Das glauben wir

„Er ist ein Vorbild“

Redaktion am 15.10.2024

2024 10 14 pb alb pater viktrizius weiss kapuziner Foto: Roswitha Dorfner
Das Andenken ehren und wahren: In Erinnerung an Pater Viktrizius Weiß haben die Kapuziner an seinem Todestag zwei Gottesdienste in Altötting und Vilsbiburg gefeiert. Außerdem stand Bischof Rudolf Voderholzer aus Regensburg einem Pontifikalgottesdienst ebenfalls in Vilsbiburg vor. Auf unserem Foto nehmen die Zelebranten in Altötting (v.l.) P. Siegbert Mayer, Br. Marinus Parzinger, Stadtpfarrer Klaus Metzl, P. Alexander Madathil und Br. Andreas Kaiser P. Viktrizius in ihre Mitte.

Pater Viktrizius Weiß OFMCap wird rund um seinen langjährigen Wirkungsort Altötting besonders verehrt. Im Interview zum 100. Todestag am 8. Oktober erklärt Pater Marinus Parzinger Werdegang und Wirkung seines Ordensbruders.

Bru­der Mari­nus, in wel­cher Zeit leb­te der Kapu­zi­ner Vik­tri­zi­us Weiß?
Bru­der Mari­nus:
Es war eine Zeit des Um- und Auf­bru­ches, die von Säku­la­ri­sie­rung, einer Kri­se in Kir­che und Orden und der indus­tri­el­len Revo­lu­ti­on geprägt war. Das alles hat gesell­schaft­lich sehr viel in Bewe­gung gebracht. Bay­ern war zu der Zeit länd­lich geprägt, es gab vie­le kin­der­rei­che Fami­li­en. Vik­tri­zi­us Weiß hat­te es in die­ser Zeit eher gut erwischt: Sein Vater war Arzt, der ins­ge­samt 15 Kin­der hat­te. Eini­ge sind im Kin­des­al­ter ver­stor­ben, sechs haben stu­die­ren kön­nen und eine gute Schul­bil­dung erhal­ten. Eine sei­ner Schwes­tern war Ordens­obe­rin. Vik­tri­zi­us‘ Mut­ter war sehr begabt und prä­sent im Leben des jun­gen Vik­tri­zi­us. Sie hat ihm das Reli­giö­se vermittelt.

Waren Poli­tik und die Fra­gen der Zeit prä­gend für sei­nen Wer­de­gang?
Bru­der Mari­nus:
Es gibt da recht wenig in den Quel­len. Aber er war schon sehr auf das Klos­ter fokus­siert. Er hat sich der Welt nicht völ­lig ent­zo­gen, aber er hat­te – ähn­lich wie Bru­der Kon­rad – einen Blick fürs Tran­szen­den­te. Den­noch muss man sagen: Er muss schon auch sehr rea­lis­tisch und pra­xis­ori­en­tiert gewe­sen sein, denn sonst hät­te er sei­ne Arbeit als Pro­vin­zi­al nicht so gut machen kön­nen. Er hat die Din­ge gut abge­wo­gen, hat zuge­hört. Er war ein nach­denk­li­cher Mensch, der nie­man­den in Schub­la­den gesteckt hat. Sein Ansatz für Ver­än­de­rung war immer: Ich will es vor­le­ben, durch mei­ne Hal­tung etwas ins Posi­ti­ve wenden.

Waren sei­ne Ent­schei­dun­gen in der Lei­tung des Ordens Ant­wor­ten auf sozia­le Fra­gen der Zeit?
Bru­der Mari­nus:
Wie immer in Lei­tungs­äm­tern kommt ja auch viel auf einen zu, nicht alles ging von ihm aus. Den­noch hat er wich­ti­ge Din­ge in die rich­ti­ge Bahn gebracht, etwa das Kin­der­hilfs­werk der Kapu­zi­ner, das Sera­phi­sche Lie­bes­werk“, aber auch Pfar­rei-Grün­dun­gen wie in Mün­chen. Vie­le sei­ner Ent­schei­dun­gen wirk­ten gut und rich­tig in die Gesell­schaft hin­ein. Es war kein Zufall, dass der Orden unter sei­ner Ver­ant­wor­tung deut­lich wuchs.

