Mächtig wirken sie auf den Betrachter, die Fotografien der kolossalen Skulpturen Beniamino Simonis (1712 – 1787), die in Cerveno zu bewundern sind. Der in Fara d‘Adda beheimatete Fotograf Giacomo Nuzzo stellt in seinem Kreuzweg „La Santa Crus di Cerveno“ den hölzernen Figuren im Santuario di Cerveno den lebendigen Kreuzweg der Bürger von Cerveno gegenüber, ein Passionsgang, der alle zehn Jahre wiederholt wird und die verschiedenen Generationen des Dorfes einbezieht.
Die Erstellung der 196 Holz- und Gipsstatuen begann 1752. Nur die letzten drei Kapellen wurden von Beniamino Simoni wegen unregelmäßiger Bezahlung und anderer Streitigkeiten mit der Pfarrei nicht fertiggestellt; sie wurden daher den Brüdern Donato und Grazioso Fantoni in Auftrag gestellt.
Die Skulpturen von Cerveno sind von der volkstümlichen und antiakademischen Tradition und von den Werken des Romaninos inspiriert worden – eines Künstlers, der durch seine Kunstwerke bedeutende Spuren im Tal hinterlassen hat. Simonis Werke wurden von der expressionistischen Kultur nach nord-europäischem Vorbild beeinflusst. In dieser Arbeit ist auch der Einfluss der Franziskaner und deren Hingabe an die Passion Christi erkennbar. In den Werken erkennt man die Religiosität der Gegenreformation, die so viel Wert auf das Mitgefühl legte.
Simonis geschnitzte Werke beeindrucken in Form, Farbe und Aussage; doch einen noch stärkeren Eindruck hinterlassen die lebendigen Skulpturen, die Menschen, die sich selbst auf den Kreuzweg begeben und indem sie den Leidensweg Jesu gehend und meditierend nachvollziehen, selbst Teil des Passionsgeschehens werden. Im Abstand eines Dezenniums ergeben sich so vom Kind über den jungen Mann bzw. die junge Frau zum Erwachsenen und Senior verschiedene Rollen der Mitwirkenden auf dem letzten Weg Jesu und somit verschiedene Perspektiven auf Jesu Lebensende.
Der Blick weitet sich und mit dem Blick der Einblick in das, was Jesus für uns getan hat: Lebenshingabe pro nobis – aus Liebe zu uns Menschen. Die Mitwirkenden werden Teil des Geschehens; und wer am Straßenrand steht und ihnen mit seinen Blicken folgt, wird unweigerlich in das Geschehen einbezogen. Dem Kreuzweg Jesu – sei er geschnitzt oder lebendig – kann man sich nicht entziehen!
Von einem Jahrzehnt zum nächsten finden sich beim Passionsspiel diejenigen, die Kinder waren, als Erwachsene wieder und so wird das Ritual – trotz der Leere, die die Verstorbenen hinterlassen haben – zu einer starken und gemeinsamen Bindung zwischen den Generationen. Wie bei allen populären Riten alter Herkunft sind das Drama und die Feierlichkeiten miteinander verflochten, sodass die Grenze zwischen dem Heiligen und dem Profanen nicht mehr zu unterscheiden ist.
Text: red
Ausstellung im Haus Spectrum Kirche
Ab 25. März sind die Fotografien von Giacomo Nuzzo im Haus Spectrum Kirche zu sehen. Vernissage um 19 Uhr (Anmeldung unter 0851/931440). Geöffnet von Montag bis Freitag von 9 bis 16 Uhr. Die Ausstellung läuft voraussichtlich bis 30. April.