ihrer Menstruation. Hintergrund ist, dass kein Blut im Haus sein darf, wo eine Gottheit steht. Und in jedem Haus steht eine Gottheit. Die Sterblichkeitsrate bei den Müttern und den Neugeborenen ist daher sehr hoch.“ Die Frauen und Kinder liegen ihr besonders am Herzen und die gegenwärtige Situation findet sie „absolut menschenunwürdig“. Lindner betroffen: „Unvorstellbar, dass es sowas in der heutigen Zeit noch gibt!“
Doch natürlich gebe es auch unzählige Glücksmomente und Erfolgserlebnisse, meint sie – und zwar im Kleinen wie im Großen: „Mit der Installation von Solarzellen hatten die Nepalis Licht in ihrem Haus, was für die Bewohner revolutionär war. Aber genauso der Bau des Geburtshauses, wo die Frauen ihre Babys würdevoll auf die Welt bringen können und während der Geburt einen sicheren Platz haben, betreut von Hebammen und Ärzten, die aus Kathmandu kommen. Oder auch das Ermöglichen von schwerwiegenden Operationen bei Kindern und Frauen, die sonst keine Perspektive im Leben hätten.“
Auf die Frage, warum sie das alles macht, antwortet die Rottalerin: „Glauben Sie mir, das stand vor 17 Jahren nicht auf meiner Agenda. Der Weg führte von der abenteuerlichen Rucksacktouristin, die alleine durch ganz Europa reiste, zur Entwicklungshelferin bei den Ärmsten der Armen. Es war lediglich dieser eine Augenblick in einem Bergdorf in Indien, der mich dazu gebracht hat, wieder zu kommen und diesen Menschen zu helfen. Denn wer diese Armut leibhaftig gesehen hat, den lassen die Bilder nie wieder los.“
Nach jeder Reise komme sie innerlich reicher zurück und das macht schon was mit einem, ist Antonie Lindner überzeugt. Die Katholikin ist sehr dankbar für diese Erfahrungen, sich für Arme und Benachteiligte einsetzen zu können. Und so freut sie sich, wenn es wieder losgeht mit der nächsten Reise nach Nepal. Geplant ist das für November 2022. Vorgenommen hat sie sich dafür den Bau eines weiteren Geburtshauses in dem Bergdorf Mugu in Zusammenarbeit mit der Organisation „Back-to-Life e.V.“
Die Pandemie hat auch Lindner einen Strich durch die Rechnung gemacht, denn sie konnte nicht wie geplant nach Nepal fliegen. Auch der Vortrag mit dem Extremsportler Alexander Huber wurde abgesagt, der sie bei ihren Projektarbeiten unterstützen wollte. Aber von diesen Schwierigkeiten will sie sich nicht ausbremsen lassen, denn gerade die Ärmsten der Armen leiden unter den Auswirkungen der Pandemie besonders stark, berichtet Antonie Lindner: „Natürlich helfe ich weiterhin unabhängig von der Situation dort im Land und sammle Spenden. Und so geht mein Einsatz für die Ärmsten der Armen weiter, egal ob ich vor Ort bin oder nicht. Vor allem letztes Jahr mit dem Lockdown konnten wir mit den gesammelten Spenden den Bau von Gewächshäusern oder der Wasserversorgung als Hilfe zur Selbsthilfe beisteuern.“
Ob sie nicht einmal Lust verspürt, einen ganz normalen Erholungs-Urlaub am Meer oder in den Bergen zu verbringen? Da winkt Antonie Lindner ab: „Nein, das verspüre ich nicht. Ich habe das Privileg, sehr ländlich zu wohnen, da kann ich mich gut erholen und auftanken. Ansonsten mache ich Städtetouren, Spaziergänge, mag gute Gespräche in netter Runde, meditiere oder treibe Sport. Genauso genieße ich auch Ruhe und freie Zeit für mich.“
Antonie Lindner betont: „Ich möchte immer Neues kennenlernen, bin neugierig darauf. Einmal sagte ein Pater zu mir: Das Leben ist wie ein gemischter Salat, den man richtig zubereiten und würzen muss!“
Für die Zukunft wünscht sich Antonie Lindner „natürlich Gesundheit. Aber auch weiterhin den Mut und die Energie für diverse Projekte bei den Ärmsten der Armen, egal, wo auch immer auf dieser Welt! Und dass ich immer wieder gesund nach Hause komme.“
Ursula Friedenberger
Projekt 2022: Weiteres Geburtshaus – Antonie Lindner sammelt dafür Spenden
„Eigentlich sollten wir Menschen uns fragen: Was habe ich für andere, wirklich bitterarme Menschen getan“, überlegt Antonie Lindner. Sie hat schon eine Menge getan – und will weiter helfen. Ihr Projekt für 2022 ist ein weiteres Geburtshaus in dem Bergdorf Mugu in Nepal in Zusammenarbeit mit der Organisation „Back-to-Life e.V.“ Bisher ist es so, dass aufgrund einer Geisterfurcht die Frauen dort ihre Babys in einem Kuhstall oder im Wald bei eisiger Kälte zur Welt bringen müssen. Die Sterblichkeitsrate bei Müttern und Neugeboren ist daher sehr hoch. Ein Geburtshaus soll Abhilfe schaffen. Spenden und Antonie Lindner bei ihrer Arbeit unterstützen kann man auf das Konto DE75 7435 1430 0010 4202 22, Sparkasse Rottal-Inn, unter dem Verwendungszweck „Geburtshaus in Nepal“. (Wichtig: Bitte Adresse wegen der Spendenquittung bei Verwendungszweck angeben). Kontakt unter antonielindner@gmx.de
Die Entwicklungshelferin aus Postmünster hofft: „Für meine Arbeit wünsche ich mir, dass mit unserer Unterstützung bei den Projekten sich die Ärmsten der Armen selbst helfen können.“