
In seiner Osterbotschaft blickt Bischof Stefan Oster SDB auf das, was wirklich zählt im Leben, und auf das, was uns Hoffnung schenkt. „Es ist Ostern und Ostern bleibt“, stellt er fest.
Am Ostertag war vor dem Höhlengrab Jesu ein riesiger Stein weggewälzt. Der Eingang zum Grab war offen, aber die Grabhöhle war leer. Es gab keinen Leichnam mehr. Aus dem Totengrab ist das Leben selbst herausgekommen, der Lebendige, der Lebensgeber selbst. Jesus lebt. Ich frage mich immer wieder: Lässt sich mit dem Bild des Grabsteines etwas anfangen für unser eigenes Glaubensleben? Für unsere eigene Seele? Wenn ich an die Zeit meiner persönlichen Lebenswende denke, dann würde ich es so beschreiben. Als junger Mann bin ich Dingen nachgejagt, die mir bedeutungsvoll für mein Leben erschienen: Erfolgreich im Journalistenjob, erfolgreich im Studium, Wünsche nach Vergnügen und Reichtum; Erotik, möglichst viel Anerkennung von anderen. Der Glaube lief als Erinnerung aus der frühen Jugend schon noch mit, aber verblassend, immer weniger relevant. Das Leben selbst lag doch unmittelbar vor mir – oder wenigstens das, was ich für Leben hielt.
Aber dann, während dieser Jagd nach immer mehr Leben, drängte sich zugleich nach und nach folgender Gedanke ins Bewusstsein: Wenn nun all das, was ich suche, nichts mit Gott zu tun hat, oder auch nichts mit der Ewigkeit – dann ist es doch eigentlich jetzt schon todgeweiht. Dann hat im Grunde alles das, was mir bislang voller Bedeutung ist – aufs Ganze gesehen gar keine Bedeutung. Ich selbst bin dann nur ein Körper, der – vom Lauf der Natur her gesehen – irgendwann stirbt, verfault, alsbald für niemanden mehr Bedeutung hat – und aufs Ganze gesehen auch völlig bedeutungslos ist, ein verglühendes Glühwürmchen für den Augenblick. Aufgeladen nicht mit echter Bedeutung, sondern bestenfalls mit der Illusion von Bedeutung.
Diese Erkenntnis, je mehr ich sie zugelassen habe, war im Bild gesprochen der Grabstein auf mir. Und ich selbst sitze in der dunklen Höhle, in der wir nur künstliche Lichter anzünden, um Helle zu erzeugen, aber kein Licht, kein einziges, das wirklich von Bedeutung wäre. Todgeweiht.
„Wenn wir lernen mit Ihm zu gehen und zu lieben, hat alles in unserem Leben eine Bedeutung für die Ewigkeit.”
Deshalb kam auch in mir die andere Suche auf, die mitten in dieser verschlossenen Höhle versucht hat, den Grabstein wegzuwälzen, in der Hoffnung, dass es doch echtes Leben, bedeutungsvolles Leben, ewiges Leben geben könnte. Und tatsächlich im Lauf der Zeit, eigentlich weiß ich gar nicht wie, gab es immer wieder Momente, da schien echtes Licht, Sonnenlicht von außen in die Seele. Der Grabstein hat die Höhle nicht völlig dicht gemacht, die Sucht nach mehr habe ich immer mehr identifiziert als leeres Vergnügen. Es musste mehr geben als nur das. Und manchmal wie ein kleiner Blitz, manchmal auch leise und zärtlich kam Bewegung in den Grabstein der Seele. Und mehr Licht drang hinein, immer mehr. Die Sucht nach Vergnügen und Anerkennung wurde langweiliger, die Sehnsucht nach dem ganz anderen größer.

Was ist wirklich wahr, was völlig gut, was unverlierbar schön? Bis eines Tages das eindringende Licht Konturen eines Gesichtes bekam. Es begann ein inneres Verstehen, dass das Leben selbst nicht das war, was ich für Leben hielt. Das Leben selbst war so viel größer und hatte ein Gesicht und einen Namen. Aus dem Licht blickt mich sein Gesicht an. Und ja, er meint mich, mich persönlich und sagt: „Du hast für mich Bedeutung – für die Ewigkeit!“ Kann das sein? Ja! Er macht immer deutlicher: „Ich bin das Leben und lebe auch in Dir. Und ich will immer mehr in Dir leben und lade Dich ein, dieser Spur zu folgen. Lass mich in Dir leben, und hilf mit, dass auch bei anderen das Licht aufgeht, dass der Grabstein zur Seite rückt, das dunkle Seelengrab heller wird.“
Liebe Schwestern, liebe Brüder: Es ist schwer zu beschreiben, wieviel Sinn dieses innere Angeschaut-Sein seither schenkt und Frieden und Freude; seit ich versuche, die Dinge, die zu tun sind, unter seinem liebenden Blick zu tun. Und oft und oft schäme ich mich für mein altes Leben. Und trotzdem klopfen auch die alten Versuchungen und die alten Trägheiten immer wieder an. Da scheint das alte Höhlenleben doch wieder ganz attraktiv. Aber meistens spür ich dann doch sehr schnell wieder: „Du Idiot, das ist es doch nicht. Er ist es. Er ist der Herr, er schenkt Freiheit und Heil. Und nichts, was vor Ihm in diesem Leben wirklich wertvoll war, wird je wieder an Bedeutung verlieren.“ Im Grunde weiß ich: Wenn wir lernen mit Ihm zu gehen und zu lieben, hat alles in unserem Leben eine Bedeutung für die Ewigkeit. Weil der Grabstein und die Dunkelheit keine echte Chance mehr haben. Es ist Ostern und Ostern bleibt.
Jesus lebt. Halleluja.

Dr. Stefan Oster SDB
Bischof