Pater Vik­tri­zi­us Weiß hat nie­man­den in Schub­la­den gesteckt.”

Pater Marinus Parzinger

Vik­tri­zi­us Weiß hat in der glei­chen Zeit, zum Teil am glei­chen Ort, gelebt wie der hei­li­ge Bru­der Kon­rad. Was ver­bin­det die Ordens­brü­der?
Bru­der Mari­nus:
Ich habe den Ein­druck, dass sich die bei­den vom Typ gar nicht so unähn­lich waren. Das betrifft vor allem die Ent­schlos­sen­heit, mit der sie ihr Kapu­zinerle­ben gelebt haben. Natür­lich waren sie von der Her­kunft ver­schie­den, der eine kam aus einer Arzt­fa­mi­lie und besaß eine ent­spre­chend gute Aus­bil­dung, der ande­re war Land­wirt und Bau­er. Bei­de kamen aus Nie­der­bay­ern und sie haben gemein­sam in Alt­öt­ting gelebt, als Vik­tri­zi­us Weiß Pro­vin­zi­al war. Bei­de haben das schlich­te Leben als Kapu­zi­ner gewählt. Sie hat­ten einen Blick, der über den All­tag hin­aus­geht, und das Tran­szen­den­te und das Heil des Men­schen in den Fokus nimmt. Bei­de Ordens­leu­te waren kei­ne Mit­läu­fer, son­dern sie leb­ten das, was sie für sich ver­stan­den hat­ten, mit aller Kraft, radi­kal und ent­schie­den. Ihr Gott­ver­trau­en war stark.

2024 10 14 pb alb pater viktrizius weiss portrait Foto: Kapuziner/Archiv
Bescheidener Diener Gottes: Pater Viktrizius Weiß wählte statt einer akademischen Karriere als Weltpriester das Ordensleben in Armut und Demut. Als Kapuziner war er ebenso zugänglich für die Menschen wie entscheidungsfreudig in der Leitung des Ordens.

Heißt es eigent­lich Pater Vik­tri­zi­us oder Bru­der Vik­tri­zi­us?
Bru­der Mari­nus:
Bei uns Kapu­zi­nern ist es üblich, dass wir alle Brü­der“ sind. Es gibt kei­nen Unter­schied zwi­schen Brü­dern mit Pries­ter­wei­he und Brü­dern mit ande­ren Beru­fun­gen. So woll­te es auch der hei­li­ge Franz von Assi­si. Für die meis­ten Men­schen, und auch für mich, das gebe ich zu, ist Pater Vik­tri­zi­us“ gewohn­ter, denn in der dama­li­gen Zeit war die Bezeich­nung Pater“ für einen Ordens­pries­ter üblich. Aber ich bin auch sicher: Vik­tri­zi­us Weiß war beschei­den, demü­tig und brü­der­lich auf sei­nem Weg. Er hät­te ver­mut­lich kein Pro­blem damit gehabt, wenn er mit Bru­der Vik­tri­zi­us“ ange­spro­chen wor­den wäre.

