Kunst

„Der mit den Metallen spielt“

Redaktion am 26.08.2024

2024 08 23 pb alb christian poellner dornen Foto: Christian Pöllner
Dornen kehren in den Arbeiten von Christian Pöllner immer wieder, sie faszinieren ihn mit ihrer Symbolkraft für Leid und Schmerz. Im Bild ein Ausschnitt eines Dornenkleids.

Ein Werkstattbesuch bei Christian Pöllner, Kunstschmied und Metallbildhauer – Siebter Teil der Reihe „Altöttinger Künstlergespräche“

Übli­cher­wei­se fin­den Begeg­nun­gen mit Künst­le­rin­nen und Künst­lern für die Rei­he der Alt­öt­tin­ger Künst­ler­ge­sprä­che auf dem Kapell­platz oder in unmit­tel­ba­rer Nähe zum Her­zen Bay­erns statt. Man lässt den Platz, sei­ne Geschich­te, sein unnach­ahm­li­ches Cha­ris­ma auf sich wir­ken, sitzt dabei, wenn es das Wet­ter zulässt, auf den roten Unters­ber­ger Mar­mor­plat­ten in den Durch­brü­chen des Kapell­rund­gangs oder streift durch die Innen­stadt – schwei­gend, sehend und erst all­mäh­lich mit­ein­an­der spre­chend. Das Arte­fakt, das Werk- oder Büh­nen­stück des Inter­view­part­ners spielt als direkt sicht­ba­rer Bezugs­punkt für die Unter­hal­tung eine Rol­le, es ist Sti­mu­lanz für den Gesprächs­fluss, inhalt­li­cher Auf­hän­ger oder ein­fach nur Anlass. Und es bleibt flüch­tig, Alt­öt­ting beher­bergt es nur für einen über­schau­ba­ren Zeitraum.

2024 08 23 pb alb christian poellner lucernar Foto: Roswitha Dorfner
Auf den ersten Blick sind Christian Pöllners Kunst­schmie­de­ar­bei­ten überall in Altötting sichtbar. U.a. hat er auch dieses Luzernar am Vorplatz der Altöttinger Gnadenkapelle erstellt.

Anders ist das bei Chris­ti­an Pöll­ner. Auf den ers­ten Blick ist der 59-Jäh­ri­ge über­all in Alt­öt­ting sicht­bar, in den Kir­chen und Klös­tern, auf den Fried­hö­fen, an und in Pri­vat­häu­sern und in deren Gär­ten. Fens­ter­git­ter, Bal­ko­ne, Trep­pen­ge­län­der, Tür­be­schlä­ge, Grab­kreu­ze, Gar­ten­pa­vil­lons – sei­ne Kunst­schmie­de­ar­bei­ten erkennt man sofort. Leicht, ele­gant, redu­ziert, sich traum­haft sicher und selbst­ver­ständ­lich auf die Umge­bung und ihre spe­zi­fi­schen Gege­ben­hei­ten ein­las­send, das ist die typi­sche Hand­schrift des Kunst­schmie­de­meis­ters Pöllner.

Aber es gibt noch eine ande­re Sei­te des Kunst­hand­wer­kers, näm­lich die des über­re­gio­nal gera­de bekannt­wer­den­den Metall­bild­hau­ers. Ihn zu tref­fen, sei­ne Arbeits­tech­ni­ken zu ent­de­cken, sei­ne Skulp­tu­ren, sei­ne Reli­efs, sei­ne Instal­la­tio­nen ken­nen­zu­ler­nen, das kann man in sei­ner Werk­statt in der Burg­hau­ser Stra­ße, in unmit­tel­ba­rer Nach­bar­schaft zum Lud­wig-Kel­le­rer-Sta­di­on. Seit 1987 führt er sei­nen eige­nen Betrieb, seit 14 Jah­ren ist der Sitz sei­ner Fir­ma in Alt­öt­ting. Zusam­men mit zwei lang­jäh­ri­gen Mit­ar­bei­tern fer­tigt Chris­ti­an Pöll­ner Metall­ar­bei­ten in Stahl, Edel­stahl, Bron­ze, Mes­sing und Kupfer.

