Eines vorweg: Ich mag Autos. Die dürfen auch gern schnell und stark sein – und Spaß machen. Ich kann mich lang an den mechanischen Geniestreichen der Konstrukteure freuen und lausche ergriffen, wenn ein brabbelnder Achtzylinder souverän vorbeirauscht.
Doch ich weiß auch, dass der Klimawandel Fakt und die Zeit knapp ist, um umzusteuern. Die „Kipppunkte“, an denen Ökosysteme kaum mehr gerettet werden können, selbst wenn die Menschheit schlagartig emissionsfrei leben würde, kommen schnell näher. Eine gewaltige Herausforderung, die beinahe alle Bereiche menschlichen Lebens betrifft: Wissenschaft, Politik, Landwirtschaft, Gesellschaft und eben auch die Mobilität.
Unser eigener kleiner Beitrag: die Installation einer Photovoltaikanlage mit 12,6 Kilowatt-Peak (kWp, Höchstleistung, die die Anlage erbringen kann) auf dem Dach sowie eines Stromspeichers mit ca. 10 Kilowatt (kW) im Haus. Nach einem halben Jahr Erfahrung mit der Anlage haben wir ein E‑Auto geleast (BMW Mini) und zum schnellen Laden eine Wallbox in die Garage einbauen lassen. Erklärtes Ziel: Autarkie, möglichst lange ohne Strom aus dem Netz auskommen.
„In Sachen Mobilität gibt es kaum eine effizientere Lösung. Mit dem Strom aus der eigenen PV-Anlage betrieben, sind die reinen Batterieautos mit 70 Prozent Gesamtwirkungsgrad (Well-to-Wheel, „vom Bohrloch bis zum Rad“) doppelt so gute Futterverwerter wie Autos mit Brennstoffzellenantrieb und etwa fünfmal so gut wie ein Verbrenner, der mit synthetischem Kraftstoff aus nachhaltiger Produktion betankt wird.”
Nach mittlerweile 2000 Kilometern wissen wir: Es funktioniert. Und es ist ein wirklich gutes Gefühl, die weitaus meiste Zeit allein mit der Kraft der Sonne unterwegs zu sein – und noch immer genug Strom zu haben, um den gesamten Haushalt mit der Energie vom Hausdach zu versorgen. Zur Verdeutlichung die aktuelle Bilanz für den nicht gerade sonnenreichen März: 6,3 Kilowattstunden (kWh) Strombezug aus dem Netz, 195 kWh Einspeisung von der PV-Anlage ins Netz. Freilich hat die Ökobilanz auch Schrammen: Wir leben auf dem Land. Als sechsköpfige Familie mit zwei berufstätigen Elternteilen nutzen wir noch ein zweites, ein von einem modernen Dieselmotor angetriebenes Auto (Toyota Proace Verso) – vor allem auch für längere Fahrten. Und in den Wintermonaten von November bis Februar mit den kurzen Tagen und möglicherweise Schnee auf der Anlage reicht die selbst erzeugte Energie nicht aus. Wir brauchen in diesen Wochen Strom aus dem Netz.
Auf der anderen Seite hat das Projekt „Energieautarkie“ eine große familiäre Eigendynamik bekommen. In unterschiedlicher Ausprägung haben alle Familienmitglieder mehr Bewusstsein entwickelt, was Energie alles leistet, bei welchen Vorgängen am meisten verbraucht wird, wie man den Strom vom Dach am effizientesten nutzt. Von zentraler Bedeutung ist dabei das Online-Portal, über das die gesamte Anlage vom Handy oder Computer aus beobachtet und überwacht werden kann. Der Energiemonitor zeigt in Echtzeit, wo wieviel Energie herkommt und ob sie verbraucht oder in den Speicher bzw. in den Akku des Autos eingespeist wird. In der Historie lassen sich Verbrauch, Erzeugung, Netzeinspeisung und viele weitere Parameter zurückverfolgen.
Mittlerweile weiß jedes Familienmitglied, dass alle Arten der Wärmeerzeugung extreme Stromfresser sind, wie wir an bedeckten Tagen gut mit dem eigenen Strom über die Runden kommen und wieviel Energie abends im Speicher sein muss, damit wir ohne Fremdbezug durch die Nacht kommen. Das Ganze ist weniger kompliziert als es klingt. Man muss lediglich ein gewisses „Feeling“ entwickeln, wann die Waschmaschine, der Trockner oder die Spülmaschine eingeschaltet wird. An sonnigen Sommertagen spielt das ohnehin kaum eine Rolle, weil dann das Kraftwerk auf dem Dach auf jeden Fall sehr viel mehr Strom erzeugt, als wir selber verbrauchen können. Lediglich alle Verbraucher auf einmal einzuschalten, ist auch dann tabu.
Wichtig ist nach unserer Erfahrung, das Projekt mit einem Fachbetrieb mit Erfahrung auf diesem Gebiet anzugehen. Art der Nutzung (Eigenverbrauch oder im Netzverbund), Dimensionierung, Abstimmung der einzelnen Komponenten (PV-Anlage, Speicher, Wallbox, E‑Auto) aufeinander, Inbetriebnahme und Einweisung sind essentiell für den Erfolg – der sich über die ausbleibende Tankrechnung und die monatliche Abrechnung des Energieversorgers auch finanziell bemerkbar macht.
Und dann ist da noch die Sache mit dem E‑Auto und der Freude am Fahren. Ich sag nur: Einsteigen und wohlfühlen. Das Auto beschleunigt bei Bedarf mit den Werten eines Sportwagens, liegt satt auf der Straße und bringt einen komfortabel und sicher von A nach B. Einzige Mankos: die geringe Reichweite und die im Vergleich zum Verbrenner längere Dauer beim Betanken. Doch die werden durch die lautlos-lustvolle Fortbewegung und das gute Gefühl, mit der Kraft der Sonne unterwegs zu sein und den Ölscheichs eine lange Nase zu drehen, mehr als wettgemacht.
Es bleibt dabei: Ich mag Autos. Die dürfen auch gern elektrisch, schnell und stark sein – und Spaß machen.
Wolfgang Krinninger
Chefredakteur