Der Landauer Stadtpfarrer Johann Baptist Huber (1892-1942) war Soldat und Priester. Bis zum letzten konsequent, trotzte er den Nazis. Er starb am 13. September 1942 als Häftling Nr. 30353 des KZ Dachau im Schwabinger Krankenhaus. Ein neues Buch zeichnet sein Leben als „Streiter für den Herrn“ nach.
Erinnerungen verblassen, fransen aus, werden verdrängt, überlagert, verschwinden irgendwann. Davor ist nichts und niemand gefeit. Auch eine so starke, kantige und prägnante Persönlichkeit wie Pfarrer Johann Baptist Huber kann in Vergessenheit geraten. Rund 80 Jahre sind seit seinem Tod vergangen, annähernd drei Generationen. Jahrzehnte voller Umwälzungen, Aufbrüche, Zerwürfnisse. Wir leben heute in einer völlig anderen Welt als 1942 – und Landau an der Isar ist eine völlig andere Stadt geworden.
Und doch gibt es hier noch Orte, die an den Pfarrer erinnern, der den Nazis so mutig die Stirn geboten hat und das mit seinem Leben bezahlte: Eine Straße und eine Schule tragen seinen Namen, Gedenktafeln und Ausstellungskästen rufen sein Wirken ins Gedächtnis – und es gibt vor allem Menschen, die sich gegen das Vergessen stemmen, die wissen, wie wichtig gerade in unserer heutigen Zeit Vorbilder wie Johann Baptist Huber sind. Drei solche Menschen sollen hier zu Wort kommen: Annemarie Wallner hat in einem Buch ihre Recherchen über Leben und Wirken des streitbaren Geistlichen zusammengefasst: „Stadtpfarrer Johann Baptist Huber, Streiter gegen das NS-Regime“. Wallner ist Studiendirektorin am Gymnasium Landau und unterrichtet Latein und Religion.
Nik Söltl war über vier Jahrzehnte Lehrer. Der ehemalige Stadtrat ist aber auch als Autor und Heimatforscher nicht aus Landau wegzudenken. Jürgen Stadler ist der dritte im Bunde. Er hat als Bürgermeister viele wichtige Akzente in der Stadt gesetzt und gestaltet sie in vielen Ehrenämtern auch heute noch mit; als Kirchenpfleger und geschichtsbewusstem Menschen ist ihm das Andenken an Johann Baptist Huber ein großes Anliegen.
Die drei haben sehr viele Menschen getroffen, die den Geistlichen noch gekannt haben. Sie zeichnen unisono das Bild einer starken Persönlichkeit mit dem Herzen am rechten Fleck, die Menschen in Not über das „normale“ Maß hinaus unterstützte und ihnen den Rücken stärkte. Ein Beispiel von vielen ist die Vertretung vor Gericht für einen bedrängten Familienvater, der sich im Wirtshaus abfällig über den „Völkischen Beobachter“ geäußert hatte: „Für den Schmarren hob i jetzt koa Zeit! I muaß jetzt mein Solo spielen!“, soll er gesagt haben, wie sich Nik Söltl an das Gespräch mit einem Zeitzeugen erinnert. Anzeige und Anklage folgten auf dem Fuße. Der Pflichtverteidiger habe signalisiert, dass der Fall klar sei und er keine Chance auf ein mildes Urteil habe. Als Pfarrer Huber davon Wind bekam, habe er sofort zugesagt, selber die Verteidigung zu übernehmen. Er habe den Angeklagten vor Gericht als kleinen Bauern dargestellt, der viele Kinder habe, immer seine Abgaben leiste, in der Gemeinde aktiv sei und das Volk unterstütze. Würde er eine hohe Strafe bekommen, würde die ganze Familie auseinanderbrechen. Damit überzeugte er offensichtlich den Richter. Der Familienvater wurde freigesprochen, erinnert sich Nik Söltl. Auch im hohen Alter von 90 Jahren sei diese Erinnerung noch präsent gewesen: „Wenn wir den Pfarrer Huber nicht gehabt hätten, dann wäre es uns in dieser Zeit schlecht gegangen!“, zitiert Nik Söltl den Bauern aus dem Gedächtnis.
Johann Baptist Huber war ein leuchtendes Beispiel für Mut und Zivilcourage, sind sich die drei Landauer einig. „Im Grunde sind alle Gespräche mit Zeitzeugen immer auf dasselbe hinausgelaufen“, sagt Jürgen Stadler, „man hat ihn für seinen Mut bewundert, aber gleichzeitig ist dieser Mut auch immer mit Kopfschütteln begleitet worden – in dem Sinne, dass man gesagt hat: ‚Lieber Pfarrer Huber, halte dich bitte zurück, sei nicht so massiv und aggressiv gegen das Regime. Sonst bekommst du Probleme.‘“ Immer wieder hätten Leute ihn zur Mäßigung aufgerufen, versucht, ihn „einzubremsen“. Aber das habe er nicht akzeptiert, „weil er nach dem Motto handelte, ‚Was gesagt werden muss, muss gesagt werden‘“, so Jürgen Stadler. Seinen Widerstand habe er auch damit begründet, dass er als Pfarrer freier handeln könne als andere, ergänzt Annemarie Wallner: „Die anderen haben Familie, ich nicht.“ Als Trugschluss freilich erwies es sich, dass ihn sein Status als hochdekorierter Frontkämpfer im Ersten Weltkrieg vor Repressalien schützen würde.
