Rund ums Matterhorn – Zermatt – Gornergrat – Aletschgletscher, so hieß es in der Ausschreibung unserer Bistumsblatt Bus-Wanderreise. Schon die Namen klingen verheißungsvoll. Und wir sollten nicht enttäuscht werden.
Grächen im Wallis war das Ziel unserer Reise. Die Bewohner des Kanton Wallis sind traditionsbewusst und naturverbunden, heißt es, und ein ganz eigener Schlag. Wie sonst könnte man es erklären, dass man sich schon ab ca. 12.30 Uhr mit „Guten Abend“ grüßt. Warum? „Weil vor langer Zeit der Bischof erlassen hatte, dass erst abends Alkohol getrunken werden darf“, so lautete die Antwort unserer Guides Thesi und Heinz.
Aha! Doch das ist längst nicht die einzige Besonderheit. Neben den traditionellen Steindächern und der früheren Stelzenbauweise der Häuser lernten wir auch die Suonen kennen. Das sind die historischen Bewässerungskanäle des Wallis. Sie bestehen aus offenen Gräben, die das Wasser von den Gebirgsbächen auf die trockenen Weiden und Äcker, in die Weinberge oder auf die Obstplantagen bringen. Viele der Suonen sind heute noch in Betrieb und werden sorgfältig unterhalten. Bei 300 Sonnentagen pro Jahr müssen die Wiesen bewässert werden, wenn etwas wachsen soll.
„Man grüßt sich schon ab ca. 12.30 Uhr mit „Guten Abend“. Warum? „Weil vor langer Zeit der Bischof erlassen hatte, dass erst abends Alkohol getrunken werden darf“”
Nächste Station: Aletschgletscher. Mit der Seilbahn ging es hinauf zur Bergstation Riederalp, von wo aus es mit Wanderguide Wenzel weiterging zur Moosfluh auf 2.333 Metern Höhe. Hier hat man einen fantastischen Ausblick auf den Großen Aletschgletscher, der mit seinen 23 Kilometern Länge der längste Eisstrom der Alpen ist. Unsere Wanderung talwärts führte über den Grat Richtung Hohfluh und durch den geschützten Aletschwald mit seinen uralten Arven (so heißen in der Schweiz die Zirben) bis zur Riederfurka mit der historischen Villa Cassel. Diese Villa war das private Ferienhaus von Sir Ernest Cassel. Der deutschstämmige Bankier und Finanzberater König Edwards VII. hatte sich diese Villa bauen lassen, um dort – bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs – die Sommer zu verbringen. Die gut erhaltene Villa ist heute der Sitz des Pro Natura Zentrums Aletsch, das sich für den Schutz der einzigartigen Natur in der Aletschregion einsetzt. Auf unserem Weg erfuhren wir von Wenzel viel über die Flora und Fauna des Aletschwaldes. Die Wirkung der Arven bzw. Zirben auf Atemwege und Blutdruck sind ja den meisten bekannt. Aber wie ist es möglich, dass Arven auf Felsen wachsen? Das ist das Werk des Tannenhähers. Der versteckt die Kerne als Wintervorrat in Felsspalten und aus denjenigen, die er vergisst oder nicht mehr braucht, wachsen dann eben die Bäume.
Doch auch hier inmitten dieser großartigen Landschaft kommt man am Thema Klimawandel nicht vorbei. Die warmen Sommer machen auch den Gletschern schwer zu schaffen. Das Matterhorn, auf das man wieder den einen oder anderen Blick erhaschen konnte, hat Wenzel noch nie so dunkel erlebt wie dieses Jahr.
Am Freitag kam dann das Highlight für viele. Zusammen mit unserem Guide Heinz ging es mit Postbus und Bahn ins autofreie Zermatt am Fuße des Matterhorns. Und schon vom ersten Moment an kann man verstehen, warum es sich um den meist fotografierten Berg der Welt handelt. Das Matterhorn mit seinen 4.478 Metern, majestätisch in Alleinstellung zu sehen, ist etwas ganz Spezielles, das kann man nicht beschreiben, das muss man erleben.
