Glaube und Tradition

Das Osterei – ein Symbol des Lebens

Redaktion am 25.03.2024

2023 03 25 pb alb ostereier osternest Foto: Karl-Heinz Paulus
Darf zu Ostern nicht fehlen: Ein Osternest oder Osterteller mit einem gebackenen Lamm und bunten Eiern lässt nicht nur Kinderherzen höher schlagen.

Seit über 300 Jahren erfreuen sich gefärbte bzw. bemalte Eier zum Osterfest großer Beliebtheit. Doch woher kommt der Symbolcharakter des Eies überhaupt? Eine Spurensuche in heimatlichen Gefilden und weit darüber hinaus.

Alles stammt aus einem gro­ßen Ei, und unser gan­zer Erd­ball ist ein gro­ßes Ei, das alle ande­ren ent­hält,“ war der fran­zö­si­sche Schrift­stel­ler und Phi­lo­soph Vol­taire (16941778) über­zeugt. Auch die Inder sehen das Ei als Sinn­bild des Welt­gan­zen, wobei Erde und Him­mel mit den bei­den Hälf­ten eines Eies ver­gli­chen werden. 

Bis in unse­re Tage hat das Ei vom Fas­zi­no­sum sei­nes bild­haf­ten Sym­bol­cha­rak­ters nichts ein­ge­büßt. Neben Oster­ha­sen als Gebild­ge­bäck und aus Scho­ko­la­de sind die bun­ten Oster­ei­er nach wie vor das tra­di­tio­nells­te und belieb­tes­te Geschenk zum Oster­fest. Die größ­te Freu­de am Schen­kungs­brauch haben die Kin­der über alle Gene­ra­tio­nen hin­weg beim Ostereiersuchen.

2023 03 25 pb alb ostereier alabasterbemalt Foto: Karl-Heinz Paulus
Volkskunst in seinen schönsten Formen: Ein Huhn ziert das Osterei aus Alabaster.

Wenn man von der Far­ben­sym­bo­lik aus­geht, steht die ursprüng­lich wei­ße Far­be der Scha­le des Eis für Rein­heit und Voll­kom­men­heit. Doch nie­mand, dem der Oster­brauch etwas bedeu­tet, wür­de auf den Gedan­ken kom­men, jeman­dem wei­ße Eier zu schen­ken. Bunt sol­len Oster­ei­er sein und will man der oder dem Ver­ehr­ten oder zu Beschen­ken­den eine beson­de­re Freu­de ange­dei­hen las­sen, dür­fen die­se schon mal auch kunst­hand­werk­lich oder sogar kunst­voll bemalt oder mit beson­de­rer Orna­men­tik ver­ziert sein. Der Band­brei­te der Moti­ve sind dabei kei­ne Gren­zen gesetzt. Die über 5000 Expo­na­te zäh­len­de Dau­er­aus­stel­lung Welt­rei­se rund ums Ei“ im Muse­um der mit­tel­frän­ki­schen Stadt Schwa­bach kann man sich ein­drucks­voll davon über­zeu­gen. Die größ­ten Eier, die jemals auf Erden gelegt wur­den, wie­gen über zehn Kilo und stam­men vom aus­ge­stor­be­nen Mada­gas­kar-Strauß. Auch davon kann das Schwa­ba­cher Spe­zi­al­mu­se­um ein Exem­plar präsentieren.

2023 03 25 pb alb ostereier handbemalt Foto: Karl-Heinz Paulus
Volkskunst in seinen schönsten Formen: Nostalgische Erinnerungen weckt das handbemalte Osterei mit Hasenmotiv.

