Ein Werkstattbesuch bei Christian Pöllner, Kunstschmied und Metallbildhauer – Siebter Teil der Reihe „Altöttinger Künstlergespräche“
Üblicherweise finden Begegnungen mit Künstlerinnen und Künstlern für die Reihe der Altöttinger Künstlergespräche auf dem Kapellplatz oder in unmittelbarer Nähe zum Herzen Bayerns statt. Man lässt den Platz, seine Geschichte, sein unnachahmliches Charisma auf sich wirken, sitzt dabei, wenn es das Wetter zulässt, auf den roten Untersberger Marmorplatten in den Durchbrüchen des Kapellrundgangs oder streift durch die Innenstadt – schweigend, sehend und erst allmählich miteinander sprechend. Das Artefakt, das Werk- oder Bühnenstück des Interviewpartners spielt als direkt sichtbarer Bezugspunkt für die Unterhaltung eine Rolle, es ist Stimulanz für den Gesprächsfluss, inhaltlicher Aufhänger oder einfach nur Anlass. Und es bleibt flüchtig, Altötting beherbergt es nur für einen überschaubaren Zeitraum.
Anders ist das bei Christian Pöllner. Auf den ersten Blick ist der 59-Jährige überall in Altötting sichtbar, in den Kirchen und Klöstern, auf den Friedhöfen, an und in Privathäusern und in deren Gärten. Fenstergitter, Balkone, Treppengeländer, Türbeschläge, Grabkreuze, Gartenpavillons – seine Kunstschmiedearbeiten erkennt man sofort. Leicht, elegant, reduziert, sich traumhaft sicher und selbstverständlich auf die Umgebung und ihre spezifischen Gegebenheiten einlassend, das ist die typische Handschrift des Kunstschmiedemeisters Pöllner.
Aber es gibt noch eine andere Seite des Kunsthandwerkers, nämlich die des überregional gerade bekanntwerdenden Metallbildhauers. Ihn zu treffen, seine Arbeitstechniken zu entdecken, seine Skulpturen, seine Reliefs, seine Installationen kennenzulernen, das kann man in seiner Werkstatt in der Burghauser Straße, in unmittelbarer Nachbarschaft zum Ludwig-Kellerer-Stadion. Seit 1987 führt er seinen eigenen Betrieb, seit 14 Jahren ist der Sitz seiner Firma in Altötting. Zusammen mit zwei langjährigen Mitarbeitern fertigt Christian Pöllner Metallarbeiten in Stahl, Edelstahl, Bronze, Messing und Kupfer.
Die Liebe zu seinem Beruf ist offensichtlich für den städtischen Kulturreferenten, der für die CSU auch noch im örtlichen Stadtrat sitzt. Hier arbeitet einer, der eine Berufung für sein Spiel mit den Metallen in seinem tiefsten Inneren verspürt und auch lebt. „In der Kunst muss im Gegensatz zum Handwerk gar nicht viel funktionieren, hier kann ich Grenzen durchstoßen, das reizt mich“, sagt der gebürtige Münchner. Und wagt sich dabei an technisch schier Unmögliches. „Momentan beschäftige ich mich damit, das Verfahren, wie man Messing in Eisen einlegt, zu perfektionieren“.
Erste Arbeiten hängen bereits im kleinen Büro, das zugleich Showroom und Galerie ist. Polierte, glattgeschliffene Quadrate aus Eisen bergen Messingtupfen unterschiedler Größe, kreisrund in das unedle Metall eingebracht, blau bis blau-anthrazit schimmernd. Das Ganze erinnert sehr an eine Draufsicht auf die Dornenkrone Jesu. Die Idee eines Betrachtungsbilds wie man es aus Klosterzellen kennt, steht im Raum.
Dornen kehren in Pöllners Arbeiten immer wieder, sie faszinieren ihn mit ihrer Symbolkraft für Leid und Schmerz. Er kann sich gedanklich vorstellen, dass das Bild Teil einer Arbeit zur Passionsgeschichte wird, augenblicklich beschäftigt ihn aber noch sehr die handwerkliche Seite seines Artefakts. „Durch die Wärme verändert das Messing seine Farbe. Mein Geheimnis ist, wie zwei so unterschiedliche Metalle miteinander oder vielmehr ineinander verbunden werden können“, erklärt er lachend und zeigt die wellig rußig schwarze Rückseite des Metallquadrats. Er stehe erst am Anfang; größere Werkstücke sollen den bisherigen Kleinformaten folgen.