Mit der Zahnradbahn ging‘s dann hinauf zum Gornergrat auf 3.089 Meter – und auch während der Fahrt konnte man nicht anders, als den „Toblerone-Berg“ einfach immer wieder anzuschauen. Die Gornergrat-Bahn war die erste voll elektrifizierte Zahnradbahn der Schweiz und ist die höchste im Freien angelegte Zahnradbahn Europas. Der Gornergrat selbst zählt seit 1898 zu den Top-Ausflugszielen in der Schweiz. Und das nicht ohne Grund, denn oben angekommen hat man ein wunderbares Panorama: das Monte-Rosa-Massiv mit dem höchsten Schweizer Berg (4.634 Meter), einen Blick auf den zweitgrößten Gletscher der Alpen, den Gornergletscher, sowie auf 29 Berge, die über 4.000 Meter hoch sind. Ein überwältigender Ausblick.
Vom Gornergrat aus wanderten wir über Stock und Stein talwärts zum Riffelsee. Man hat tolle Bilder im Kopf, wie man sie aus Werbeprospekten und Social Media Kanälen kennt: vom Horu, wie das Matterhorn von den Einheimischen auch genannt wird, das sich im Sonnenschein im glitzernden See spiegelt… Leider haben wir einen der wenigen nicht sonnigen Tage erwischt. Beim Abstieg wurde es bewölkt und fing immer wieder an zu tröpfeln, in einiger Entfernung war auch immer wieder Donner zu hören, was aber die Stimmung keineswegs trübte. Das Matterhorn spiegelte sich trotzdem, es fehlte nur Sonnenschein und Glitzer. Vom Riffelberg wanderten wir über den Mark Twain Weg zur Riffelalp, um von dort aus die Talfahrt anzutreten.
Unten angekommen, blieb noch Zeit für einen Bummel durch Zermatt. Was in Hollywood der „Walk of Fame“, ist hier der „Walk of Climb“: Elf Bronzetafeln erinnern an die Erstbesteiger des Horu. Sieben ehren die Alpinisten, die am 14. Juli 1865 den Gipfel erreichten, zwei weitere Bronzetafeln verewigen die Namen derer, die den Gipfel von der italienischen Seite am 17. Juli 1865 erreichten. Seit 2019 sind zwei Plaketten auch zwei Frauen gewidmet, die als erste Frauen auf dem Matterhorn standen.
Wir besuchten den Bergsteigerfriedhof, der Grabsteine von rund 50 Verunglückten aus aller Welt in den Schweizer Bergen zeigt. Das „Grab des unbekannten Bergsteigers“ erinnert an die über 500 Toten und Vermissten, die es seit 1865 am Matterhorn gegeben hat und die nicht oder nicht vollständig geborgen werden konnten. Und dann gibt es auch noch den Gedenkstein für die Bergführer, die in Ausübung ihres Berufes verunglückt sind.
Gesegnet mit vielen Eindrücken traten wir am Sonntag die Heimreise an. Die Schweiz ist vielleicht nicht groß, aber großartig. Tolle Menschen, die herrlichen Wege, die großartigen Naturwunder werden noch lange in Erinnerung bleiben. Der Vierwaldstättersee mit seinem fast türkisen Wasser, die Bärgji-Alp, (ein traditionelles Walliser Restaurant, das seit 1932 besteht) zu der wir am Samstag, abseits der üblichen Wege, noch zu Kaffee und Kuchen wanderten, oder die Eisgrotte am Rhonegletscher sind noch ein paar weitere Highlights der Reise, die viel zu schnell wieder vorbei war. Auch wenn das Matterhorn scheinbar etwas schüchtern ist und sich uns nie in voller Pracht gezeigt hat, war es ein unvergessliches Erlebnis, dem „Wahrzeichen“ der Schweiz so nahe zu sein.
Text und Bilder: Stephanie Kössler