Besonders am Herzen lag dem volksnahen Geistlichen die junge Generation. „Er hat früh bemerkt, dass um die Jugend zwei Lager kämpften: die Nazis und die Kirche“, erklärt Annemarie Wallner. Das hat ihn offensichtlich angespornt. Als Turner und auch sonst sportlicher Mann kam er gut bei den jungen Menschen an. Es gibt Bilder, die ihn beim Schlittenfahren zeigen, auch auf Skiern hat er sich versucht.
Huber förderte den Turnverein, gründete den Junggesellenverein, den Jungmädchenverein (Marienverein „Die weiße Rose“) und eine Frohschargruppe, wie Annemarie Wallner bei ihren Recherchen herausgefunden hat. Dokumentiert sind auch Hubers „Spaziergänge“ mit Jugendlichen nach Frammering („Das ist bloß die Länge eines Rosenkranzes“) und die Religionsstunden in der Sakristei, als es das Fach in der Schule nicht mehr gab. „Er hat auf die Jugend geschaut und sich viel Zeit genommen für sie“, fasst Nik Söltl zusammen. Dabei sei er von der Landauer Lehrerschaft argwöhnisch beobachtet worden, die zum Großteil den Nazis nahegestanden sei.
Pfarrer Hubers Mut und sein tapferer Widerstand waren nicht folgenlos, sind sich Wallner, Söltl und Stadler einig. „Der Charakter von Pfarrer Huber war vorbildhaft für die jungen Leute, was er getan hat, trug Früchte“, sagt Söltl. Beispielhaft dafür steht für ihn Fanny Ries, die Söltl als „glühende idealistische Christin“ beschreibt. Sie war es, die an einem der letzten Kriegstage die weiße Fahne auf dem Turm der Stadtpfarrkirche St. Maria hisste. Unter Todesgefahr. Sie habe sich nach ihrer Heldentat in eine Kirchenbank gesetzt und gebetet. Die Nazis hätten damals die Fahne schnell wieder eingeholt und gedroht, denjenigen zu erschießen, der sie aufgehängt habe. Doch Fanny Ries wurde nicht erwischt. „Diesen Mut hat sie sich vom Pfarrer Huber abgeschaut“, ist Söltl überzeugt. Und nicht nur sie. Viele Menschen hätten Pfarrer Huber als Maßstab genommen. „Wenn man in Landau mit älteren Menschen redet, heißt es heute noch: ‚Das war vorm Pfarrer Huber oder das war nachm Pfarrer Huber.‘ Der Pfarrer Huber war wie eine Zeitenwende“, erklärt Söltl. Und Jürgen Stadler ergänzt, dass der streitbare Geistliche bis heute in der Pfarrgemeinde ein hoch anerkannter und präsenter Mensch sei. Dazu trägt gewiss auch die jährliche Pfarrer-Huber-Gedächtniswallfahrt im April bei. Alle drei wollen sich dafür einsetzen, dass die Erinnerung an Stadtpfarrer Johann Baptist Huber auch künftig nicht verblasst. Annemarie Wallner erzählt den Jugendlichen im Unterricht über ihn, wenn das Thema Nationalsozialismus und Kirche behandelt wird. Jürgen Stadler hofft, dass die Stadt im Zuge der 800-Jahr-Feier in diesem Jahr auch an Pfarrer Huber erinnert. Nik Söltl will sich dafür einsetzen, dass in der Pfarrer-Huber-Straße eine Tafel aufgestellt wird, die über das Leben und Wirken des Geistlichen informiert.
Denn – auch da ist sich das Trio einig – gerade heute ist es wichtig, dass dieser leuchtende Stern des mutigen Streiters gegen das NS-Regime nicht verblasst und irgendwann untergeht.
Pfarrer Huber könne auch heute noch ein Vorbild sein, um sich zu positionieren. „Pfarrer Huber war ein sehr gläubiger Mensch, er war heimatverbunden und hat sehr genau differenziert, was den Menschen gut tut. Ihm war klar, dass die Nazis und Adolf Hitler schlecht sind für die Menschen, dass sie sie in die Irre führen“, sagt Annemarie Wallner. Diese Differenzierung müsste auch heute genauer von den demokratischen Parteien aufgezeigt werden, ist sie überzeugt. Nach Ansicht von Jürgen Stadler kann man gar nicht vehement und zugleich auch konsequent genug gegensteuern gegen das Wiedererstarken des nationalsozialistischen Gedankenguts. „Da kann der Pfarrer Huber ein leuchtendes Beispiel dafür sein, dass man sich nicht versteckt und die Dinge laufen lässt. Sondern dass man offensiv und selbstbewusst dagegensteht und die Prinzipien der Freiheit und der Menschenwürde hochhält“, sagt Stadler. Und auch Nik Söltl mahnt, die rechtsradikalen Strömungen der heutigen Zeit nicht zu unterschätzen – so wie Pfarrer Huber die Radikalität und die Konsequenz des Nationalsozialismus falsch eingeschätzt habe.
Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen – die Prinzipien und ethischen Normen des Christentums waren Pfarrer Johann Baptist Hubers Leitplanken, sie zu verteidigen und nach ihnen konsequent zu leben, war ihm Verpflichtung. „Ich finde, er ist einen feinen Weg gegangen, einen Glaubensweg“, sagt Annemarie Wallner. Es ist von großem Wert, diesen Weg, diesen Menschen vor dem Vergessen zu bewahren.
Tipp:
Das neue Buch „Ein Streiter für den Herrn – Pfarrer Johann Baptist Huber“ wird im Rahmen eines Festgottesdienstes mit Bischof Stefan Oster am Sonntag, 3. März, um 10.30 Uhr in der Landauer Stadtpfarrkirche Mariä Himmelfahrt vorgestellt.
Wolfgang Krinninger
Chefredakteur