Der Hochaltar in der Gnadenkapelle ist ein barockes Meisterwerk, durch nahezu ununterbrochenem Kerzenbrand aber einer ständigen Belastung ausgesetzt. Nach rund 24 Jahren wurde er nun wieder umfassend gereinigt. Außerdem wurde im Zuge der Renovierung der Gnadenkapelle Überraschendes über das Langhaus bekannt.
Wer beim Hausputz die Ecken und Zwischenräume fürchtet, der sollte besser nicht Restaurator werden. Diese Arbeit erfordert sehr viel Geduld und Fingerspitzengefühl: „Wir haben hier alles mit Wattestäbchen durchgearbeitet“, erzählt Stephan Rudolph aus Germering. Zwei Wochen lang haben er und sein Kollege Joachim Böhm den Gnadenaltar gesäubert. Und wer diesen schon einmal genauer beobachtet hat, der weiß: da gibt es nicht viele glatte Stellen, wo man mal schnell drüberwischen könnte. Stattdessen sind dort viele filigran gearbeitete Figuren, Halbfiguren, Wolken, Äste und Blätter zu sehen; ein ganz in Silber getriebener und zu einem nicht geringen Teil (Feuer-)vergoldeter Schmuck, an dem sich im Laufe der Jahre jedoch schwarzer Kerzenruß breit gemacht hatte.
Dieser ist nun wieder weg, die entsprechenden Stellen wurden gereinigt und mit dem gleichen Lack geschlossen, der schon bei der letzten großen Reinigung 1997/98 verwendet worden war. Stephan Rudolph betont: „Wir haben nur partiell eingegriffen und unnötigen Stress gegenüber den Objekten vermieden. Insgesamt ist der Altar in einem sehr guten Zustand.“ Als einzige „größere“ Maßnahme erwähnt der Restaurator ein fehlendes Blatt, das er ergänzen musste – mit einer eingravierten Datierung versehen hat er es allerdings nur aufgesteckt, sodass es leicht wieder zu ersetzen wäre.
Das Blatt befindet sich am Stammbaum Jesu, genauer gesagt an der Wurzel Jesse aus 14 silbernen Halbfiguren an den Seitenwänden der Altarnische. Die Figurenwand über dem Schaukasten, wo normalerweise das Gnadenbild steht, zeigt die göttliche Dreifaltigkeit und darunter Engel auf Wolken. Eingravierte Meistermarken mit den Initialen der Künstler zeigen, wer für das Kunstwerk verantwortlich ist. „FO“ am Stammbaum etwa steht für den kurfürstlichen Hofgoldschmied Franz Oxner († 1697). Außerdem beteiligt war Balthasar Ableithner († 1705), einer der bedeutendsten Bildhauer des Hochbarock und Hofbildhauer am kurfürstlich bayerischen Hof. An einer Wolke befindet sich ein „F“, das wahrscheinlich für den Augsburger Goldschmied (Johann F.) Fesenmayr steht.
Impressionen
Die ersten drei Fotos zeigen Details des Hochaltars in der Gnadenkapelle; das vierte Foto den Zentimeter dicken schwarzen Stuck-Marmor im Oktogon der Kapelle.
Fotos: Roswitha Dorfner
Der Altar stammt aus dem Jahr 1670 und ist ein Werk des Barock. Laut Stephan Rudolph gilt das jedoch nicht für den Schaukasten. Diesen schätzt er rund 80 bis 90 Jahre älter ein, denn im Gegensatz zum Altar selbst habe er klassische Renaissance-Verzierungen und auch der Meister sei ein anderer. Genau festlegen möchte er sich hier aber nicht: Das müsse man sich nochmal genauer ansehen, sagt er.
Über eine weitere Überraschung informiert Wallfahrtsrektor Prälat Klaus Metzl beim Gang durch das Langhaus. Während das viel ältere Oktogon aus Zentimeter dickem schwarzem Stuck-Marmor bestehe und daher dunkel geprägt ist, gilt das nicht für das Ende des 15. Jahrhunderts gebaute Langhaus: „Das war früher hell“ und sei erst in den 1920er-Jahren mit einer schwarzen Ölfarbe übermalt worden, stellt Metzl fest – gut zu erkennen an übermalten Rosetten im Deckengewölbe. Eine Entdeckung im Zuge der Renovierung, die jedoch keine Folgen haben wird: die Frage, ob das Langhaus wieder in seinen ursprünglichen Zustand zurückversetzt werden sollte, verneint der Wallfahrtsrektor. Dies sei nicht vermittelbar, denn die Leute hätten sich an die insgesamt dunkel gehaltene Kapelle gewöhnt.
Umso mehr freut sich Metzl über den frisch gereinigten Altar: „Vielen Dank! Er ist wirklich wunderschön geworden“, sagt er an die beiden Restaurateure gewandt. Bald werden diesen auch Besucher begutachten können: die feierliche Wiedereröffnung der Gnadenkapelle ist für Ende Oktober geplant.
Michael Glaß
Redakteur