
Die Sonneninsel ist ein außergewöhnlicher Ort. Hier können sich Familien mit krebskranken Kindern zurückziehen, um wieder Kraft zu schöpfen. Auch viele Familien aus dem Bistum Passau haben dieses Angebot schon dankbar angenommen.
Wenn ein Kind mit der Diagnose Krebs konfrontiert wird, verändert sich alles. Die Krankheit stellt das Leben der Familie auf den Kopf. Plötzlich dreht es sich um Krankenhausaufenthalte, Therapien und medizinische Entscheidungen. Die Diagnose bringt Ängste, Unsicherheiten und eine oft unermessliche emotionale Belastung mit sich. Die Krankheit diktiert den Alltag und alles richtet sich darauf aus, dem Kind die möglichst besten Heilungschancen zu ermöglichen. Durchhalten und Funktionieren – diese Disziplinen bestimmen den Alltag der Familien. Eine Pause machen, zur Ruhe kommen, durchatmen, ein normaler Familienalltag – daran ist kaum zu denken. In dieser belastenden Zeit braucht es Orte der Erholung und der Normalität – genau hier setzt die „Sonneninsel“ an, ein einzigartiges Zentrum für krebskranke Kinder und ihre Familien in Seekirchen am Wallersee. „Die Sonneninsel ist ein psychosoziales Nachsorgezentrum für an Krebs oder anderen schweren Krankheiten erkrankte Kinder und Jugendliche“, erklärt Martina Weber, klinische Psychologin und seit Januar 2025 Geschäftsführerin der Einrichtung. „Zu uns kommen Kinder und Jugendliche mit ihren Familien – in den meisten Fällen in der Zeit nach einer Behandlung bzw. immer wieder zwischen den Behandlungszeiten.“
Bereits bei der Ankunft nimmt man wahr, dass die Sonneninsel ein besonderer Ort ist. Abseits des Klinik-
alltags finden hier betroffene Familien eine geschützte Umgebung, in der sie gemeinsam Kraft schöpfen können. Dabei bietet das Zentrum nicht nur eine medizinische Betreuung, sondern einen Ort fernab des Klinikalltages zur Erholung und Verarbeitung – jenseits von starren Vorgaben: „Wir sind spendenfinanziert. Das gibt uns die Freiheit, Familien aufzunehmen, die anderswo keine Hilfe finden würden. Wir sagen nicht: ‚Ihr passt nicht ins Schema‘, sondern wir fragen: ‚Was braucht ihr?‘“, berichtet Daniel
Kren, der seit 2011 für die Sonneninsel arbeitet und sich um Marketing und Fundraising kümmert. „Der Krebs kennt keine Grenzen – darum kennen wir auch keine.“

Das Programm des Aufenthalts ist auf die Bedürfnisse der jeweiligen Familie und des betroffenen Kindes abgestimmt. „Es ist uns sehr wichtig, dass wir den Kindern und Jugendlichen und auch den Angehörigen und Geschwistern gerecht werden“, berichtet Martina Weber. „Es gibt keine festen Vorgaben für das Programm – es muss nicht auf eine bestimmte Weise ablaufen. Wir führen im Voraus persönliche Gespräche, um die Programme individuell und bedürfnisorientiert zu gestalten.“
Die Aufenthalte sind daher so konzipiert, dass jede Familie die Zeit auf der Sonneninsel nach ihren eigenen Bedürfnissen gestalten kann – sei es als Pause zwischen den Behandlungszyklen oder als bewusste Auszeit, um ein Stück Normalität zurückzugewinnen. „Es geht darum, die ‚Scheuklappen‘ von der Behandlungszeit zu öffnen, den Blick zu weiten und wieder zu sehen, was das Leben noch alles zu bieten hat. Den Fokus wieder auf das Leben richten“, das sei wichtig, so Kren. „Es geht nicht darum, ein vorgefertigtes Programm abzuspulen, sondern den Menschen einen Raum zu bieten, in dem sie sich selbst und ihre Bedürfnisse in den Vordergrund stellen können“, berichtet Weber. Die kleinen Gäste können dabei kreativ werden, sich beim Turnen austoben oder die Natur rund um den Wallersee erleben. Und auch für die Familien und Angehörigen ist einiges geboten: Ob kreative Workshops, erholsame Ausflüge oder therapeutische Begleitung – hier finden die Familien die Möglichkeit, Kraft zu tanken und einfach wieder Familie zu sein. Dazu gibt es ein vielfältiges Therapieangebot, das als Baustein im Rahmen des Gesamtangebots verstanden wird: „Es gibt die Möglichkeit für psychologische Gespräche, Ergotherapie, Physiotherapie – also für alles, was speziell angeschaut oder bearbeitet werden muss“, so Weber.

