Soziales

2000 Kilometer mit der Kraft der Sonne

Wolfgang Krinninger am 20.04.2021

BMW Minin Photovoltaikanlage Wolfgang Krinninger

PV-Anlage auf dem Dach, Stromspeicher im Keller, E-Auto in der Garage – mit dieser Kombination kommt man der privaten Klimaneutralität ein Stück näher. Doch kann man als Familie komplett ohne Strom aus dem Netz auskommen? Ein Erfahrungsbericht.

Eines vor­weg: Ich mag Autos. Die dür­fen auch gern schnell und stark sein – und Spaß machen. Ich kann mich lang an den mecha­ni­schen Genie­strei­chen der Kon­struk­teu­re freu­en und lau­sche ergrif­fen, wenn ein brab­beln­der Acht­zy­lin­der sou­ve­rän vorbeirauscht. 

Doch ich weiß auch, dass der Kli­ma­wan­del Fakt und die Zeit knapp ist, um umzu­steu­ern. Die Kipp­punk­te“, an denen Öko­sys­te­me kaum mehr geret­tet wer­den kön­nen, selbst wenn die Mensch­heit schlag­ar­tig emis­si­ons­frei leben wür­de, kom­men schnell näher. Eine gewal­ti­ge Her­aus­for­de­rung, die bei­na­he alle Berei­che mensch­li­chen Lebens betrifft: Wis­sen­schaft, Poli­tik, Land­wirt­schaft, Gesell­schaft und eben auch die Mobilität. 

Unser eige­ner klei­ner Bei­trag: die Instal­la­ti­on einer Pho­to­vol­ta­ik­an­la­ge mit 12,6 Kilo­watt-Peak (kWp, Höchst­leis­tung, die die Anla­ge erbrin­gen kann) auf dem Dach sowie eines Strom­spei­chers mit ca. 10 Kilo­watt (kW) im Haus. Nach einem hal­ben Jahr Erfah­rung mit der Anla­ge haben wir ein E‑Auto geleast (BMW Mini) und zum schnel­len Laden eine Wall­box in die Gara­ge ein­bau­en las­sen. Erklär­tes Ziel: Aut­ar­kie, mög­lichst lan­ge ohne Strom aus dem Netz auskommen. 

In Sachen Mobi­li­tät gibt es kaum eine effi­zi­en­te­re Lösung. Mit dem Strom aus der eige­nen PV-Anla­ge betrie­ben, sind die rei­nen Bat­te­rie­au­tos mit 70 Pro­zent Gesamt­wir­kungs­grad (Well-to-Wheel, vom Bohr­loch bis zum Rad“) dop­pelt so gute Fut­ter­ver­wer­ter wie Autos mit Brenn­stoff­zel­len­an­trieb und etwa fünf­mal so gut wie ein Ver­bren­ner, der mit syn­the­ti­schem Kraft­stoff aus nach­hal­ti­ger Pro­duk­ti­on betankt wird.”

Süddeutsche Zeitung

Nach mitt­ler­wei­le 2000 Kilo­me­tern wis­sen wir: Es funk­tio­niert. Und es ist ein wirk­lich gutes Gefühl, die weit­aus meis­te Zeit allein mit der Kraft der Son­ne unter­wegs zu sein – und noch immer genug Strom zu haben, um den gesam­ten Haus­halt mit der Ener­gie vom Haus­dach zu ver­sor­gen. Zur Ver­deut­li­chung die aktu­el­le Bilanz für den nicht gera­de son­nen­rei­chen März: 6,3 Kilo­watt­stun­den (kWh) Strom­be­zug aus dem Netz, 195 kWh Ein­spei­sung von der PV-Anla­ge ins Netz. Frei­lich hat die Öko­bi­lanz auch Schram­men: Wir leben auf dem Land. Als sechs­köp­fi­ge Fami­lie mit zwei berufs­tä­ti­gen Eltern­tei­len nut­zen wir noch ein zwei­tes, ein von einem moder­nen Die­sel­mo­tor ange­trie­be­nes Auto (Toyo­ta Proace Ver­so) – vor allem auch für län­ge­re Fahr­ten. Und in den Win­ter­mo­na­ten von Novem­ber bis Febru­ar mit den kur­zen Tagen und mög­li­cher­wei­se Schnee auf der Anla­ge reicht die selbst erzeug­te Ener­gie nicht aus. Wir brau­chen in die­sen Wochen Strom aus dem Netz. 

