Er ist der Letzte. Unter den Priestern im Bistum Passau gibt es nur noch einen, der in den Zweiten Weltkrieg ziehen musste und in russische Kriegsgefangenschaft geriet. In einem früheren Gespräch mit dem Passauer Bistumsblatt erzählte Prälat Hermann Herzig, was es bedeutet, Tag für Tag den Tod vor Augen zu haben – und wie er sich nach einem Weihnachten daheim sehnte. In diesen Tagen vollendet er das 95. Lebensjahr.
Für Dompropst i. R. Hermann Herzig ist es ein Wunder, dass er in Krieg und Gefangenschaft mit dem Leben davongekommen ist. Wie so viele seiner Generation musste auch er in den Krieg – 1943 von der Schulbank weg. Verwendung: Luftwaffenhelfer. Seinen 18. Geburtstag verbrachte Herzig in einem russischen Kriegsgefangenenlager.
„„Uhr ist?!“ An diese Worte erinnerte sich der Geistliche ein Leben lang sehr gut. Das hat ihn die russische Soldateska gefragt, um ihm gleich darauf seine Firmuhr abzunehmen. Das Lager war eine Welt ohne Gott.”
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„Uhr ist?!“ An diese Worte erinnerte sich der Geistliche ein Leben lang sehr gut. Das hat ihn die russische Soldateska gefragt, um ihm gleich darauf seine Firmuhr abzunehmen. Das Lager war eine Welt ohne Gott.
Außerhalb aber, so Herzig im damaligen Bistumsblatt-Gespräch, erlebte er Menschliches. „Die russische Zivilbevölkerung, die selber nichts hatte, steckte uns gelegentlich Kartoffeln und ein Stück Brot zu.“ Und das vor der historischen Tatsache, dass die Sowjetunion in dem von den Nationalsozialisten entfesselten Zweiten Weltkrieg die höchsten Verluste zu verzeichnen hatte: Rund zehn Millionen Soldaten der Roten Armee wurden getötet oder starben in Kriegsgefangenschaft. Insgesamt verloren mindestens 24 Millionen sowjetische Bürger ihr Leben.
„Menschliches im Unmeschlichen erlebt.”
Im Kriegsgefangenenlager hörte der junge Hermann Herzig jahraus, jahrein von seinen Wächtern die Worte „Skora damoi!“ – auf deutsch: „Bald nach Hause!“ Erst im November 1948 erfüllte sich dieses Versprechen.
Krieg und Gefangenschaft – all das dort Gesehene und Gehörte verstärkte in Hermann Herzig den Wunsch, in einer friedlicheren Welt leben zu wollen, Gott und den Menschen zu dienen. Als Priester fand er Beruf und Berufung. Am 29. Juni 1954, im Jahr der großen Hochwasserflut, wurde er im Passauer Stephansdom zum Priester geweiht. Als Student der Theologie galt es nicht nur, im Hörsaal den Kopf anzustrengen, sondern auch mit Muskelkraft anzupacken. So mussten die angehenden Seelsorger im Priesterseminar fleißig helfen und Kohlen schaufeln, damit der Herd geheizt werden konnte und es im Winter eine warme Stube gab.
Als junger Kooperator ging es dann von seiner Heimat Thurmansbang im Bayerischen Wald nach Oberbayern. In den Ruhestand ging er als Dompropst Bischöflicher Finanzdirektor, Domkapitular, Domdekan, Dompropst: An Titeln mangelt es nicht in der Biographie von Prälat Hermann Herzig. Ein Kurskollege von ihm: Unser späterer Bischof Franz Xaver Eder (1925 bis 2013). So lange es ging, zelebrierte der Prälat noch im Dom St. Stephan und bei den Maria Ward-Schwestern in Passau. Er ist Seelsorger geblieben – ein Leben lang.
Vita
Geboren 15. Dezember 1926 in Thurmansbang
In Krieg und russischer Gefangenschaft 1944 bis 1948
Priesterweihe 29. Juni 1954
Kooperator in Reischach 1954
Kooperator in Neuötting 1956
Pfarrer in Burgkirchen an der Alz 1965 bis 1982
Domkapitular in Passau 1982
Bischöflicher Finanzdirektor 1983 bis 1996
Domdekan 1988
Dompropst 1990, i. R. 1997