Normalerweise ist er ein Tag der Begegnung: Am 2. Februar wird der „Tag des geweihten Lebens“ begangen und im Bistum Passau ist es Tradition, dass sich an diesem Tag Ordensleute zahlreicher Gemeinschaften treffen, um bei einem gemeinsamen Gottesdienst danke zu sagen für ihre Berufung und die Zeit im Orden und danach miteinander zu feiern. „Für viele ist dieser Tag ein sehr wichtiger“, erklärt Sr. M. Gabriele Kren, Benediktinerin der Anbetung im Kloster Neustift und Vorsitzende der Arbeitsgruppe Orden im Bistum Passau, „weil es ein Tag ist, an dem man Menschen begegnet, die man sonst möglicherweise das ganze Jahr über nicht sieht. Sich wenigstens an diesem Tag persönlich gegenüberzustehen tut gut – das ist etwas ganz anderes, als mal zu telefonieren.“ Deshalb ist es den Organisatoren nicht leichtgefallen, die Feier abzusagen.
„„Doch die meisten Gemeinschaften haben ihre Außenkontakte in den vergangenen Monaten sehr stark reduziert. Jeder weiß: Die Risikogruppe beginnt bei den 60-Jährigen“, so Sr. M. Gabriele, die lächelnd hinzufügt: „In den meisten Gemeinschaften zählt man mit 60 noch zu den Jungen. Wir haben also allen Grund, vorsichtig zu sein. Deshalb erschien es uns von der ‚Arbeitsgruppe Orden‘ auch falsch, unsere Mitschwestern und ‑brüder nach Passau bzw. Altötting zu einer zentralen Feier einzuladen, auch wenn ein gemeinsamer Gottesdienst in einem der großen Gotteshäuser erlaubt gewesen wäre. So haben wir den Termin schweren Herzens abgesagt.“”
Dabei geht es den Ordensleuten keineswegs nur um sich selbst, wie Sr. M. Gabriele betont: „Täglich kommen externe Mitarbeiter zu uns ins Kloster, z. B. vom Pflegedienst. Wenn wir Außenkontakte möglichst meiden, schützen wir nicht nur uns, sondern auch diese Menschen, und das ist uns wichtig.“ Das ist auch der Grund, warum sich im klösterlichen Alltag einiges stark verändert hat: „Wir Schwestern sitzen in der Kirche mit großem Abstand. Gerade bei uns in Neustift halten wir das für sinnvoll, weil die einzelnen Schwestern des Konvents einen sehr unterschiedlichen Alltag haben. Einige wirken bzw. wirkten viel außerhalb des Klosters – zum Beispiel die, die in Erziehung und Schule im Einsatz sind oder unsere Oblatenrektorin.“ Diese Frauen sind – bzw. waren bis vor kurzem – viel mehr mit Menschen in Kontakt als jene Schwestern, deren Lebensradius auch schon vor der Pandemie weitgehend auf das Kloster beschränkt war. „Deshalb haben wir uns entschlossen, Abstand zu halten, auch wenn es schwerfällt. Zeitweise haben wir uns sogar für die Mahlzeiten auf drei Speisesäle verteilt – das machen wir jetzt nicht mehr, weil wir gemerkt haben, dass uns das als Gemeinschaft nicht guttut. Dass uns die Nähe fehlt, der Austausch. Aber wir sind sehr vorsichtig.“
Ganz besonders vermissen die Benediktinerinnen die Pilger: „Wir empfangen aktuell keine Gäste, seit nun einem Jahr ist unsere Geistliche Zelle geschlossen. Das empfinden viele schon als großen Einschnitt und auch als Verlust.“ Da in Neustift auch getöpfert wird, haben die Schwestern auch die zahlreichen Märkte im Sommer und Herbst sehr vermisst – „finanziell ist das mit Einbußen verbunden, aber viel mehr fehlt uns der Kontakt zu den Kunden, denn oft ergeben sich unverhofft gerade bei solchen Gelegenheiten interessante Gespräche.“ Persönlich fand Sr. M. Gabriele den September schwierig: „Als Musiklehrerin war ich froh, als der Unterricht wieder losging, aber ohne Singen? – Für mich schon eine kleine Tragödie.“