Energiemonitor klein Foto: Wolfgang Krinninger
Unter Strom: Gespeist von der Energie aus der eigenen Photovoltaik-Anlage ist der Wirkungsgrad eines E-Autos kaum zu toppen. Über den Energiemonitor ist man ständig auf dem Laufenden und kann in Echtzeit reagieren.

Auf der ande­ren Sei­te hat das Pro­jekt Ener­gie­aut­ar­kie“ eine gro­ße fami­liä­re Eigen­dy­na­mik bekom­men. In unter­schied­li­cher Aus­prä­gung haben alle Fami­li­en­mit­glie­der mehr Bewusst­sein ent­wi­ckelt, was Ener­gie alles leis­tet, bei wel­chen Vor­gän­gen am meis­ten ver­braucht wird, wie man den Strom vom Dach am effi­zi­en­tes­ten nutzt. Von zen­tra­ler Bedeu­tung ist dabei das Online-Por­tal, über das die gesam­te Anla­ge vom Han­dy oder Com­pu­ter aus beob­ach­tet und über­wacht wer­den kann. Der Ener­gie­mo­ni­tor zeigt in Echt­zeit, wo wie­viel Ener­gie her­kommt und ob sie ver­braucht oder in den Spei­cher bzw. in den Akku des Autos ein­ge­speist wird. In der His­to­rie las­sen sich Ver­brauch, Erzeu­gung, Netz­ein­spei­sung und vie­le wei­te­re Para­me­ter zurückverfolgen. 

Mitt­ler­wei­le weiß jedes Fami­li­en­mit­glied, dass alle Arten der Wär­me­er­zeu­gung extre­me Strom­fres­ser sind, wie wir an bedeck­ten Tagen gut mit dem eige­nen Strom über die Run­den kom­men und wie­viel Ener­gie abends im Spei­cher sein muss, damit wir ohne Fremd­be­zug durch die Nacht kom­men. Das Gan­ze ist weni­ger kom­pli­ziert als es klingt. Man muss ledig­lich ein gewis­ses Fee­ling“ ent­wi­ckeln, wann die Wasch­ma­schi­ne, der Trock­ner oder die Spül­ma­schi­ne ein­ge­schal­tet wird. An son­ni­gen Som­mer­ta­gen spielt das ohne­hin kaum eine Rol­le, weil dann das Kraft­werk auf dem Dach auf jeden Fall sehr viel mehr Strom erzeugt, als wir sel­ber ver­brau­chen kön­nen. Ledig­lich alle Ver­brau­cher auf ein­mal ein­zu­schal­ten, ist auch dann tabu. 

Wich­tig ist nach unse­rer Erfah­rung, das Pro­jekt mit einem Fach­be­trieb mit Erfah­rung auf die­sem Gebiet anzu­ge­hen. Art der Nut­zung (Eigen­ver­brauch oder im Netz­ver­bund), Dimen­sio­nie­rung, Abstim­mung der ein­zel­nen Kom­po­nen­ten (PV-Anla­ge, Spei­cher, Wall­box, E‑Auto) auf­ein­an­der, Inbe­trieb­nah­me und Ein­wei­sung sind essen­ti­ell für den Erfolg – der sich über die aus­blei­ben­de Tank­rech­nung und die monat­li­che Abrech­nung des Ener­gie­ver­sor­gers auch finan­zi­ell bemerk­bar macht. 

Und dann ist da noch die Sache mit dem E‑Auto und der Freu­de am Fah­ren. Ich sag nur: Ein­stei­gen und wohl­füh­len. Das Auto beschleu­nigt bei Bedarf mit den Wer­ten eines Sport­wa­gens, liegt satt auf der Stra­ße und bringt einen kom­for­ta­bel und sicher von A nach B. Ein­zi­ge Man­kos: die gerin­ge Reich­wei­te und die im Ver­gleich zum Ver­bren­ner län­ge­re Dau­er beim Betan­ken. Doch die wer­den durch die laut­los-lust­vol­le Fort­be­we­gung und das gute Gefühl, mit der Kraft der Son­ne unter­wegs zu sein und den Ölscheichs eine lan­ge Nase zu dre­hen, mehr als wettgemacht. 

Es bleibt dabei: Ich mag Autos. Die dür­fen auch gern elek­trisch, schnell und stark sein – und Spaß machen.

Wolfgang krinninger

Wolfgang Krinninger

Chefredakteur

Unsere Werbepartner beim Sonderthema E-Mobilität

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