Wir wid­men unse­re Auf­merk­sam­keit unse­ren Oster­ei­ern. Sie haben bereits eine über zwei­tau­send­jäh­ri­ge Geschich­te. Vor mehr als drei­hun­dert Jah­ren begann man, sie kunst- und phan­ta­sie­voll zu bema­len oder mit sym­bol­träch­ti­gen Orna­men­ten zu ver­zie­ren. Prin­zes­sin Char­lot­te von der Pfalz ließ die ers­ten künst­li­chen Eier her­stel­len. Heut­zu­ta­ge wer­den Oster­ei­er in allen mög­li­chen Mate­ria­li­en ange­bo­ten. Im Baye­ri­schen Wald zäh­len vor allem künst­le­risch gefer­tig­te Glas­ei­er – wie sie bei­spiels­wei­se der Volks­kun­de­for­scher Prof. Dr. Rein­hard Hal­ler gesam­melt hat – zu den beson­de­ren Kost­bar­kei­ten in die­sem Metier. Eine beach­tens­wer­te Samm­lung zeigt das Muse­um im Fres­sen­den Haus“ (Sieg­fried von Vege­sacks Burg­turm) in Wei­ßen­stein bei Regen. Geschnürl­te mit bun­ten Glas­fä­den sind eben­so dar­un­ter wie Eier aus Farb­glas oder in Über­fang­tech­nik, mit Hand­be­ma­lung, Gra­vur oder Schliff. Vor den Oster­fei­er­ta­gen wer­den in unse­rem Brei­ten­grad auch Eier aus schön­ma­se­ri­gem Holz – bei­spiels­wei­se vom Holz­kunst­hand­wer­ker und Drechs­ler Svat­o­pluk (Sam) Vokur­ka in Vola­ry (Wal­lern) im benach­bar­ten Böh­mer­wald – oder – wie etwa im Gra­nit­zen­trum Hau­zen­berg – aus polier­tem Gra­nit angeboten.

Natür­lich gibt es im Han­del auch Oster­ei­er­schmuck aus Por­zel­lan, Ala­bas­ter, Blech (als Behält­nis­se), Papp­ma­ché oder Kunst­stoff, wobei auch dem Kitsch kei­ne Schran­ken gesetzt sind.

Im Baye­ri­schen Wald und ins­be­son­de­re im Böh­mer­wald haben vor allem die gefärb­ten und gekratz­ten („Scheckl“) Eier Tra­di­ti­on. Rosa Tahedl berich­tet in ihrem Buch Jah­res­rin­ge um ein Dorf im Böh­mer­wald“ von die­ser in ihrer alten Böh­mer­wald­hei­mat gepfleg­ten Volks­kunst. Woll­te man beson­ders schö­ne, gekratz­te Scheckl“ haben, muss­te man die­se recht­zei­tig bei Kön­nern die­ser Volks­kunst bestellen.

2023 03 25 pb alb ostereier boehmerwald bayrischer wald Foto: Karl-Heinz Paulus
Volkskunst in seinen schönsten Formen: Eine reiche Tradition hat das Bemalen und Auskratzen von Ostereiern in Böhmen und im Bayerischen Wald.

Lui­se Schau­ber­ger (†) in Pas­sau-Inn­stadt, die aus der Haus­stad­ler­müh­le bei Mit­ter­fir­mi­ans­reut, unmit­tel­bar an der böh­mi­schen Gren­ze, stamm­te, beherrsch­te die­se Art des Eier­krat­zens in Per­fek­ti­on und erfüll­te auch indi­vi­du­el­le Wün­sche. Bei­spiels­wei­se, wenn es um einen beson­de­ren Spruch auf einem rot gefärb­ten und reich ver­zier­ten Ei, das für das Oster­pink­ei“ (Oster­ge­schenk im Mold­au­ge­biet des süd­li­chen Böh­mer­wal­des) für den Liebs­ten bestimmt war, ging. Die­ser hol­te sich in der Oster­nacht sein Oster­ge­schenk am Kam­mer­fens­ter ab.

2023 03 25 pb alb ostereier straussenei rumaenien Foto: Karl-Heinz Paulus
Volkskunst in seinen schönsten Formen: An eine Ikone erinnert das riesige, kunstvoll bemalte Straußenei aus Rumänien.