Ist die­ser Mit­bru­der für Sie ein Vor­bild?
Bru­der Mari­nus:
Das ist eine schwe­re Fra­ge, denn sein Leben liegt 100 Jah­re zurück. Es war eine ande­re Zeit. Den­noch gibt es man­ches, das mir ver­traut vor­kommt und bei­spiel­haft ist, auch für mich ganz per­sön­lich. Er hat als Diö­ze­san­pries­ter mit guter Pro­mo­ti­on und Kar­rie­re­chan­cen ein ein­fa­ches Leben gewählt – eine kla­re Ent­schei­dung, die er dann zu hun­dert Pro­zent gelebt hat. Er war sehr fran­zis­ka­nisch unter­wegs, kein abge­ho­be­ner Aka­de­mi­ker. Ich schät­ze ihn für sei­nen Mut, er war kon­se­quent in sei­nen Hand­lun­gen als Pro­vin­zi­al. Er hat ver­sucht, gerecht zu sein, hat sich sehr im Urteil über ande­re zurück­ge­nom­men. Er war radi­kal und mutig, ging an die Wur­zel. Da muss ich ganz per­sön­lich sagen: Ich besit­ze die­se Kon­se­quenz und Klar­heit nicht unbe­dingt, da dient er mir schon zum Vorbild.

Vik­tri­zi­us Weiß war ein ehr­wür­di­ger Die­ner Got­tes“. Was bedeu­tet das eigent­lich?
Bru­der Mari­nus:
Die­ser Begriff ist Teil des Selig­spre­chungs­pro­zes­ses, der zur­zeit bei ihm läuft. So ein Pro­zess ist nichts, das geplant oder gemacht wird, son­dern er star­tet im Volk Got­tes. Er star­tet durch die Ver­eh­rung einer Frau oder eines Man­nes durch die Men­schen vor Ort. In die­sem Pro­zess geht es dar­um, zu prü­fen, ob jemand zum Segen für ande­re gewor­den ist. Ob er etwas von Got­tes Güte in die­se Welt getra­gen hat. Vik­tri­zi­us Weiß war geschätzt als geist­li­cher Beglei­ter und Beicht­va­ter, er war sehr bekannt im Volk, auch der Bischof war schon zu Leb­zei­ten auf ihn auf­merk­sam gewor­den. Aus der Bevöl­ke­rung kam nach der Beer­di­gung in Vils­bi­burg der Wunsch, ihn vom Klos­ter­fried­hof zu holen und in der Kir­che bei­zu­set­zen. Das wur­de vom Bischof erlaubt und so begann der Pro­zess. Es wur­den eine his­to­ri­sche Grup­pe ein­ge­setzt, sein Leben beschrie­ben und alle Doku­men­te gesammelt.

Was war Ziel die­ser Kom­mis­si­on?
Bru­der Mari­nus:
Sie stellt den Tugend­grad fest. Es geht nicht dar­um, dass der Mensch kei­ne Feh­ler machen darf, son­dern dar­um, dass er sich erfolg­reich bemüht hat, Glau­be, Hoff­nung und Lie­be zu leben. Das ist ein fest­ge­leg­tes Ver­fah­ren, vie­le, die ihn kann­ten, wur­den befragt. So ent­steht ein Bild. Durch den Krieg wur­de die Arbeit unter­bro­chen, am Ende liegt alles beim Papst. Die­ser bestä­tig­te im Jahr 1979 Vik­tri­zi­us Weiß den soge­nann­ten heroi­schen Tugend­grad“. Des­we­gen darf er nun ehr­wür­di­ger Die­ner Got­tes“ genannt wer­den. Das ist alles die Vor­ar­beit für eine mög­li­che Selig- oder Heiligsprechung.

Nun braucht es ein Wun­der.
Bru­der Mari­nus:
So ist es. Das ist alles klar gere­gelt, mit medi­zi­ni­schen Gut­ach­ten, Pro und Con­tra. Am Ende ent­schei­det wie­der der Papst: Ist eine Selig­spre­chung nun dran? Passt der­je­ni­ge in die Zeit? Inwie­weit ist er ein Vor­bild? Bei Vik­tri­zi­us Weiß gibt es bis­her noch kein durch die­sen Pro­zess bestä­tig­tes Wunder.