Dabei zeigt sich das Team der Sonneninsel ideenreich und bietet unter anderem Massagen für Angehörige an. „In dieser Zeit reduziert man sich oft nur auf ‚Funktionieren‘ und ‚Überleben‘“, berichtet Maria Weber. „Wenn die Angehörigen zur Ruhe kommen, bricht oft etwas auf, was sie die Zeit zuvor unterdrückt haben. Daher befindet sich der Massageraum direkt neben einem Gesprächszimmer, sodass sie anschließend mit einer Psychologin sprechen können.“
Besonders wichtig sei, dass auch Geschwisterkinder, Großeltern und weitere Angehörige mitkommen könnten. Denn eine schwere Krankheit betreffe nicht nur den Patienten, sondern das gesamte soziale Umfeld. „Oft stehen die Geschwister im Schatten der Erkrankung. Alles konzentriert sich auf das erkrankte Geschwisterkind“, berichtet Martina Weber. Gerne erinnerte sie sich an Momente, wenn Geschwisterkinder das erste Mal sehr offen und ehrlich über ihre Perspektive sprechen: „Es ist so natürlich, wie sie das tun. Endlich dürfen sie mal darüber sprechen, weil es oft nicht angesprochen wird. Das ist sehr berührend.“
Dass das Haus existiert, verdankt sich ausschließlich Spenden, denn öffentliche Gelder sind der Einrichtung bisher nicht zugekommen. Auch der Bau des Hauses, der zwischen 2010 und 2013 insgesamt sechs Millionen Euro kostete, wurde ausschließlich durch großzügige Spenden ermöglicht. Die Finanzierung bleibt für das Team der Sonneninsel eine stetige Herausforderung, da auch viele andere karitative Organisationen um Unterstützung werben. Doch das Team setzt alles daran, die Mittel zu sichern: durch Fundraising, private Spenderkontakte und Kooperationen mit den Kinderkrebshilfeorganisationen aus Österreich, Bayern und Südtirol. Ehrenamtliche Helferinnen und Helfer, die sich um das Haus und das Gelände kümmern, und engagierte Praktikantinnen und Praktikanten aus verschiedenen Studienrichtungen wie Pädagogik, Psychologie oder Sozialarbeit bringen Zeit, neue Perspektiven und frische Ideen ein. „Es ist eine Herausforderung, sichtbar zu bleiben“, sagt Daniel Kren. „Aber wenn wir sehen, was für einen Unterschied wir für die Familien machen, dann wissen wir: Jeder Einsatz lohnt sich.“

Was die Sonneninsel so besonders macht, sind nicht zuletzt die Menschen, die hier arbeiten. Martina Weber beschreibt es folgendermaßen: „Es ist eigentlich zweitrangig, welche Profession jemand hat. Was zählt, ist ein warmes Herz, Mitgefühl und die Fähigkeit, den Familien eine sichere Umgebung zu bieten.“ Viele Mitarbeiter brächten bereits Erfahrungen mit schweren Themen wie Krankheit und Verlust mit. Es sei jedoch entscheidend, eine Balance zwischen Empathie und professionellem Abstand zu finden – und bei alledem ein gutes Herz, betont Weber: „Nur so können wir das bieten, was die Familien wirklich brauchen: einen Ort, an dem sie sich verstanden und getragen fühlen.“
Geht man durch die Gänge der Sonneninsel, hört man Bobbycars und Roller fahren, Kinder lachen und man sieht Eltern, die sich unterhalten – und man vergisst für einen Moment, an was für einem Ort man gerade ist – und dass alle kleinen Gäste eine Geschichte und ihr „Gepäck“ zu tragen haben. „Denn letzten Endes läuft das Leben weiter, während man in einer parallelen Welt lebt – die Therapiezeiten, der Zeitplan sind völlig anders“, so Martina Weber. Auch sind Kinder mit Krebserkrankungen oft verändert, findet Daniel Kren: „Diese Kinder, die eine Krebserkrankung überlebt haben, haben eine Tiefe, die man normalerweise nicht bei einem Kind sieht. Die haben Erfahrungen gemacht, die einen tief prägen. Sie mussten in dieser Zeit schnell erwachsen werden und viel überspringen, was eigentlich nicht sein sollte.“
Aber gerade hier setzt das Zentrum an: Es bietet ein Zuhause auf Zeit, dass den Familien etwas Normalität zurückgibt und die Kinder in diesen Tagen einfach Kinder sein lässt. Wer „draußen“ vor allem als
Patient, Kranker und Schwacher wahrgenommen wird, ist hier einfach ein lachendes, spielendes Kind, das für ein paar Momente alles andere vergessen darf.

Susanne Schmidt
Bischöfliche Pressesprecherin