Die Plastik des 14. und 15. Jahrhunderts ist geprägt vom Geist des erwachenden Bürgertums und der Gefühlsseeligkeit der Mystik. Wem also nach seelischer Erbauung zumute ist, dem sei gerade jetzt in der Weihnachtszeit ein Ausflug ins benachbarte Mühlviertel empfohlen – nach Kefermarkt, unweit von Freistadt. Im einstigen „Dorf am Weinperge“, an einem Südwesthang der Feldaist-Senke, bildet die Wallfahrtskirche mit dem weltberühmten spätgotischen Flügelaltar den Mittelpunkt.
Der kaiserliche Feldhauptmann und Herr auf dem benachbarten Schloss Weinberg, Christoph Zelking, ließ in den Jahren 1470 bis 1476 die Kirche, die dem hl. Wolfgang geweiht ist, erbauen. Er stiftete auch den aus Lindenholz geschnitzten Flügelaltar, der in der Form einer Monstranz gestaltet ist und eine Höhe von 13,5 Metern aufweist.
Dieses einmalige Werk sakraler Bildschnitzerei entstand in den Jahren 1490 bis 1497. Ursprünglich war dieser Altar farbig gefasst und teilweise vergoldet. Mangels sorgfältiger Pflege und zum Teil auch in offensichtlicher Verkennung des herausragenden Wertes dieses Kunstwerkes, verschlechterte sich dessen Zustand – vor allem auch durch Holzwurmbefall – derart, dass ein endgültiger Verlust bevorstand. Landeskonservator Adalbert Stifter haben wir es zu verdanken, dass der Kefermarkter Altar durch eine umfassende Restaurierung in der Zeit von 1852 bis 1855 gerettet werden konnte. Von einer Wiederaufbringung einer farblichen Fassung nahm man allerdings Abstand.
Adalbert Stifter verleiht seiner großen Begeisterung für dieses Kunstwerk, das die Kunstgeschichte ebenbürtig neben den Marienaltar von Veit Stoß in Krakau und Michael Pachers in St. Wolfgang stellt, wie folgt, Ausdruck: „Es dürften in diesem Fache wenige Arbeiten sein, vielleicht nicht einmal eine einzige, die dem Altare von Kefermarkt den Vorzug streitig machen könnte.“ In seinem Roman „Nachsommer“ setzte Stifter diesem Juwel ein literarisches Denkmal.
Der Meister dieses großen Schnitzwerkes ist urkundlich nicht gesichert. Vermutet wird er im Raum zwischen Passau und Wien. Immer wieder wird in diesem Zusammenhang (vor allem auch von dem Passauer Kunsthistoriker Prof. Dr. Herbert Schindler) der Passauer Bildhauer Martin Kriechbaum genannt, der in der Milchgasse 7, nahe der Studienkirche, eine Bildhauerwerkstätte betrieb. Wenn auch der Meister des Kefermarkter Altars nicht eindeutig nachzuweisen ist, sein Schnitzaltar ist international von allerhöchster Qualität und eine regelrechte Offenbarung für jeden Betrachter, der diese Kunst aus der Zeit der Hochblüte der Spätgotik zu schätzen weiß.
Vor allem die beiden Weihnachtsszenerien „Geburt Christi“ und „Anbetung der Könige“ sind eine ebenso erbauliche wie innige Einstimmung auf das Fest des Jahres. Architektur, Landschaft, Detailreichtum und –vielfalt, Haltung, Gestik und Kommunikation der Figurengruppen dieser beiden Hochreliefs versetzen einen in Anbetracht der Formvollendung und der Ausdruckskraft in staunende Ergriffenheit. Man kann Adalbert Stifters Rührung nachempfinden, wenn er schwärmt: „Vor der Ruhe, dem Ernst, der Würde und der Kindlichkeit dieses Werkes kam eine Ehrfurcht, ja fast ein Schauer in mein Herz.“
Text und Fotos: Karl-Heinz Paulus