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Vor 80 Jahren endete der Zweite Weltkrieg und die Herrschaft der Nationalsozialisten. Die Katholische Erwachsenenbildung (KEB) im Landkreis Freyung-Grafenau hat aus diesem Anlass eine Veranstaltungsreihe mit Zeitzeugen-Dokumenten ins Leben gerufen. KEB-Geschäftsführer Michael Winichner erklärt, was es damit auf sich hat.
Herr Winichner, was war denn ausschlaggebend, dass die KEB Freyung-Grafenau diese Reihe veranstaltet?
Winichner: Zum einen sind 80 Jahre ein Zeitraum, wo man gesagt hat: Es ist einfach wichtig, da nochmal dran zu erinnern. Vor allem, weil bei uns im Landkreis Freyung-Grafenau das Kriegsende wirklich mit teilweise erheblichen Schäden einhergegangen ist. Und es geht auch darum, das Thema Krieg noch einmal ins Bewusstsein zu rufen. Wir haben ja leider Gottes auch momentan einige Kriegsereignisse auf der Welt. Es geht darum, den Blick darauf zu werfen, wie sinnlos Krieg eigentlich ist, weil Krieg nie eine Lösung ist. Pius XII. hat kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs noch gesagt: „Nichts ist mit dem Frieden verloren, aber alles kann mit dem Krieg verloren sein.“ Wie recht er gehabt hat, haben wir ja spätestens 1945 gesehen: Wie viel Leid der Krieg verursacht hat – menschliches Leid –, aber auch, was für eine Ruinenlandschaft dann hinterlassen wurde.
Worauf stützt sich die Vortragsreihe?
Winichner: Das Bistum Passau und alle anderen bayerischen Bistümer haben kurz nach Kriegsende, bereits im Mai und dann im Juli nochmal, die Ortspfarrer aufgefordert, mit einem Fragenkatalog einen detaillierten Bericht abzugeben. Über die letzten Jahre während des nationalsozialistischen Regimes und dann vor allem die letzten Kriegstage: Was ist da vorgefallen? Was ist passiert? Welche Begebenheiten gab es noch? Dadurch haben die Diözesen einen großen Schatz an Zeitzeugenberichten oder Augenzeugenberichten. Und wir haben gesagt: Wenn wir schon so etwas haben, wollen wir das aufgreifen und in eine Vortragsreihe packen. Wenn man von diesem Kriegsende vor 80 Jahren hört, ist es immer so etwas Abstraktes. Man kann in die Geschichtsbücher schauen und erfährt, wie es in Deutschland zugegangen ist. Aber wie ist dieses Kriegsende wirklich bei mir vor Ort abgelaufen? Was ist in meiner Stadt passiert, in meiner Gemeinde? Für diese Fragen sind diese Zeitzeugenberichte der Ortspfarrer wirklich unschätzbar wertvoll. Und da haben wir gesagt: Das ist es wert, eine Vortragsreihe darüber zu machen.
Das Interessante ist ja: Es gibt ansonsten nur wenige Aufzeichnungen oder Augenzeugenberichte?
Winichner: Es gibt viel über die großen Ereignisse. Aber wenn es um den lokalen Aspekt geht, da gibt’s kaum Zeitzeugenberichte. Natürlich haben immer wieder Leute Erinnerungen aufgeschrieben, aber so detailliert und ganz genau beschrieben, wie das hier in diesem Umfang der Fall ist – das hat man sonst kaum.
Können Sie uns einen kleinen Einblick in diese Vortragsreihe geben?
Winichner: Unser Referent ist bei allen vier Vorträgen Dr. Herbert Wurster, der frühere Archivdirektor des Bistums Passau. Er nimmt diese Kriegsendberichte als Basis für die Vorträge. Er ergänzt sie mit anderen Recherchen, die er gemacht hat, speziell für den Ort, wo er referiert. Wir nehmen als Beispiel die drei Städte im Landkreis Freyung-Grafenau – also Freyung, Grafenau und Waldkirchen – und haben dazu noch Röhrnbach mit ausgewählt, weil speziell dort in den letzten Kriegstagen noch sehr, sehr starke Zerstörungen passiert sind. Die Termine, wann die Vorträge genau stattfinden, können Sie jederzeit auf unserer Webseite nachschauen, da ist alles genau aufgelistet. Am 9. April gibt es dann auch noch einen Gedenkgottesdienst für Dietrich Bonhoeffer. Bonhoeffer war ja, kurz bevor er nach Flossenbürg gebracht wurde – wo er dann am 9. April hingerichtet wurde –, noch in Schönberg in der Schule interniert mit Mithäftlingen. Das ist jetzt genau 80 Jahre her. Da haben wir gesagt: Das ist eine gute Gelegenheit, an Dietrich Bonhoeffer zu erinnern, an einige Schriften von ihm – und gemeinsam ein ökumenisches Gedenken zu machen, wo sowohl die evangelischen Geistlichen als auch unsere mit dabei sind.