Was ist eigent­lich der Unter­schied zwi­schen einem Seli­gen oder einem Hei­li­gen?
Bru­der Mari­nus:
Es braucht ein Wun­der, um eine Selig­spre­chung zu errei­chen, für eine Hei­lig­spre­chung ein wei­te­res Wun­der. Vom Pro­zess und der Vor­be­rei­tung gibt es also gar kei­nen gro­ßen Unter­schied, es geht eher um die Bekannt­heit. Ein Seli­ger hat regio­na­le Bedeu­tung und wird übli­cher­wei­se vor Ort selig­ge­spro­chen. Hei­li­ge wer­den in Rom hei­lig­ge­spro­chen und gel­ten als Vor­bil­der für die Weltkirche.

Was sind Hei­li­ge für Sie?
Bru­der Mari­nus:
Hei­li­ge sind für mich Men­schen, durch die es ande­ren leich­ter wird, an Gott zu glau­ben. Sie brin­gen eine Facet­te ins Leben, in den Glau­ben. Mit ihrer Art, wie sie gelebt haben, machen sie das Christ­li­che kon­kre­ter. Men­schen stre­ben nach Glück, sie ver­su­chen das Rich­ti­ge zu tun. Die Kir­che will durch Seli­ge und Hei­li­ge Vor­bil­der auf­zei­gen, die Gott nahe sind und eine Brü­cke zu Gott sein können.

Wie bli­cken Sie auf den Selig­spre­chungs­pro­zess von Vik­tri­zi­us Weiß?
Bru­der Mari­nus:
Ich habe eini­ge Berüh­rungs­punk­te zu Hei­li­gen, die mir viel bedeu­ten. Ich feie­re sie ger­ne, weil ich glau­be, dass der Glau­be eine Kon­kret­heit bekommt, wenn man sich kon­kre­te Bei­spie­le ins Leben her­ein­holt. Wir brau­chen Ori­en­tie­rung. Vik­tri­zi­us Weiß war einer, der nicht pola­ri­siert hat, der die Men­schen gese­hen hat und sehr beschei­den leb­te. Das ist für mich zeit­ge­mäß. Und damit ist er heu­te schon – auch ohne Selig­spre­chung – für mich ein Vorbild.

Inter­view: Tobi­as Rauser

Pater Viktrizius Weiß OFMCap – Lebenslauf

Am 18. Dezem­ber 1842 wur­de Anton Niko­laus Weiß in Eggen­fel­den gebo­ren. Nach dem Abitur stu­dier­te er ab 1861 Phi­lo­so­phie und Theo­lo­gie in Mün­chen und wur­de am 29. Juni 1866 zum Pries­ter geweiht. In kur­zer Zeit pro­mo­vier­te er zum Dok­tor der Theo­lo­gie. Er wur­de 1875 in den Kapu­zi­ner­or­den auf­ge­nom­men und bekam den Namen Vik­tri­zi­us. 1884 wähl­ten ihn die Brü­der erst­mals zum Pro­vin­zi­al. Ins­ge­samt wur­de er fünf Mal in die­se Auf­ga­be beru­fen. In sei­ner Zeit stell­te er wich­ti­ge Wei­chen für die Zukunft des Ordens. Am 8. Okto­ber 1924, also vor 100 Jah­ren, starb er in Vils­bi­burg im Ruf der Hei­lig­keit“. Er galt als gedul­di­ger Zuhö­rer, ein Men­schen­freund, einer, der etwas von Got­tes Güte spü­ren ließ. 1935 wur­de der Pro­zess zur Selig­spre­chung eröffnet.

Das Lieb­lings­ge­bet von Pater Vik­tri­zi­us Weiß lautet:

Herr, gib mir Lie­be, eine star­ke, glü­hen­de Lie­be zu dir und wegen dei­ner zu allen Men­schen und zu allem Guten. Gib mir Stark­mut, dass ich alle Welt für unbe­deu­tend anse­he, wenn sie sich zwi­schen dich und mich stel­len woll­te. Gib mir Treue in dem Beruf, zu dem du mich erwählt hast, und die Gna­de recht Vie­les und Gro­ßes dar­in zu wir­ken, in tiefs­ter Demut und reins­ter Absicht, und til­ge mei­ne Sün­den­schuld. Amen.

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