Der 23. Januar ist in der Pfarrei Breitenberg ein besonderer „Festtag“, denn die Neuweltler feiern am „Raymunditag“ das Patrozinium ihrer Pfarrkirche und den Tag der ewigen Anbetung.
Früher, als hier in der „Neuen Welt“ fast alles von der Landwirtschaft lebte, war dieser 23. Januar ein richtiger Feiertag: Man besuchte am Vormittag den Festgottesdienst und ging dann am Nachmittag auch zu den Anbetungsstunden in die Kirche. Außerdem feierten die vielen „Mundln“ ihren Namenstag, denn zahlreiche Eltern ließen zu Ehren des Kirchenpatrons, des Hl. Raymund von Penaforte, einen „Raymund“ taufen. Bei der Durchsicht der Taufbücher aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts stellt man fest, dass „Raymund“ an dritter Stelle der beliebtesten Taufnamen nach Johann und Josef stand. 1766 wurde 13 Buben, im Jahre 1796 gar 17 Buben auf den Namen Raymund getauft. In den letzten 50 Jahren bekam kein Bub mehr diesen Vornamen, die „Mundln“ sind bis auf einen einzigen hier ausgestorben.
Wie kam es, dass die Breitenberger als einzige Pfarrei der Diözese Passau, ja ganz Deutschlands, ihre Pfarrkirche im Jahre 1721 ausgerechnet diesem im deutschen Sprachraum relativ unbekannten spanischen Heiligen widmeten?
Als um 1700 die Bevölkerung in der „Neuen Welt“ hinter Wegscheid so stark angewachsen war, dass die Bewohner den Bau einer eigenen Kirche wünschten, leitete der damalige Oberhirte des Bistums Passau, Fürstbischof Joseph Philipp Kardinal von Lamberg (1689−1712) die Vorbereitungen für eine eigene Seelsorgestelle „in der neuen Welt am Braitenberg“ ein. Doch mit dem Tod des Kardinals im Jahre 1712 schliefen die Bemühungen um den Bau einer eigenen Kirche wieder ein.
Im Jahre 1713 wurde Raymund Ferdinand Graf von Rabatta vom Passauer Domkapitel zum neuen Fürstbischof gewählt. Die Bürger der Residenzstadt Passau konnten sich nicht so recht mit dem äußerst sparsamen, strengen Fürsten anfreunden, dem die Seelsorge, besonders die Glaubensunterweisung seiner Untertanen und die Schulung der Priester, ein großes Anliegen war. Fürstbischof Raymund Ferdinand soll während seiner knapp zehnjährigen Amtszeit rund 100.000 Kindern das Sakrament der Firmung gespendet haben.
Die Breitenberger aber ließen in ihren Bemühungen um eine eigene Kirche nicht locker und schickten dem Fürstbischof schon bald nach der Wahl ein neues Bittschreiben, in dem sie ihr Anliegen recht anschaulich unter anderem damit begründeten, dass viele Menschen vor Ort im Winter nicht nur keinen Gottesdienst besuchen könnten, sondern „daß in Wüntter viele Persohnen ohne empfangung des hochheiligsten Altars Sakrament dahin gestorben, wegen des überhäuften Schnees nit allein kein Geistlicher Zukommen können“.
1719 kam daraufhin der Fürstbischof persönlich nach Breitenberg und bestimmte den Ort für den Kirchenbau, der dann ein Jahr später in Angriff genommen wurde. Zum 30. Oktober 1721 erhob er Breitenberg zur selbständigen Pfarrei – zuvor war die „Neue Welt“ von Wegscheid aus seelsorglich betreut worden.
Ob die Breitenberger nun aus Dankbarkeit gegenüber dem großherzigen Förderer ihres Gotteshauses dessen Namenspatron, den Kirchenlehrer Raymund von Penaforte, als Kirchenpatron wählten oder ob der Fürstbischof selbst, auf sein „ewiges Gedenken“ bedacht, seinen Namenspatron für die einzige von ihm erbaute Kirche im Hochstift auswählte, wissen wir nicht.
Nur Breitenberg hat Raymund von Penaforte als Patron
Der Patron der Breitenberger Pfarrkirche wurde um 1175 auf Schloss Penaforte bei Barcelona geboren, studierte dort und in Bologna Kirchenrecht und Rechtswissenschaft, wirkte als Professor für Kirchenrecht und empfing 1210 die Priesterweihe. 1222 trat Raymund dem neugegründeten Dominikanerorden bei und lehrte mehrere Jahre an der Ordenshochschule.
Im Jahre 1230 wurde er von Papst Gregor IX. an die päpstliche Kurie nach Rom berufen, wurde Berater und Beichtvater des Papstes und verfasste eine Sammlung päpstlicher Entscheide und Verfügungen in disziplinären Belangen. Diese päpstlichen Dekretalen (das sind Antworten des Papstes auf kirchliche Rechtsfragen) hatten bis hinein ins 19. Jahrhundert Gültigkeit. Mit dem Werk „Summa de casibus“ vermittelte er den Beichtvätern die nötigen rechtlichen Kenntnisse und beeinflusste damit das damalige Bußwesen der katholischen Kirche ganz entscheidend.
Als Ordensgeneral (1238−1240) kodifizierte Raymund die Regeln des Dominikanerordens neu. Nach Barcelona zurückgekehrt, wirkte er als Rechtsberater und Beichtvater König Jakobs I. von Aragon. In dieser Zeit spielt die sogenannte Mantel – Legende. Raymund tadelte König Jakob wegen seines unsittlichen Lebenswandels und wollte seine Beraterdienste aufkündigen. Beide befanden sich damals auf der Insel Mallorca. Raymund wollte aufs Festland zurückkehren, König Jakob verbot jedem bei Androhung der Todesstrafe, Raymund dabei behilflich zu sein. So fand er kein Schiff, das ihn übersetzte. Um doch vom König wegzukommen, breitete Raymund seinen Ordensmantel auf das Meer aus, nahm seinen Stab, bezeichnete sich mit dem Kreuzzeichen, trat auf den Mantel und überquerte in sechs Stunden das 60 Meilen breite Meer. Vor den Augen einer großen Menschenmenge stieg er völlig trocken in Barcelona an Land. König Jakob, beeindruckt von diesem Wunder, besserte fortan seinen Lebenswandel.
Raymund starb am 6. Januar 1275 fast hundertjährig in Barcelona und wurde in der gotischen Kathedrale von Barcelona beigesetzt. Er ist Patron der Kirchenrechtsgelehrten, Rechts- und Staatsanwälte. Raymund wurde am 29. April 1601 von Papst Clemens VIII. heiliggesprochen.
Das „Mantelwunder“ des hl. Raymund ist auf dem Hochaltarbild in der Breitenberger Pfarrkirche dargestellt. Kein Geringerer als der wohl bedeutendste Passauer Maler des 18. Jahrhunderts, Johann Georg Unruhe, schuf um 1783 dieses großartige Altarblatt.
Bei der Betrachtung des Hochaltarbildes des „Hl. Raymund von Penaforte“ lebt auch das Gedächtnis an den einstigen Passauer Fürstbischof Raymund Ferdinand Graf von Rabatta fort, der 1721 die Pfarrei Breitenberg gründete und beträchtliche Geldmittel für den Bau der Kirche in der „Neuen Welt“ zur Verfügung stellte. Wenn auch der kirchliche Festkalender den Gedenktag für den hl. Raymund auf den 7. Januar vorverlegte: In der Pfarrei Breitenberg wird der „Raymunditag“ wie eh und je am 23. Januar mit einem Festgottesdienst gefeiert.
Text: Helmut Rührl