Dennoch betrachtet Sr. M. Gabriele die ihrem Konvent auferlegten Einschränkungen als vergleichsweise marginal: „Wir hier in Neustift spüren nicht die ganze Dramatik, der viele Menschen gerade ausgesetzt sind. Denn: Hier ist niemand allein. Wir sind eine Gemeinschaft, können füreinander da sein. Dafür sind wir dankbar, wenn wir hören, wie einsam viele Menschen durch die Kontaktbeschränkungen sind. Wir sehen es auch selbst an drei unserer Mitschwestern, die im Altenheim sind: Es war ja zeitweise nicht erlaubt, sie zu besuchen, aber telefonieren war auch schwierig, weil nicht alle gut genug hören. Da wird einem erst richtig bewusst, wie viel Gemeinschaft wert ist. Zudem sind wir dankbar, dass wir miteinander beten und – da wir sozusagen ein Hausstand sind und Abstand halten – sogar singen können, das gibt uns Kraft.“ Gerade in spiritueller Hinsicht hat Corona nicht nur Nachteile mit sich gebracht: „Dadurch, dass viele Außentermine wegfallen, haben wir mehr Zeit für unser geistliches Leben. Die Ruhe tut gut – und wir nutzen sie nicht nur für uns, sondern auch für andere. Gerade werden z. B. noch viel mehr Gebetsanliegen als sonst zu uns gebracht, und wir haben jetzt Zeit und Gelegenheit, uns ihnen intensiv zu widmen.“ Die neue Situation hat darüber hinaus auch andere Freiräume eröffnet bzw. Talente und Neigungen hervortreten lassen: „Wir haben überlegt, was wir gemeinsam machen könnten. So entstand die Idee, eine Veeh-Harfen-Gruppe zu gründen. Seit einiger Zeit musizieren wir gemeinsam – das macht uns Freude, und so hat Corona zumindest im kleinen Rahmen doch auch Gutes mit sich gebracht.“
Bestellen Sie jetzt Ihre Sonntagszeitung
Der „Tag des geweihten Lebens“ ist traditionell auch der Tag, an dem um neue Berufungen gebetet wird – in Corona-Zeiten ein schwieriges Thema. Denn einerseits entstehen Berufungen oft durch persönlichen Kontakt, doch der fehlt. Andererseits, so berichtet Sr. M. Gabriele, gibt es durchaus Interesse, doch die Möglichkeiten, entsprechende spirituelle Sehnsüchte zu vertiefen, sind beschränkt: „Es gibt eine Frau, die seit Monaten mit uns in Kontakt steht. Sie fühlt sich zu unserer Ordensgemeinschaft hingezogen, doch selbstverständlich müsste man sich, bevor weitere Entscheidungen getroffen werden, erst kennenlernen. Es ist natürlich, dass sie die Atmosphäre vor Ort spüren, am Leben hier teilhaben möchte. Nicht umsonst heißt es: ‚Komm und sieh‘. Doch wir nehmen im Moment keine Tagesgäste auf, das ist erst später wieder möglich. Wir wollen nun vielleicht eine Videokonferenz machen, aber auch das ersetzt die Begegnung nicht. Andere Gemeinschaften stehen vor ähnlichen Fragen und wir arbeiten daran, wie wir für Menschen mit ernsthaftem Interesse da sein und gleichzeitig unser Sicherheitskonzept umsetzen können. Doch wir freuen uns, dass es auch in dieser Zeit Berufungen gibt und hoffen, dass wir gute Wege finden, sie zu bestärken.“
„Spätestens im Sommer“, so hofft nicht nur Sr. M. Gabriele, „wird ein Miteinander wieder möglich sein. „Zwei Tage sind für uns ein besonderer Lichtblick: Der AGOP-Ordenstag am 4. Juni, bei dem ein Besuch in der Synagoge in Straubing geplant ist, und ein Studientag am 25.9. zum Thema Anbetung mit Sr. Anneliese Herzig.