Die Lie­be zu sei­nem Beruf ist offen­sicht­lich für den städ­ti­schen Kul­tur­re­fe­ren­ten, der für die CSU auch noch im ört­li­chen Stadt­rat sitzt. Hier arbei­tet einer, der eine Beru­fung für sein Spiel mit den Metal­len in sei­nem tiefs­ten Inne­ren ver­spürt und auch lebt. In der Kunst muss im Gegen­satz zum Hand­werk gar nicht viel funk­tio­nie­ren, hier kann ich Gren­zen durch­sto­ßen, das reizt mich“, sagt der gebür­ti­ge Münch­ner. Und wagt sich dabei an tech­nisch schier Unmög­li­ches. Momen­tan beschäf­ti­ge ich mich damit, das Ver­fah­ren, wie man Mes­sing in Eisen ein­legt, zu perfektionieren“.

2024 08 23 pb alb christian poellner dornenkrone Foto: Maximiliane Heigl-Saalfrank
Polierte, glattgeschliffene Quadrate aus Eisen bergen Messingtupfen unterschiedler Größe, kreisrund in das unedle Metall eingebracht, blau bis blau-anthrazit schimmernd. Das Ganze erinnert sehr an eine Draufsicht auf die Dornenkrone Jesu.

Ers­te Arbei­ten hän­gen bereits im klei­nen Büro, das zugleich Show­room und Gale­rie ist. Polier­te, glatt­ge­schlif­fe­ne Qua­dra­te aus Eisen ber­gen Mes­sing­tup­fen unter­schied­ler Grö­ße, kreis­rund in das uned­le Metall ein­ge­bracht, blau bis blau-anthra­zit schim­mernd. Das Gan­ze erin­nert sehr an eine Drauf­sicht auf die Dor­nen­kro­ne Jesu. Die Idee eines Betrach­tungs­bilds wie man es aus Klos­ter­zel­len kennt, steht im Raum.

Dor­nen keh­ren in Pöll­ners Arbei­ten immer wie­der, sie fas­zi­nie­ren ihn mit ihrer Sym­bol­kraft für Leid und Schmerz. Er kann sich gedank­lich vor­stel­len, dass das Bild Teil einer Arbeit zur Pas­si­ons­ge­schich­te wird, augen­blick­lich beschäf­tigt ihn aber noch sehr die hand­werk­li­che Sei­te sei­nes Arte­fakts. Durch die Wär­me ver­än­dert das Mes­sing sei­ne Far­be. Mein Geheim­nis ist, wie zwei so unter­schied­li­che Metal­le mit­ein­an­der oder viel­mehr inein­an­der ver­bun­den wer­den kön­nen“, erklärt er lachend und zeigt die wel­lig rußig schwar­ze Rück­sei­te des Metall­qua­drats. Er ste­he erst am Anfang; grö­ße­re Werk­stü­cke sol­len den bis­he­ri­gen Klein­for­ma­ten folgen.

Was er wei­ter vor hat, dar­über lässt sich der Künst­ler nicht aus. Die Gedan­ken, unge­wöhn­li­che Amal­ga­me oder For­men aus­zu­pro­bie­ren, kämen in den frü­hen Mor­gen­stun­den. So, zwi­schen vier und fünf Uhr in der Früh, da ist mein Geist frei, das Unmög­li­che zu den­ken. Da macht es Klick, es sind gefühlt Zehn­tel­se­kun­den, und da weiß ich, das könn­te funktionieren.“

Funk­tio­nie­ren, ja das tun die künst­le­ri­schen Arbei­ten des Alt­öt­tin­gers mitt­ler­wei­le, und zwar sehr gut, wird er doch natio­nal und inter­na­tio­nal als Shoo­ting­star gelis­tet. In Stock­holm und Lon­don waren sei­ne Kunst­wer­ke bereits in nam­haf­ten Aus­stel­lun­gen zu sehen. Die Kunst Pöll­ners kommt an. Er hat bereits Samm­ler, die ihn exklu­siv beauf­tra­gen – etwa mit Son­der­an­fer­ti­gun­gen sei­ner Skulp­tu­ren Hiro­shi­ma mon amour“. Eine fran­zö­si­sche Gale­rie an der Atlan­tik­küs­te ver­tritt ihn genau­so wie eine Münch­ner im Museumsviertel.

2024 08 23 pb alb christian poellner werk1 Foto: Maximiliane Heigl-Saalfrank
Kreise und Ringe tauchen immer wieder in den Arbeiten Christian Pöllners auf. Ihre Symbolkraft fasziniert ihn.

