Vier Bischöfe haben gegen die Finanzierung des geplanten Synodalen Ausschusses über den Verband der Diözesen Deutschlands (VDD) gestimmt. Neben den Bischöfen von Eichstätt, Regensburg und Köln zählt auch Bischof Stefan Oster aus Passau dazu. Im Interview erläutert er seine Position.
Herr Bischof Oster, über was wurde heute konkret abgestimmt? Und was sind die Folgen?
Bischof Stefan Oster: Im vergangenen Februar ist der Synodale Weg mit der letzten Synodalversammlung vorerst zu Ende gewesen. Aber die Versammlung hatte zugleich eine kleiner dimensionierte Folgeveranstaltung beschlossen: den Synodalen Ausschuss. Dieser hatte sein Ziel auch schon beschlossen, nämlich einen „Synodalen Rat“ auf der Bundesebene für die Kirche in Deutschland einzurichten – als ein neues Beratungs- und Entscheidungsgremium für die katholische Kirche in unserem Land. Den Ausschuss zu organisieren kostet Geld. Viele Bischöfe wollen, dass der Verband der Diözesen Deutschlands (VDD), der der Rechtsträger der Deutschen Bischofskonferenz ist, dafür die Mittel bereitstellt und zusätzlich neue Stellen dafür schafft. Für solche Entscheidungen des VDD braucht es aber Einstimmigkeit. Und weil es die nicht gegeben hat, ist nun nicht mehr die Deutsche Bischofskonferenz Geldgeber und „Mitveranstalter“ des Synodalen Ausschusses, sondern die einzelnen Bistümer – und gegebenenfalls eine neue Trägerstruktur. Doch das wird man sehen.
Was hat Sie bewogen, mit nein zu stimmen?
Bischof Stefan Oster: Zuerst war die Entscheidung geprägt von den Erfahrungen aus den großen Synodalversammlungen in Frankfurt. Ich habe diese nicht in dem Sinn als „synodal“ erlebt, wie das Papst Franziskus versteht. Es war jedes Mal sehr stark politisch motiviert mit klaren Zielsetzungen für sehr bestimmte Reformvorschläge – die im Kern der großen Mehrheit von Anfang an vor Augen standen. Ich bin auch zutiefst davon überzeugt, dass unsere Kirche Reformen braucht, aber ich sehe diese sehr viel stärker in der Suche nach Wegen der Vertiefung und Erneuerung des Glaubens als in der Arbeit an Reformvorschlägen, die seit Jahrzehnten zur Agenda einer Kirche in einer sich immer weiter liberalisierenden Gesellschaft gehören.
Was mir wichtig ist: Der sexuelle Missbrauch in der Kirche ist eine Katastrophe, die mich wirklich erschüttert. Daher braucht es auch systemische Veränderungen, für die es gute Impulse auch vom Synodalen Weg gibt. Und tatsächlich arbeiten wir an systemischen Veränderungen auch schon länger und intensiv: Zum Beispiel durch die Einrichtung neuer Gremien wie den Beraterstab, die unabhängigen Aufarbeitungskommissionen, die Betroffenenbeiräte, durch Interventions- und Präventionsordnungen und einiges andere mehr. Wichtig ist mir aber auch, dass wir das tun, ohne das zu verändern, was ich den sakramentalen Kern unseres Verständnisses vom Menschen und von der Kirche nenne.Dazu kam schließlich auch noch, dass vom Vatikan fortwährend deutliche Einsprüche gegen den Synodalen Weg gekommen sind. Zuletzt insbesondere das Verbot, einen Synodalen Rat einzurichten – mit der ausdrücklichen Bekräftigung des Papstes.
Im Zentrum der Kritik steht der Synodale Ausschuss, durch den der Synodale Rat vorbereitet werden soll. Warum stehen Sie diesem Gremium kritisch gegenüber?
Bischof Stefan Oster: Zunächst: In allen Diözesen gibt es längst „synodale Gremien“, also Versammlungen, in denen Kleriker und Laien miteinander beraten und Teilhabe an Entscheidungen gelebt wird. Die allermeisten wichtigen Entscheidungen, die ich treffe, etwa in Finanz- oder Personalfragen, werden miteinander in Gremien beraten und abgestimmt. Auch auf der Bundesebene haben wir solche Gremien. Für Papst Franziskus – und die ganze Tradition der Kirche – ist es aber wesentlich, dass die Bischöfe in ihrer Letztverantwortung frei bleiben.
