Bischof

Glaube braucht Pflege

Redaktion am 01.04.2021

Auferstehung Christi Bistum Passau

Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, ob Ihr Glaube stark ist? Als ich einmal Brautleute begleitet und ihnen vor der Trauung die Frage gestellt habe, ob sie einen starken Glauben haben, waren sie irritiert. Die Frage war ihnen so noch nicht untergekommen. Irgendwie dachten sie, Glauben hat man oder man hat ihn nicht. Aber „stark“ oder „tief“? Das seien nicht ihre Kategorien. Und außerdem gebe es doch so viele unterschiedliche Wege und Weisen zu glauben. Wer mag da schon beurteilen, was stark und schwach ist.

Ich muss sagen, mich beschäf­tigt die Fra­ge sehr, denn einer­seits ist es rich­tig, dass der Glau­be ein Geschenk ist. Etwas, das man nicht machen oder sich nicht selbst geben kann. Aber ande­rer­seits nen­nen wir ihn auch eine Tugend. Und eine Tugend kann geübt und gestärkt wer­den – oder wir ver­nach­läs­si­gen sie und las­sen sie ver­duns­ten. Ver­läss­lich­keit zum Bei­spiel: Wenn ich mich ande­ren Men­schen gegen­über immer wie­der um wirk­li­che Ver­läss­lich­keit bemü­he, bei Ver­ein­ba­run­gen, bei Begeg­nun­gen, im Zusam­men­le­ben – dann geht mir das in Fleisch und Blut über, es wächst als inne­re Hal­tung, als Tugend. Wenn ich dage­gen dau­ernd Aus­re­den habe, unver­bind­lich wer­de, mich mei­nen Lau­nen über­las­se, dann wächst kei­ne Tugend von Ver­läss­lich­keit – oder sie ver­schwin­det viel­leicht, wenn ich sie vor­her hatte.

Und Glau­be ist auch eine Tugend! Wie lässt sich die­se Span­nung ver­ste­hen – einer­seits Geschenk, ande­rer­seits Tugend? Nun, wenn ich das Glück habe, jeman­den wirk­lich als Freund zu haben, dann weiß ich: Ich hab das nicht ver­dient, es ist ein Geschenk. Die­ser Mensch hat mich ein­fach gern – und ich ihn. Aber jeder weiß: Ich kann etwas dazu bei­tra­gen, dass die Bezie­hung Bestand hat oder tie­fer wird. Ich kann sie pfle­gen. Und eben die­ser Aspekt: Bezie­hung pfle­gen, lässt Glau­ben zur Tugend wer­den. Ich habe das Geschenk bekom­men, an Gott, an Chris­tus glau­ben zu dür­fen. Es gibt einen Gott – und ich habe gelernt, mein Leben ver­trau­ens­voll auch so zu deu­ten, dass ich vie­les sei­nem Segen und sei­ner Gegen­wart zuschrei­be: Trost, Freu­de, Lie­be, Ver­trau­en und mehr. Aber dann fra­gen wir uns: Blei­be ich auch dabei? Pfle­ge ich die Bezie­hung durch Gebet, durch Lesen der Schrift, durch die Sakra­men­te, durch den selbst­lo­sen Dienst am ande­ren Men­schen? Wächst die­ses Ver­trau­en, dass Gott mit­geht in mei­nem Leben; und dass er wirk­lich auch Herr sein darf? Oder las­se ich den Ablen­kun­gen die Ober­hand, oder den Din­gen, die in mei­nem Her­zen statt Gott den ers­ten Platz ein­neh­men wol­len, oder den schlech­ten Ange­wohn­hei­ten? Oder über­las­se ich mich den Zwei­feln oder den Mei­nun­gen der ande­ren Freun­de, die mei­nen Glau­ben nicht teilen? 

Wir sehen: Glau­be braucht Bezie­hungs­pfle­ge, damit er bleibt und damit er wächst, damit er tie­fer und stär­ker wird. Aber viel­leicht fragt jemand: War­um soll er denn über­haupt stär­ker wer­den? Weil wir in unse­rem Leben durch genü­gend Her­aus­for­de­run­gen gehen wer­den, wo Glau­be ers­tens ange­foch­ten, aber zwei­tens auch drin­gend gebraucht wird: durch Leid, Tren­nung, Schmerz, Krank­heit, Armut, Ver­las­sen­heit, Ver­zweif­lung, Tod von Men­schen – und durch die Angst vor dem eige­nen Tod. Und hier gibt es sogar eine Wech­sel­wir­kung: Immer wie­der erle­be ich Men­schen, die im Leid den Glau­ben ver­lie­ren. Und immer wie­der erle­be ich sol­che, die im Leid im Glau­ben stär­ker wer­den, sich erst recht an Gott wen­den und an ihm fest­hal­ten. Das heißt nun für mich zwei­er­lei: Einer­seits ist es wich­tig, Bezie­hungs­pfle­ge zu leben, damit mein Glau­be stark wird, beson­ders wenn es drauf ankommt, vor allem im Leid. Ande­rer­seits: Manch­mal braucht mein Glau­be sogar sol­che Her­aus­for­de­run­gen wie Leid oder Not, damit er gera­de dar­in sich bewäh­ren und stär­ker wer­den kann! Wird ein Aus­dau­er­sport­ler bes­ser, wenn er sich im Trai­ning nie­mals quält“? Und ana­log: Wird der Glau­be tie­fer, wenn er sich nie in Her­aus­for­de­run­gen bewäh­ren muss? 

Wir gehen auf Ostern zu, auf die Erfah­rung der Über­win­dung des Lei­dens und des Todes durch Jesus, unse­ren Herrn. Aber Jesus geht zuvor durch das Leid die­ser Welt und durch das Leid des Kar­frei­tags. Wir gehen ihm nach: Wir wol­len die Bezie­hung, den Glau­ben pfle­gen – auch damit wir im Leid stand­hal­ten, und auch damit Glau­be in sol­chen Erfah­run­gen reift und tie­fer wer­den kann. Und vie­le von uns gehen der­zeit durch leid­vol­le Erfah­run­gen. Coro­na hält an, Coro­na kos­tet Men­schen­le­ben, Coro­na strengt vie­le unglaub­lich an, macht depres­siv, macht ein­sam, bringt wirt­schaft­li­che Ver­lus­te und mehr. Für vie­le ist Coro­na ihr Kar­frei­tag. Jetzt bräuch­te es einen Glau­ben, der mir sagt: Ostern kommt bestimmt. Und gera­de jetzt kön­nen wir uns glau­bend an Jesus wen­den und ihn bit­ten: Lass uns mit dir durch die­se Kar­frei­ta­ge unse­res Lebens gehen. Und lass uns durch die Bezie­hung mit dir glau­ben, dass du schon der öster­li­che Sie­ger über alles bist. Und dass weder Coro­na noch sonst irgend­ei­ne Not das abschlie­ßen­de Wort über mein Leben haben wer­den, son­dern Du, Herr, das Wort des Lebens.“ 

Ich wün­sche Ihnen allen einen tie­fen Glau­ben an das Geheim­nis des Auf­er­stan­de­nen und dass Sie die Erfah­rung machen dür­fen, dass Er durch jedes dunk­le Tal mit­geht, an des­sen Ende immer der Oster­mor­gen auf uns wartet. 

Ihnen und Ihren Lie­ben fro­he und geseg­ne­te Ostern.

BISCHOF OSTER Portraitfoto Hochformat

Dr. Stefan Oster SDB

Bischof

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