Wäh­rend des Werk­statt­be­suchs berei­tet sich der Bild­hau­er auf die mit­tel­deut­sche Mes­se für zeit­ge­nös­si­sche Kunst in Mag­de­burg vor. Dort stellt der Alt­öt­tin­ger sei­ne Metall­skulp­tu­ren zusam­men mit sei­nen vier Künst­ler­freun­den des Kol­lek­tivs Schwarm“ aus. Seit 2021 besteht das viel­ver­spre­chen­de Quin­tett, ihm gehö­ren an: Der Maler und Illus­tra­tor Flo­ri­an Hagen, eben­falls aus Alt­öt­ting, die in der Regi­on behei­ma­te­te Bild­haue­rin Maria Brau­ne, der gebür­ti­ge Trost­ber­ger Yanis Stö­ger sowie aus Bad Kohl­grub Joa­chim Seit­fu­dem, Holz­bild­hau­er und Grün­der der Gruppe.

Glau­be, Hoff­nung und Lie­be. In den Metall­ring hat Chris­ti­an Pöll­ner den Text des 1. Briefs an die Korin­ther, Vers 13 eingestemmt.

Fotos: Chris­ti­an Pöllner

Es war ein kur­zer Weg zum Erfolg von der baye­ri­schen Klein­stadt in die Kunst­me­tro­po­le an der Them­se seit Pöll­ners ers­ter Ein­zel­aus­stel­lung in Alt­öt­ting 2018, die den Titel Songs’n Steel – play it loud“ trug. Der Anfang war Musik“, sagt Chris­ti­an Pöll­ner über die Anfän­ge und das inspi­rie­ren­de Moment hin­ter sei­nen Arbei­ten. Ob Musik­kas­set­ten mit den Welt­hits von Simon & Gar­fun­kel bei Auto­fahr­ten in der Kind­heit, die Lieb­lings­plat­te sei­ner Mut­ter mit den ele­gi­schen Stü­cken eines heu­te kaum mehr bekann­ten fran­zö­si­schen Obo­is­ten oder Glam­rock, New Wave und Indie, die Musik sei­ner Ado­les­zenz – Chris­ti­an Pöll­ner hat Töne, Klän­ge und Text­pas­sa­gen wie ein Schwamm auf­ge­saugt und schmie­det etwas dar­aus: Ob das Ket­ten­hemd mit Dor­nen eines halt­lo­sen Par­ty­girls, einer Rüs­tung ver­zwei­fel­ten Hedo­nis­mus gleich, für das All Tomorrow’s Par­ties” von The Vel­vet Under­ground und Nico Pate stand, oder der Tel­ler auf Dor­nen, inspi­riert durch Mit­ag­ei­sen“, ein Lied der bri­ti­schen Band Sioux­sie and the Bans­hees. Ihm liegt eine Foto­mon­ta­ge des Dada­is­ten John Heart­field zugrun­de, die eine Fami­lie zeigt, die Eisen isst.

Eines der beein­dru­ckends­ten Stü­cke im klei­nen Aus­stel­lungs­raum ist ein Ring, in den Chris­ti­an Pöll­ner den Text des 1. Briefs an die Korin­ther, Vers 13 ein­ge­stemmt hat. Glau­be, Hoff­nung und Lie­be, das Hohe­lied der Lie­be, das ist für mich der wich­tigs­te Satz über­haupt“, sagt der gläu­bi­ge Katho­lik, wäh­rend er die schwe­re Skulp­tur so dreht, dass man den Sinn­spruch lesen kann.

2024 08 23 pb alb christian poellner2 Foto: Maximiliane Heigl-Saalfrank
Bildhauer Christian Pöllner in seiner Werkstatt.

Sinn muss sei­ne Kunst nicht nur für ihn machen. Er möch­te außer­dem erfolg­reich sein und mit sei­nen Arbei­ten auch etwas errei­chen. Dass er sich dabei so neben­bei auch gesell­schafts­po­li­tisch enga­giert, ist für den Alt­öt­tin­ger selbst­ver­ständ­lich, etwa mit den gel­ben Möbi­us­schlei­fen, die er im Auf­trag der Künst­le­rin Chris­tia­ne G. Huber fer­tigt. Es sind Erin­ne­rungs­zei­chen aus Mes­sing und Blatt­gold an Opfer des Natio­nal­so­zia­lis­mus in Rosen­heim. Hin­ter jeder Tür ist wie­der eine Tür, das hat Chris­ti­an Pöll­ner ein­mal in sei­nen künst­le­ri­schen Anfän­gen für einen Kata­log for­mu­liert. Ihm ste­hen momen­tan vie­le offen.

Text: Maxi­mi­lia­ne Heigl-Saalfrank

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