Finden auch noch weitere Veranstaltungen im Zusammenhang mit dem Gedenken zum 80. Jahrestag des Kriegsendes im Landkreis Freyung-Grafenau statt?
Winichner: Ja, nämlich im April in Schönberg. Schönberg deswegen, weil Dietrich Bonhoeffer eben dort interniert war. Schönberg hat auch einen sehr aktiven Kulturverein mit Herrn Bachhuber an der Spitze, der unglaublich viel Aufarbeitungsarbeit leistet. Dort schuf man eine Erinnerungskultur, um im Gedächtnis zu halten, was Bonhoeffer für eine große Person war, aber auch, um an die Zivilcourage der Leute immer wieder zu erinnern. Die Schönberger haben sich da wirklich hervorgetan und haben diese Häftlinge unterstützt – mit Lebensmitteln und anderem. Sie haben nicht weggeschaut, sondern Mitgefühl gezeigt und versucht, den Häftlingen so gut, wie es damals ging, zu helfen.
So weit der Blick in den Landkreis Freyung-Grafenau und darüber hinaus. Findet das Thema auch bei den anderen KEBs im Bistum Passau statt?
Winichner: Ja, u.a. haben die KEBs in Rottal-Inn und in Deggendorf ähnliche Veranstaltungsreihen. Informationen finden Sie auf den jeweiligen Webseiten.
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Thomas König
Fachadministrator Medienportal Bistum Passau
80 Jahre Kriegsende – Erinnerungen aus erster Hand
Eine ganze Veranstaltungsreihe widmet sich dem Kriegsende 1945 im Landkreis Freyung-Grafenau. Wie haben sich die letzten Kriegstage in der eigenen Heimat abgespielt? Dieser lokalen Betrachtung des Kriegsendes widmet sich die Vortragsreihe. Eingeladen ist dazu Dr. Herbert Wurster (Archivdirektor a.D.), der auf Berichte der damaligen Ortspfarrer über die letzten Kriegstage zurückgreifen wird. Weitere Veranstaltungen zum Thema sind in Schönberg geplant.
Die Termine im Einzelnen:
- Freitag, 7. März, 19 Uhr: Vortrag Pfarrsaal Grafenau
- Donnerstag, 20. März, 19 Uhr: Vortrag Pfarrsaal Röhrnbach
- Mittwoch, 9. April, 18.30 Uhr: Evangelische Kirche Schönberg, Gedenken für Dietrich Bonhoeffer zum 80. Todestag, anschließend ökumenischer Gottesdienst in der Katholischen Pfarrkirche
- Samstag, 26. April, 18 Uhr: Stadtpfarrkirche Freyung, Vorabendmesse und anschließende Dankprozession für die friedliche Übergabe Freyungs an die amerikanischen Truppen. Der Vortrag findet im Anschluss im Pfarrsaal statt.
- Donnerstag, 8. Mai, 19 Uhr: Gedenkgottesdienst zum Kriegsende in der Stadtpfarrkirche Waldkirchen, anschließend um 19.30 Uhr Vortrag im Pfarrsaal
- Montag, 7. April, 19 Uhr: im KuK Schönberg Vortrag von Bernd Bachhuber (Kulturbeauftragter Markt Schönberg): „Mutige Taten in schweren Zeiten – wie Schönberger Bürger den Sippen- und Sonderhäftlingen im April 1945 geholfen haben“. Im Anschluss Vorführung des Fernsehfilms „Wir Geiseln der SS“ (Teil 2), in dem die dramatische Befreiung der Geiseln in Niederdorf mit Interview-Einblendungen von damals Betroffenen geschildert wird.
- Dienstag, 8. April, 19 Uhr: im KuK Schönberg Vorstellung der deutschen Erstausgabe des neuen Buches „Acht Tage im April“ durch den Autor Dr. John McCabe aus England mit anschließender Diskussion.
- Freitag, 11. April, 19.30 Uhr: in der ev. Bonhoeffer-Kirche Vortrag von Pfr. Martin Dubberke (Garmisch-Partenkirchen): Dietrich Bonhoeffer: Kollege, Heiliger, Märtyrer, Zeitgenosse. Pfr. Dubberke war Geschäftsführer der Berliner Erinnerungs- und Begegnungsstätte Bonhoeffer-Haus.
- Samstag, 26. April, 19 Uhr: im KuK Schönberg Vorstellung des neuen Schönberger Heimatbuches von Bernd Bachhuber.