Kirche vor Ort

Mit Wattestäbchen gegen den Kerzenruß

Redaktion am 12.09.2022

2022 09 12 pb alb gnadenkapelle reinigung hochaltar1 Foto: Roswitha Dorfner
Mit Wattestäbchen gegen den Kerzenruß: Restaurator Stephan Rudolph und Wallfahrtsrektor Prälat Klaus Metzl vor dem Altar in der Gnadenkapelle.

Der Hochaltar in der Gnadenkapelle ist ein barockes Meisterwerk, durch nahezu ununterbrochenem Kerzenbrand aber einer ständigen Belastung ausgesetzt. Nach rund 24 Jahren wurde er nun wieder umfassend gereinigt. Außerdem wurde im Zuge der Renovierung der Gnadenkapelle Überraschendes über das Langhaus bekannt.

Wer beim Haus­putz die Ecken und Zwi­schen­räu­me fürch­tet, der soll­te bes­ser nicht Restau­ra­tor wer­den. Die­se Arbeit erfor­dert sehr viel Geduld und Fin­ger­spit­zen­ge­fühl: Wir haben hier alles mit Wat­te­stäb­chen durch­ge­ar­bei­tet“, erzählt Ste­phan Rudolph aus Ger­me­ring. Zwei Wochen lang haben er und sein Kol­le­ge Joa­chim Böhm den Gna­den­al­tar gesäu­bert. Und wer die­sen schon ein­mal genau­er beob­ach­tet hat, der weiß: da gibt es nicht vie­le glat­te Stel­len, wo man mal schnell drü­ber­wi­schen könn­te. Statt­des­sen sind dort vie­le fili­gran gear­bei­te­te Figu­ren, Halb­fi­gu­ren, Wol­ken, Äste und Blät­ter zu sehen; ein ganz in Sil­ber getrie­be­ner und zu einem nicht gerin­gen Teil (Feuer-)vergoldeter Schmuck, an dem sich im Lau­fe der Jah­re jedoch schwar­zer Ker­zen­ruß breit gemacht hatte.

Die­ser ist nun wie­der weg, die ent­spre­chen­den Stel­len wur­den gerei­nigt und mit dem glei­chen Lack geschlos­sen, der schon bei der letz­ten gro­ßen Rei­ni­gung 1997/98 ver­wen­det wor­den war. Ste­phan Rudolph betont: Wir haben nur par­ti­ell ein­ge­grif­fen und unnö­ti­gen Stress gegen­über den Objek­ten ver­mie­den. Ins­ge­samt ist der Altar in einem sehr guten Zustand.“ Als ein­zi­ge grö­ße­re“ Maß­nah­me erwähnt der Restau­ra­tor ein feh­len­des Blatt, das er ergän­zen muss­te – mit einer ein­gra­vier­ten Datie­rung ver­se­hen hat er es aller­dings nur auf­ge­steckt, sodass es leicht wie­der zu erset­zen wäre.

2022 09 12 pb alb gnadenkapelle reinigung hochaltar2 Foto: Roswitha Dorfner
Umfassend gereinigt: Restaurator Stephan Rudolph und Wallfahrtsrektor Prälat Klaus Metzl vor dem Altar in der Gnadenkapelle.

Das Blatt befin­det sich am Stamm­baum Jesu, genau­er gesagt an der Wur­zel Jes­se aus 14 sil­ber­nen Halb­fi­gu­ren an den Sei­ten­wän­den der Altar­ni­sche. Die Figu­ren­wand über dem Schau­kas­ten, wo nor­ma­ler­wei­se das Gna­den­bild steht, zeigt die gött­li­che Drei­fal­tig­keit und dar­un­ter Engel auf Wol­ken. Ein­gra­vier­te Meis­ter­mar­ken mit den Initia­len der Künst­ler zei­gen, wer für das Kunst­werk ver­ant­wort­lich ist. FO“ am Stamm­baum etwa steht für den kur­fürst­li­chen Hof­gold­schmied Franz Oxner († 1697). Außer­dem betei­ligt war Bal­tha­sar Ableit­h­ner († 1705), einer der bedeu­tends­ten Bild­hau­er des Hoch­ba­rock und Hof­bild­hau­er am kur­fürst­lich baye­ri­schen Hof. An einer Wol­ke befin­det sich ein F“, das wahr­schein­lich für den Augs­bur­ger Gold­schmied (Johann F.) Fesen­mayr steht.

Impressionen

Die ers­ten drei Fotos zei­gen Details des Hoch­al­tars in der Gna­den­ka­pel­le; das vier­te Foto den Zen­ti­me­ter dicken schwar­zen Stuck-Mar­mor im Okto­gon der Kapelle.

Fotos: Ros­wi­tha Dorfner

Der Altar stammt aus dem Jahr 1670 und ist ein Werk des Barock. Laut Ste­phan Rudolph gilt das jedoch nicht für den Schau­kas­ten. Die­sen schätzt er rund 80 bis 90 Jah­re älter ein, denn im Gegen­satz zum Altar selbst habe er klas­si­sche Renais­sance-Ver­zie­run­gen und auch der Meis­ter sei ein ande­rer. Genau fest­le­gen möch­te er sich hier aber nicht: Das müs­se man sich noch­mal genau­er anse­hen, sagt er.

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Gnadenkapelle: Blick auf eine schwarz übermalte Rosette im Deckengewölbe des Langhauses.

Über eine wei­te­re Über­ra­schung infor­miert Wall­fahrts­rek­tor Prä­lat Klaus Metzl beim Gang durch das Lang­haus. Wäh­rend das viel älte­re Okto­gon aus Zen­ti­me­ter dickem schwar­zem Stuck-Mar­mor bestehe und daher dun­kel geprägt ist, gilt das nicht für das Ende des 15. Jahr­hun­derts gebau­te Lang­haus: Das war frü­her hell“ und sei erst in den 1920er-Jah­ren mit einer schwar­zen Ölfar­be über­malt wor­den, stellt Metzl fest – gut zu erken­nen an über­mal­ten Roset­ten im Decken­ge­wöl­be. Eine Ent­de­ckung im Zuge der Reno­vie­rung, die jedoch kei­ne Fol­gen haben wird: die Fra­ge, ob das Lang­haus wie­der in sei­nen ursprüng­li­chen Zustand zurück­ver­setzt wer­den soll­te, ver­neint der Wall­fahrts­rek­tor. Dies sei nicht ver­mit­tel­bar, denn die Leu­te hät­ten sich an die ins­ge­samt dun­kel gehal­te­ne Kapel­le gewöhnt.

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Gnadenkapelle: Blick auf eine Darstellung der Wurzel Jesse an der Seitenwand des Hochaltars.

Umso mehr freut sich Metzl über den frisch gerei­nig­ten Altar: Vie­len Dank! Er ist wirk­lich wun­der­schön gewor­den“, sagt er an die bei­den Restau­ra­teu­re gewandt. Bald wer­den die­sen auch Besu­cher begut­ach­ten kön­nen: die fei­er­li­che Wie­der­eröff­nung der Gna­den­ka­pel­le ist für Ende Okto­ber geplant.

Michael Glass

Michael Glaß

Redakteur

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