Ich wollte schon immer Italienisch lernen. Richtig fließend, mit rollendem R und diesem getragenen Klang, der sich in meinen Ohren immer ein bisschen wie Musik anhört. Nachdem Italien im Laufe unzähliger Familienurlaube mehr zweites Zuhause als Urlaubsziel geworden ist, war es eigentlich nur die logische Folge, auch die Sprache zu lernen. Irgendwann mache ich das, habe ich mir also gesagt. Und dieses eine Mal habe ich den guten Vorsatz tatsächlich umgesetzt. In der Minute, in der ich mich für mein Studium eingeschrieben habe, habe ich mich auch nach den Sprachkursen erkundigt, und so saß ich kurz darauf ab Semester eins, Tag eins, jede Woche für vier Stunden im Italienischkurs.
Sprachen zu lernen geht heute oft mit einer Verpflichtung einher. Der Englischunterricht beginnt schon in der Grundschule und bleibt oft bis zum Schulabschluss, vielleicht kommt dann noch eine zweite oder sogar dritte Fremdsprache dazu und am Ende sind für so manchen Studiengang, Job oder Ausbildungsweg bestimmte Fremdsprachenkenntnisse Voraussetzung. Ich konnte in der Schule schon viel mit Sprachen anfangen und trotzdem blieb auch für mich am Ende immer der Druck, eine Sprache nicht nur für mein tägliches Leben, sondern vor allem für die Punkte im Abitur zu lernen. Bei Italienisch war das anders. Dieses Mal überwog von Anfang an das Bewusstsein, etwas freiwillig und nur für mich zu tun. Mit diesem Bewusstsein kam letztendlich auch die Erfahrung, dass eine Sprache zu lernen viel mehr mit sich bringen kann als die Fähigkeit, einen Kaffee in einem anderen Land zu bestellen.
Etwas einschüchternd war es zuerst einmal schon, praktisch bei null anzufangen. Wenn man anfangs noch nicht einmal die Worte dafür hat, nach der Uhrzeit zu fragen, kommt einem der Weg bis zum flüssigen Gespräch erstmal sehr steil vor. Mit jeder Stunde Unterricht habe ich aber gemerkt, wie sich etwas tut. Ich konnte dabei zusehen, wie sich langsam ein Gefühl für die Sprache entwickelte. Nach einigen Wochen fühlte sich alles gar nicht mehr so fremd an und mit jedem gesprochenen Satz wuchs auch das Selbstbewusstsein. Wenn man die nette Italienerin am Hafen in Lazise fragt, wann die nächste Fähre kommt, ein Glas Wein bestellt, ohne das italienische Wort für Glas – bicchiere – vollkommen falsch auszusprechen, oder sich ohne Probleme auf einen Kaffee verabreden kann, dann macht das stolz. Die Sprache zu lernen, das ging für mich auch immer mit dem wachsenden Vertrauen in meine Fähigkeiten einher.
Beinahe ein kleiner Kurzurlaub
Trotzdem zieht sich eines durch den ganzen Prozess des Lernens: Fehler machen. Für mich als Perfektionistin in sämtlichen Lebensbereichen war es zunächst respekteinflößend, im Sprachkurs auch mal den Mund aufmachen zu müssen, wenn ich mir alles andere als sicher darüber war, was rauskommen würde. Irgendwann im fünften Semester war es unsere Aufgabe, in knapp zwei Minuten und nur anhand von ein paar Fotos uns selbst vorzustellen, und zwar so, dass man einen potenziellen Arbeitgeber von sich überzeugen könnte. Notizen waren verboten. In zwei Minuten kann man mehr Fehler machen, als man erstmal glaubt. Was blieb, waren aber vor allem die vielen Tipps im Anschluss – und das Lachen über die zahlreichen Buchstabendreher und Wortverwechslungen aller Kursteilnehmer. Auch nach jetzt über drei Jahren sitze ich oft da mit einem Satz im Kopf und habe keine Ahnung, wie ich den Gedanken auf Italienisch formuliert bekomme. Was mir jetzt aber viel leichter fällt als vorher, ist, es einfach mal zu versuchen. Irgendjemand wird mich schon verstehen und wenn nicht, ist in Italien bekanntlich immer noch viel mit Gestik zu retten.
Als mich 2020 die Coronapandemie ins Online-Studium zwang, habe ich für einen kurzen Moment überlegt, den Italienischkurs nicht mehr zu belegen. Zu groß war die Befürchtung, dass die Belastung im Studium dadurch nur noch größer würde. Kurze Zeit und eine Kursanmeldung später war der Sprachkurs zum Wochenhighlight geworden. Mit der Sprache eng verbunden ist auch immer die Kultur des Landes, in dem sie gesprochen wird. Wenn ich dann also den ganzen Tag zu Hause vor dem Bildschirm verbracht habe, während das Reisen in immer weitere Ferne rückte, waren ein paar Stunden Sprachkurs manchmal beinahe ein kleiner Kurzurlaub. So habe ich mittlerweile zum Beispiel verinnerlicht, dass Cappuccino nur zum Frühstück getrunken wird – und wirklich nur zum Frühstück. Oder dass die Autohupe im italienischen Straßenverkehr gerne auch als Kommunikationsmittel eingesetzt wird. Oder etwa dass bei einem Besuch in Bologna unbedingt das alljährliche Tortellini-Festival besucht werden muss – kein Scherz, das gibt es wirklich.
Sprachen lernen kann wie reisen sein, nur eben im Kopf. Gerade in Zeiten wie jetzt, in denen der Blick über die eigene Landesgrenze hinaus oft schwierig ist, kann genau das ein Stück vom Abenteuer zurückbringen. Und wenn ich dann daheim in Passau in meiner Lieblings-Pizzeria „ancora un dolce“ bestelle statt „noch eine Nachspeise“, fühle ich mich doch kurz so, als wäre ich wirklich irgendwo in Bella Italia.
Text: Tamina Friedl
Die Sprache in den Alltag integrieren – Es muss nicht immer gleich ein Sprachkurs sein
Wer eine Sprache lernen möchte, muss keinen Kurs besuchen. Um ein erstes Gefühl für eine Sprache zu bekommen, hilft es z.B. bereits, sie mehr und mehr in den Alltag zu integrieren, sei es in Form von Musik oder auch mit Filmen, die man in der Fremdsprache und mit deutschen Untertiteln schaut. Vollkommen kostenlos sind außerdem YouTube-Videos von Kanälen, die sich auf das Sprachenlernen spezialisiert haben. Auch das Podcast-Angebot in diesem Bereich ist groß. Und am besten ist es sowieso, einfach zuzuhören und auszuprobieren. Wenn Sie jemanden in Ihrem Umfeld haben, der eine andere Sprache spricht, freut sich der- oder diejenige mit Sicherheit, sie auch an Sie weiterzugeben.
- Die Sprache in den Alltag integrieren: Musik hören, Filme in einer anderen Sprache und mit deutschen Untertiteln schauen, etc.
Apps, z.B. Babbel, Duolingo, Tandem - Lehrbücher, z.B. von Langenscheidt oder PONS oder speziell für universitäre Sprachkurse
- Auf Sprachen spezialisierte YouTube-Kanäle (für Italienisch z.B. Easy Italian, Impara l’Italiano con Italiano Automatico, Learn Italian with
Lucrezia)