Der bedeu­ten­de Volks­kund­ler und Hei­mat­for­scher aus Neu­ern im Böh­mer­wald Josef Blau wid­met in sei­nem 1918 in Prag ver­leg­ten Buch Böh­mer­wäld­ler Haus­in­dus­trie und Volks­kunst (Band II)“ dem Fär­ben, Bema­len und Krat­zen der Oster­ei­er“ ein eige­nes Kapi­tel. Er stellt dabei im Bild­teil bei­spiel­haft die typischs­ten Zier­mus­ter von geritz­ten Eiern aus Mugrau, von gekratz­ten Oster­ei­ern aus Win­ter­berg sowie gekratz­te, mit Wachs bemal­te oder gefärb­te Eier aus dem Cho­den­gau vor. Dazu über­lie­fert der Hei­mat­kund­ler auf acht Sei­ten ori­gi­nel­le Eier­rei­me. Die­se bezie­hen sich ent­we­der direkt auf das Oster­fest, ent­hal­ten per­sön­li­che Wid­mun­gen oder Lebens­weis­hei­ten, sol­len Glück- und Segens­wün­sche über­brin­gen, freund­schaft­li­che Ban­de fes­ti­gen oder Treue- bzw. Lie­bes­schwü­re ent­bie­ten. Auch Scherz­rei­me feh­len nicht. Die­ser zwei­fel­los schö­ne Brauch ist heu­te im Zeit­al­ter der Nach­rich­ten­über­mitt­lung per SMS lei­der völ­lig abge­kom­men. Kaum einer nimmt sich in unse­rem Lebens­stil, der von Schnell­le­big­keit domi­niert wird, noch die Zeit für eine sol­che, sehr indi­vi­du­el­le Aufmerksamkeit.

Sieht man von Aus­nah­me-Erschei­nun­gen wie bei­spiels­wei­se des ita­lie­ni­schen Desi­gners Rober­to Spa­do­ni mit sei­nen kunst­vol­len Krit­zel­eiern, die als Sam­mel­ob­jek­te sehr geschätzt wer­den, ein­mal ab.

Das Oster­ei in sei­ner vari­an­ten­rei­chen Gestal­tung erfreut sich nach wie vor als Geschenk gro­ßer Beliebt­heit. In vie­len Schöp­fungs­my­then ist es Sym­bol des Lebens. Das Ei ver­kör­pert den Ursprung der Welt, der Göt­ter und der Men­schen. Ihm als Wah­rer der Lebens­kraft wur­de die Gabe zuge­schrie­ben, Wachs­tum und Frucht­bar­keit zu steigern.

2023 03 25 pb alb ostereier weidenkorb Foto: Karl-Heinz Paulus
Weidenkorb mit Ostereiern.

Im Ei sah man einst einen wich­ti­gen Bestand­teil bei Lie­bes­zau­ber-Rezep­ten. Es war eine bevor­zug­te Lie­bes­ga­be zwi­schen Mann und Frau. Schließ­lich fan­den Eier auch als für die Rei­se ins Jen­seits stär­ken­de Spei­se als Grab­bei­ga­ben Ver­wen­dung. Im Chris­ten­tum ist das Ei Sym­bol der Auf­er­ste­hung. Die Scha­le ver­sinn­bild­licht das Grab, aus dem ein leben­di­ges Wesen hervorgeht.

Obwohl das Brauch­tum all­ge­mein zuneh­mend ver­armt, wird die Tra­di­ti­on des Eier­schen­kens nach wie vor hoch­ge­hal­ten. Es ist erfreu­li­cher­wei­se sogar eine Renais­sance fest­zu­stel­len, ins­be­son­de­re was den Eier­schmuck und das Eier­sam­meln anbe­trifft, wor­an einst­mals sogar Kurt Tuchol­sky offen­sicht­lich Spaß hat­te: Ei ist Ei, sag­te er und nahm sich das größte!“

Text und Fotos: Karl-Heinz Paulus

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