Was er weiter vor hat, darüber lässt sich der Künstler nicht aus. Die Gedanken, ungewöhnliche Amalgame oder Formen auszuprobieren, kämen in den frühen Morgenstunden. „So, zwischen vier und fünf Uhr in der Früh, da ist mein Geist frei, das Unmögliche zu denken. Da macht es Klick, es sind gefühlt Zehntelsekunden, und da weiß ich, das könnte funktionieren.“
Funktionieren, ja das tun die künstlerischen Arbeiten des Altöttingers mittlerweile, und zwar sehr gut, wird er doch national und international als Shootingstar gelistet. In Stockholm und London waren seine Kunstwerke bereits in namhaften Ausstellungen zu sehen. Die Kunst Pöllners kommt an. Er hat bereits Sammler, die ihn exklusiv beauftragen – etwa mit Sonderanfertigungen seiner Skulpturen „Hiroshima mon amour“. Eine französische Galerie an der Atlantikküste vertritt ihn genauso wie eine Münchner im Museumsviertel.
Während des Werkstattbesuchs bereitet sich der Bildhauer auf die mitteldeutsche Messe für zeitgenössische Kunst in Magdeburg vor. Dort stellt der Altöttinger seine Metallskulpturen zusammen mit seinen vier Künstlerfreunden des Kollektivs „Schwarm“ aus. Seit 2021 besteht das vielversprechende Quintett, ihm gehören an: Der Maler und Illustrator Florian Hagen, ebenfalls aus Altötting, die in der Region beheimatete Bildhauerin Maria Braune, der gebürtige Trostberger Yanis Stöger sowie aus Bad Kohlgrub Joachim Seitfudem, Holzbildhauer und Gründer der Gruppe.
Glaube, Hoffnung und Liebe. In den Metallring hat Christian Pöllner den Text des 1. Briefs an die Korinther, Vers 13 eingestemmt.
Fotos: Christian Pöllner
Es war ein kurzer Weg zum Erfolg von der bayerischen Kleinstadt in die Kunstmetropole an der Themse seit Pöllners erster Einzelausstellung in Altötting 2018, die den Titel „Songs’n Steel – play it loud“ trug. „Der Anfang war Musik“, sagt Christian Pöllner über die Anfänge und das inspirierende Moment hinter seinen Arbeiten. Ob Musikkassetten mit den Welthits von Simon & Garfunkel bei Autofahrten in der Kindheit, die Lieblingsplatte seiner Mutter mit den elegischen Stücken eines heute kaum mehr bekannten französischen Oboisten oder Glamrock, New Wave und Indie, die Musik seiner Adoleszenz – Christian Pöllner hat Töne, Klänge und Textpassagen wie ein Schwamm aufgesaugt und schmiedet etwas daraus: Ob das Kettenhemd mit Dornen eines haltlosen Partygirls, einer Rüstung verzweifelten Hedonismus gleich, für das „All Tomorrow’s Parties” von The Velvet Underground und Nico Pate stand, oder der Teller auf Dornen, inspiriert durch „Mitageisen“, ein Lied der britischen Band Siouxsie and the Banshees. Ihm liegt eine Fotomontage des Dadaisten John Heartfield zugrunde, die eine Familie zeigt, die Eisen isst.
Eines der beeindruckendsten Stücke im kleinen Ausstellungsraum ist ein Ring, in den Christian Pöllner den Text des 1. Briefs an die Korinther, Vers 13 eingestemmt hat. „Glaube, Hoffnung und Liebe, das Hohelied der Liebe, das ist für mich der wichtigste Satz überhaupt“, sagt der gläubige Katholik, während er die schwere Skulptur so dreht, dass man den Sinnspruch lesen kann.
Sinn muss seine Kunst nicht nur für ihn machen. Er möchte außerdem erfolgreich sein und mit seinen Arbeiten auch etwas erreichen. Dass er sich dabei so nebenbei auch gesellschaftspolitisch engagiert, ist für den Altöttinger selbstverständlich, etwa mit den gelben Möbiusschleifen, die er im Auftrag der Künstlerin Christiane G. Huber fertigt. Es sind Erinnerungszeichen aus Messing und Blattgold an Opfer des Nationalsozialismus in Rosenheim. Hinter jeder Tür ist wieder eine Tür, das hat Christian Pöllner einmal in seinen künstlerischen Anfängen für einen Katalog formuliert. Ihm stehen momentan viele offen.
Text: Maximiliane Heigl-Saalfrank