Der Synodale Rat will aber eine verbindliche und zugleich freiwillige Selbstbindung der Bischöfe an Mehrheitsvoten. Das ist von Rom deutlich kritisiert worden. Zudem: Die Zusammensetzung des Synodalen Ausschusses ist bereits jetzt schon so beschlossen, dass sich Minderheitenpositionen, die sich in wichtigen Themen der geltenden katholischen Lehre verpflichtet fühlen, noch stärker marginalisiert wissen.
Viele Menschen sind enttäuscht. Wie erklären Sie Ihnen dieses Veto?
Bischof Stefan Oster: Tatsächlich gibt es beides: Große Enttäuschung auf der einen Seite und große Dankbarkeit auf der anderen Seite. Schon nach wenigen Stunden hatte ich z.B. auf meine Social Media-Kanälen hunderte dankbare Zustimmungen. Den Enttäuschten will ich sagen: Ich möchte in jedem Fall mit ihnen in der Weggemeinschaft des Glaubens und vor allem im ehrlichen Gespräch bleiben. Und ich möchte auch darum bitten, meine Entscheidung als eine Gewissensentscheidung zu respektieren, die mir alles andere als leicht gefallen ist. Was am Ende den Ausschlag gegeben hat: Dass ich der Überzeugung bin, dass die Glaubensfragen, die hinter den Reformwünschen stehen, sehr tief reichen und entscheidend sind: Es geht um unser Menschenbild und unser Verständnis von Kirche.
Wird damit der Keil nicht noch tiefer in die katholische Kirche in Deutschland getrieben?
Bischof Stefan Oster: Ja, das ist wirklich traurig. Aber im Grunde kommt auch ans Licht, was seit einigen Jahren schon da ist. Ich fühle mich auch nicht wohl angesichts der Vehemenz, mit der der Synodale Weg und seine Themen vorangetrieben wurden. Und ich habe zahlreiche Stimmen aus Rom und aus der Weltkirche vernommen, die sich große Sorgen um die Kirche in Deutschland machen.
Tatsächlich glaube ich, dass eine grundsätzliche Liberalisierung in Strukturen und Themen am Ende die Selbstsäkularisierung unserer Kirche nur beschleunigen und nicht den verlorenen Glauben zurückbringen wird. Und unsere gesellschaftliche Relevanz wird auch nicht dadurch vermehrt, wenn wir in wesentlichen Fragen nichts anderes mehr zu sagen haben, als die Mehrheitsgesellschaft ohnehin erklärt. Sie kennen das Bild, in dem Jesus von dem Salz spricht, das schal geworden ist …
In der Meldung heißt es: Sie wollen den Weg zu einer synodaleren Kirche in ihren Bistümern gemeinsam und abgestimmt mit dem synodalen Prozess der Weltkirche gehen. Was bedeutet das?
Bischof Stefan Oster: Synodalität ist ein Wort, das Papst Franziskus wieder neu eingebracht hat – und das nach seinem Verständnis zum Wesen der Kirche gehört: Gemeinsam gehen. Und in der Weltkirche wird gerade eine Synode darüber organisiert, wie wir eigentlich Synodalität verstehen und leben können – als einen geistlichen Prozess und im Stil des erneuerten Miteinanders von Kirche. Ich habe vorgeschlagen, dass wir nun die Ergebnisse unseres deutschen Synodalen Weges erst einmal in den Prozess der Weltkirche einbringen – und dann am Ende sehen, was wir nach den beiden Bischofssynoden in diesem und im nächsten Jahr als Ergebnis vom Papst bekommen. Und danach können wir uns neu fragen, welche Gremien, gegebenenfalls auch welche neuen Gremien braucht es, um Synodalität zu leben? Ich meine, wir sollten das nicht einfach vorwegnehmen, zumal nicht nach dem Brief aus Rom vom vergangenen Januar.
„Offenbar fehlt es bei einzelnen Diözesanbischöfen an Ernsthaftigkeit!“, so lautet eine erste Stellungnahme vom ZdK (Irme Stetter-Karp). Was entgegnen Sie?
Bischof Stefan Oster: Ich würde mir wünschen, sie hätte mir in den letzten Wochen und Monaten ins Herz sehen können – wie nahe mir das alles geht. Wie sollte ich mich ohne Ernsthaftigkeit zu einer Gewissensentscheidung durchringen, mit der ich mich dann – leider – gegen die deutliche Mehrheit meiner Mitbrüder im Bischofsamt stelle?
Es sollen alternative Finanzierungsmöglichkeiten des Synodalen Ausschusses gesucht werden. Wie bewerten Sie das?
Bischof Stefan Oster: Ich kann das noch nicht bewerten, weil ich nicht weiß, in welche Richtung es jetzt gehen wird. Klar ist aber, dass die Mehrheit der Bischöfe trotzdem einen Synodalen Ausschuss einrichten will.
Wolfgang Krinninger
Chefredakteur