Ein halbes Jahrhundert ist es her, als das „Königlich Bayerische Amtsgericht“ in einer Verfilmung aus dem Jahr 1970 einen nicht alltäglichen Fall verhandelte. Die Sache wurde „gerichtsmassig“, als der „Nialinger von Nialing“ während des Gottesdienstes in den Klingelbeutel griff und sich ein silbernes Fünfmarkstück mit dem Porträt des Prinzregenten herausfischte. Warum er das tat? Sonntag für Sonntag hatte der Nialinger laut Drehbuch einen Fünfer in der Hand, um damit bei seinen Banknachbarn als spendabler Katholik zu glänzen – während er das Geldstück aber nur zum Schein hergab. In Wirklichkeit warf er einen Hosenknopf in den Klingelbeutel, bis, ja bis ihm eines Tages bei seinem Täuschungsmanöver der Mesner auf die Finger klopfte – und dieses Mal tatsächlich die Münze in den samtroten Beutel fiel.
Georg Lohmeier, der Schriftsteller, lieferte die literarische Vorlage für diese und andere Schmankerl, die letztlich vor dem Fernseh-Gericht landeten. Ob tatsächlich so ein Vorgang einmal bei Justitia aktenkundig wurde, weiß man nicht. Nachweisbar allerdings ist, dass Kuriositäten aller Art im Klingelbeutel auftauch(t)en.
„Ring mit “Ewiger Treue” landete im Klingelbeutel”
So haben die Pfarrherrn von Künzing bei Vilshofen in früheren Jahrhunderten nicht nur Kreuzer und Pfennige als sonntägliche Opfergaben gezählt, sondern auch Münzen der alten Römer. Wie das sein konnte? Der Ort an der Donau beherbergte einst ein römisches Kastell mit dazugehörigem Lagerdorf. Und die Bauern des 18. Jahrhunderts fanden bei der Feldarbeit noch vom Imperium Romanum geprägte Münzen, die diese wiederum in den Klingelbeutel warfen.
Das kam auch der Königlichen Akademie der Wissenschaften in München zu Ohren. Und schon erhielt der damalige Pfarrer Johann Georg Klöpfer im Jahr 1766 von der Akademie ein Bittgesuch mit der Frage: „Ob er nicht gesinnt, die Münzen aus Händen zu geben und was er dafür verlange.“ Die Antwort des Barockpfarrers kam prompt – und deutlich: „Seyen ihm gegen der Bedingniss feil, dass die Akademie es dahin bringe, dass seine Pfarrkirche neu erbauet werde.“ Aus dem Geschäft wurde – natürlich – nichts. Von einem unbekannten Absender findet sich auf der wiefen Geschäftsidee des Künzinger Pfarrers ein wenig schmeichelhafter, handschriftlicher Vermerk: „Unverschämt!“
Gut hundert Jahre später hatte der Entdecker des römischen Kastells von Künzing, Kooperator Johann Michael Schmid, ein Verzeichnis mit „in Künzing gefundenen römischen Altertümern“ angelegt. Daraus geht hervor, dass so mancher Katholik das Geld der Cäsaren in den Klingelbeutel warf – und sich damit zeitgemäße Währung sparte. So schreibt der Kaplan unter dem 24. August 1872: „Nero, Caesar, Kupfer, Opfergeld.“
Und heute? Der Passauer Dommesner
Alexander Köllnberger verwahrt das Sammelsurium in einer Dose. Da finden sich Marken für Einkaufswagerl und Apotheken-Chips. Böse Absichten, so glaubt der Dommesner, hätten die Geber wohl nicht, wenn sie statt Geld den Chip vom Einkaufswagerl in den Beutel stecken, denn: „Menschen handeln rituell. Sie nehmen etwas und stecken es in den Klingelbeutel.“ Und da könne halt auch der eine oder andere „Fehlgriff“ passieren. Allerdings: Wenn Büroklammern oder Knöpfe „abgegeben“ werden, ist das mit dem Versehen nicht unbedingt nachvollziehbar.
Auch finden sich Münzen aus aller Herren Länder. Wer das Geld in den Klingelbeutel warf – ob weit gereiste Passauer oder Besucher – lässt sich nicht sagen. Vor etlichen Jahren tauchte im Sammelbehältnis der Kathedrale ein goldener Fingerring auf – mit Gravur: „In ewiger Treue – Jürgen.“ Wer und warum dieser (oder diese) den Ring in den Klingelbeutel geworfen hat, darüber lässt sich spekulieren.
In mancher Kirche erfolgt die Kollekte im Gottesdienst per Kredit- oder EC-Karte. Dazu muss der entsprechende Betrag an einem Rädchen am Klingelbeutel eingestellt und dann die Karte auf das Gerät gelegt werden. Ein kurzer Piepton bestätigt die Transaktion. Eine PIN-Eingabe ist nicht nötig. Ziel ist, das bargeldlose Spenden einzuführen. Hoffentlich setzt sich diese Entwicklung nicht durch. Der Nachteil liegt nicht nur darin, dass der digitale Klingelbeutel längere Zeit während des Gottesdienstes durch die Reihen der Gläubigen kreist. Man könnte dann auch keine Kuriositäten mehr aus dem Klingelbeutel fischen …